Geistiger Gehalt der bühnenmäßigen Aufführung
Erschienen in: Recherchen 168: Der urheberrechtliche Schutz performativer Kunst – Theater, Aktion, Performance (09/2023)
Als das Aufführungsrecht für dramatische und dramatisch-musikalische Werke in § 50 des deutschen Reichsgesetzes vom 11. Juni 1870940 gesetzlich anerkannt wurde, ging man von der Annahme aus, dass es keinen Unterschied machen dürfe, ob der Sinn bzw. die Handlung eines Werkes durch das Mittel der Sprache oder durch das bewegte Spiel im Raum, durch Gestik und Mimik des ausübenden Künstlers zum Ausdruck gebracht würde.941 Entsprechend wurde der gedankliche Inhalt von bühnenmäßigen Aufführungen eines Sprachwerkes mit demjenigen dramatischer Texte gleichgesetzt. Diese Auffassung hat sich, wie im Kapitel über die wahrnehmbare Formgestaltung dargestellt, bis heute erhalten.942 Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine bühnenmäßige Aufführung eines Werkes vorliegt, »wenn dem Publikum durch das bewegte Spiel im Raum der gedankliche Inhalt des aufgeführten Werkes vermittelt wird«.943 In Bezug auf bühnenmäßige Aufführungen von Sprachwerken folgt daraus, dass in und mit der bühnenmäßigen Aufführung der dem geschützten Sprachwerk entnommene geistige Gehalt durch das bewegte Spiel zum Ausdruck gebracht wird.944
Da der geistige Gehalt von Sprachwerken nach ständiger Rechtsprechung seinen Niederschlag in der Gedankenformung und Gedankenführung des dargestellten Inhalts und/oder in der besonderen geistvollen Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs findet,945 ist...