Wenig bleibt in Zeiten des Zweiten Weltkriegs übrig von der Liebe in einer besonderen Patchwork-Familie, die der englische Dramatiker Terence Rattigan ersonnen hat. Die arme Zahnarztwitwe Olivia hat sich nach dem Tod ihres Mannes in den Politiker und Industriellen Sir John Fletcher verliebt. Er bietet ihr ein Leben im Luxus. Als ihr Sohn Michael nach vier Jahren aus Kanada zurückkehrt, wohin ihn die Eltern wegen der Bombenangriffe geschickt hatten, platzt die Paarbeziehung, die vom ökonomischen Impuls getrieben scheint. Benjamin Hille hat das Stück, das bei der Uraufführung im Jahr 1944 „Less Than Kind“ hieß, im Theater Baden-Baden nun unter dem Titel „Herzsprünge“ zur deutschsprachigen Erstaufführung gebracht.
Mit virtuoser Komödienkunst gelingt es dem Ensemble, den zeitlosen Charme des Konversationsstücks herauszukitzeln. Ein Gefühl der Antiquiertheit des Stoffes bleibt dennoch. Der englische Dramatiker, der 1911 in London geboren wurde, betreibt in der Figur des sozialistisch geprägten Sohnes Michael zu deutlich biografische Nabelschau. Als junger Homosexueller, der seine wahren Gefühle nur verdeckt ausleben durfte, litt er unter der Oberflächlichkeit des Kunstbetriebs in den vierziger und fünfziger Jahren. 2017 entdeckte der britische Starregisseur Trevor Nunn Rattigans Stück in London für die Bühne dennoch wieder. An diese Fassung lehnt Bernd Schmidt seine deutsche Übersetzung an.
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