Theater der Zeit

Kolumne

Mein Nachruf auf Aviva Ronnefeld

Hier schreiben unsere Kolumnist:innen, die Regisseurin Marie Schleef, die Übersetzerin und Dramaturgin Iwona Nowacka und der Regisseur und Hörspielmacher Noam Brusilovsky, monatlich im Wechsel.

von Noam Brusilovsky

Erschienen in: Theater der Zeit: Amerikanisches Theater (11/2024)

Das deutsche Wort „Nachruf“ existiert in meiner Muttersprache nicht. Auf Hebräisch gibt es „Grabrede“ und „Traueranzeige“ – „Nachruf“ lässt sich aber nicht adäquat übersetzen. Was bedeutet es, einer geliebten Person nachzurufen? Geht es darum, die Biografie einer verstorbenen Person in der Öffentlichkeit zu würdigen, oder geht es darum, ihr wortwörtlich nachzurufen und vergeblich zu versuchen, sie nach ihrem Abgang verbal und laut wieder zu erreichen?

Meine gute Freundin, die Künstlerin Aviva Ronnefeld, starb viel zu früh im Alter von 66 Jahren an einem schönen Sommertag im August. Vor einem Jahr erhielt sie die Diagnose Glioblastom. Als ich auf Wikipedia recherchierte, was das genau bedeutet, musste ich mit Erschrecken feststellen: Hirntumor, bei dem die Überlebenszeit bei wenigen Monaten bis zu einem Jahr liege. „Aviva“, habe ich sofort zu ihr gesagt, „du darfst nicht vor April sterben – Pessach sollen wir noch zusammen feiern!“

Auch, wenn wir es nicht wahrhaben wollten, wussten wir alle, die Aviva liebten, dass die Zeit mit ihr knapp ist. Von nun an galt es, ihr schöne Momente zu schenken, an die wir uns später selbst erinnern können, und alles von ihr festzuhalten, was noch festzuhalten war. Aviva war eine begabte Gärtnerin und sie nannte ihren Schrebergarten...

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