Magazin
Große Träume – kleines Theater
Der sardische Theatermacher Ignazio Chessa
von Christoph Nix
Erschienen in: Theater der Zeit: Thema Ukraine: Serhij Zhadan „Lieder von Vertreibung und Nimmerwiederkehr“ (04/2022)
Assoziationen: Akteur:innen Europa

Im Norden Sardiniens, in der Stadt Olbia, wurde vor zwei Jahren ein gigantischer Theaterbau errichtet. Der Architekt Giovanni Michelucci hatte am Meer drei Theaterhäuser, Laboratorien und Werkstätten sowie einen Leuchtturm geplant. Zwei Jahre nach seinem Tod wurde das Haus eröffnet, aber nie bespielt. Die Vorstellungen im Anfiteatro Michelucci lassen sich an einer Hand abzählen. Das Management wechselte, keiner weiß, was man mit so einem Komplex anfangen soll. Aus der Presse ist das große, weiße Haus verschwunden, im Bewusstsein der Bevölkerung war es nie angekommen, die Gelder, die von der EU zur Verfügung gestellt wurden, teilen sich Bauunternehmer und Berater.
Hingegen fehlt es den Theatern Sardiniens überall am Geld. Die freie Szene ernährt sich selbst, die Künstler arbeiten in der Gastronomie. Sie sind der rechten Regionalregierung ohnehin ein Dorn im Auge und gelten als Überbleibsel des Kommunismus und der Dekadenz. Ignazio Chessa lebt seinen künstlerischen Gegenentwurf mit viel Humor. Er betreibt das kleinste Theater Sardiniens und, bevor es einen Gegenbeweis gibt, sogar der ganzen Welt.
Lo Teatrí: 38 Plätze, mitten in Alghero, der schönsten Stadt auf der Westseite der Insel, neben Sardisch wird Katalanisch gesprochen. Die Kinder der alten katalanischen Eroberer sind glückliche Touristen. Chessa ist ein Tausendsassa, eine Figur, die...