I
Jede gelungene Architektur ruht auf einem Fundament. In den altehrwürdig mahnenden Mauerresten, über denen das Frankfurter Jüdische Museum steht, nimmt die Heine-Architektur Willy Pramls (Regie) und Michael Webers (Textfassung/Räume) ihren Ausgang. Das Publikum steht verstreut zwischen diesen schulterhohen Wänden, als die zehn Hauptdarsteller ansetzen. An verschiedenen Orten rufen sie Sätze über den Verlust Jerusalems aus, kurze Sätze, an vielen Stellen, sodass das Publikum keine Möglichkeit hat, sich zu orientieren, Stimmen und Sprecher einander zuzuordnen oder den Raum als eigenen, beherrschten zu erfassen. Zerrissen zwischen den Stimmen kann es die Diaspora als räumliche Identitätslosigkeit am eigenen Leib erfahren.
Soweit die spezifisch jüdische Fundamentierung; was folgt, ist die biografische. Bevor sich die Gruppe der primären literarischen Grundlage der Inszenierung, Heinrich Heines Fragment Der Rabbi von Bacharach, zuwendet, kann das Publikum nun zwischen mehreren Stationen wählen, an denen einzelne Darstellende mit Schildern ausgestattet für Etappen aus Heines Lebenslauf werben. So ist das Publikum dazu gezwungen, durch Eigeninitiative Orientierung im Leben und Schaffen des Autors herzustellen. Dabei ergeben sich äußerst reizvolle Wechselwirkungen zwischen dem Raum und den Performances, etwa als die Loreley, gekleidet in ein schillerndes Paillettenkleid und beseelt mit rheinischer Frohnatur, ihre Geschichte auf den Mauern der Mikwe thronend zum Besten...