Theater der Zeit

Festival

Formenvielfalt und Spielfreude

Zur 47. Verleihung des Fritz-Wortelmann-Preises

von Christina Röfer

Erschienen in: double 45: An die Substanz – Material im Figurentheater (04/2022)

Assoziationen: Sachsen-Anhalt Theaterkritiken Puppen-, Figuren- & Objekttheater

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Es waren besondere Bedingungen, unter denen im Herbst letzten Jahres der renommierte Fritz-Wortelmann-Preis verliehen wurde. Die Veranstaltung, die sonst alle zwei Jahre zu einem prall gefüllten Programm-Marathon voller unterschiedlicher Eindrücke, Austauschformate und – natürlich – den Verleihungsfeierlichkeiten nach Bochum einlädt, fand nun erstmalig online statt. Die Veranstalter*innen des Deutschen Forum für Figurentheater und Puppenspielkunst (dfp) waren entschlossen, der pandemiebedingten Vereinzelung des Publikums etwas entgegenzusetzen und luden in eine detailliert gestaltete virtuelle Festivallandschaft ein, die rund um die (teils live gespielten, teils aufgezeichneten) Vorstellungen zu lockerem Austausch animierte. Auch die 21 gezeigten
Wettbewerbsproduktionen aus ganz Deutschland, die vom 16. bis 19. September 2021 in drei Kategorien gegeneinander antraten, zeugten in ihrem Ideenreichtum und dem Experimentieren mit (digitalen) Formaten von einer unaufhaltsamen Lust am Spiel:

Zeitgenössisches Puppenspiel (z. B. Kreatur: „Creatures Hill“, Janna Mohr: „Panne?!“, Aika & Kompagnons: „Die Echosammlerin“) gab es ebenso zu sehen wie Schattentheater (Tangram Kollektiv: „Schattenwerfer“ oder Akademie für Kunst und Musik Düsseldorf: „Der Zauberer von Oz“), Miniaturtheater (Yazmin van de Loo: „Rose“), Material- bzw. Objekttheater-Performances (z. B. äöü: „Aus dem Innenleben eines Staubsaugerbeutels“, LimoN: „Das blinde Sehen“) oder (Figuren-)Theaterfilme (z. B. Human Beans: „Unbehagen“, Hybride Formen von spielmitte e.V.: „Das Raumzeitjojo“, Figurentheaterbande des Theaterreviers: „Illuminatoren Nihau!“).

Ein Preisgeld von 4.000 € vergab die Jury dann für das melancholisch-musikalische Tischfiguren-Stück „Für Opa“ von Alba García, Tariq Marks und Alejandro Jurado Jiménez in der Kategorie Erwachsene Amateure. Jeweils 2.000 € erhielten in der Kategorie Schultheater und Jugendclubs die Dido Dance Company für „Tales in the dark“, eine Tanz und Puppenspiel verbindende Reise in eine nächtliche Zwischenwelt, sowie der Magdeburger PuppenSpielClubMini für sein aberwitziges und interaktives Zoom-Game „Das Kind im Kühlschrank“.

Mit ihrer biografisch-dokumentarischen Lecture-Performance „Kaffee mit Zucker?“ zu den Aus- und Nachwirkungen deutscher Kolonialvergangenheit (s. double 44) gewann Laia RiCa neben einem honorierten Auftritt beim Festival Fidena im Mai 2022 schließlich in der Kategorie Professioneller Nachwuchs die hölzerne Fritz-Trophäe. Für deren kunstvolle Gestaltung hat der Künstler Christoph Platz auch diesmal wieder eine Figur des traditionellen Kasperpersonals mit einer Bochumer Persönlichkeit verknüpft – sie zeigt die Schauspielerin Friederike Becht als Prinzessin. Einen undotierten Ehrenpreis verlieh die Jury darüber hinaus an die Khwoshch Group und ihre musikalisch-experimentelle „Dinopera“; das Augmented Reality-Theater „Level Fear“ vom Kinderclub Rakete Jetzt! (Grips Theater) bekam für seine besondere Erzählform mittels Buch und Smartphone-App ebenfalls lobende Anerkennung.

Die anfänglichen technischen Probleme bei der Live-Übertragung der Preisverleihung waren durch die stimmungsvollen musikalischen Zwischenspiele des Bochumer Trios Superego ebenso schnell vergessen wie das ausgebliebene physische Zusammenkommen der Künstler*innen und Gäste vor Ort: Die Freude aller Gewinner*innen war auch durch den Bildschirm hindurch deutlich sicht- und spürbar.

www.fidena.de

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