Magazin
Frau ohne Himmel
Feridun Zaimoglu: Isabel. Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014, 240 S., 18,99 EUR.
von Kerstin Car
Erschienen in: Theater der Zeit: This Girl: Die Schauspielerin Johanna Wokalek (09/2014)
Erst im Februar wurde Feridun Zaimoglu in der Zeit von Maxim Biller als „braver Neubür- ger“ verunglimpft, der – wie viele zeitgenössische Autorenkollegen – Wohlfühlliteratur für deutsche und nur allzu scheinheilige Intellektuelle schreibe, die sich nach mit Watte ausgelegter „Migrantenliteratur“ sehnen. Doch Zaimoglu, der bereits als intellektueller, türkischer Heilsbringer für eine sich emanzipierende Kanak-Kultur gepriesen und als türkischstämmiges Enfant terrible migrantischer Kultur angeprangert wurde, ist weder ein „Neubürger“ noch ein Wohlfühlautor. Mit seinem neuesten Roman „Isabel“ zeigt er durch sprachlich radikalen Minimalismus, dass ein Weniger an allem zwar ein anregendes Mehr für den Leser sein kann, gleichzeitig aber nur die bittere Realität der Protagonisten manifestiert. Und in dieser Realität wird niemand in Watte gepackt, niemand mit Samthandschuhen angefasst.
Isabel lebt in einem wort- und gefühlskargen Berlin-Mitte. Dort, zwischen Alexanderplatz und Monbijoupark, wo in einer Parallelwelt Touristen, Neuberliner und Einheimische flanieren, sich in den Reflexionen der Schaufenster sonnen und „ihre Cocktails ausschwit- zen“, rennt Isabel, recht atemlos „von einer Notaufnahme in die nächste“, wie ihr Freund Jo konstatiert. Die „Notaufnahmen“, in denen sie sich verirrt, sind allerdings nicht die ersehnten Auffang- oder Rettungsstationen. Sie wechselt Wohnungen, irrt durch das dunkle Labyrinth der Großstadt und verliert sich in einem Konglomerat aus traurigen,...