thema naturtheater
Die Waldverwandlung
Auszug aus „Gaia-Theater“
von Thomas Oberender
Erschienen in: Theater der Zeit: Barbara Mundel – Stürzende Gegenwart (12/2022)
Das erste Theaterstück, in dem keine menschlichen Darsteller auftraten, sah ich im Juli 2010 beim Sommerszene-Festival in Salzburg. In der Abenddämmerung lief ich in einer Besuchergruppe der Aufführung „The Light Forrest“ von Mette Ingvartsen den zentrumsnah gelegenen Kapuzinerberg hinauf. Er ist bekannt für sein Kloster, die Stefan-Zweig-Villa, das Ausflugslokal auf der Bergkuppe und die Relikte alter Wehrmauern, in deren Türmchen heute Obdachlose kampieren. Obgleich dicht am Zentrum gelegen, wird dieser Stadtberg mit seinen freilebenden Gämsen selbst im Hochsommer wenig von Gästen frequentiert und ist noch immer von einem weitläufigen Rotbuchenwald bedeckt.
Der abendlichen Exkursion in diesem alten Schutzwald war eine Aufführung in einem Salzburger Studiotheater vorausgegangen. In diesem ersten Teil der Produktion hatte Mette Ingvartsen vier Teile ihrer Serie „Evaporate Landscapes“ in einem verdunkelten Raum gezeigt. Die Akteure dieser Stücke waren die Elemente des Lebens: Feuer brachte die am Boden liegenden Steine langsam zum Glühen, der Wind wirbelte einen Strom aus Tausenden Seifenblasen über die Bühne und das Wasser schob sich als glitzernder Seifenschaum weit in den Raum. Diese vergänglichen Landschaften aus Licht, Sound, Schaum und Wind zeigten Materialien, die ständig ihren Zustand wechselten, als pulsierendes Glühen und weiches Fließen. Die verborgenen Apparaturen der Bühne zeigten weniger Dinge als vielmehr...