Es ist häufig festgestellt worden, dass das Werk Georg Büchners von einer Kluft durchzogen ist, die, den tiefsten Schichten der Geschichte entspringend, die Erdbebenlandschaften des 20. Jahrhunderts geprägt hat. „Hessischer Landbote“ versus „Fatalismusbrief“, Robespierre versus Danton, „Woyzeck“ versus „Leonce und Lena“, kalter Medizinerblick versus „Der Mond ein blutig Eisen“-Romantik – halt- und ruhelos springt Büchners Schreiben zwischen zwei unversöhnlichen Polen hin und her, die immer neue Varianten ihrer selbst generieren. Helmut Schäfer, künstlerischer Leiter und Dramaturg des Mülheimer Theaters an der Ruhr, hat es anlässlich Roberto Ciullis Inszenierung von „Dantons Tod“ (2004) einmal so ausgedrückt: Robespierre und Danton bezeichnen zwei Möglichkeiten, die miteinander im Widerstreit liegen, die aber unterirdisch miteinander kommunizieren. Die Linie Robespierre führt, über „Woyzeck“ und über das Herrschaftswissen des medizinischen Diskurses, zu den großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts, zum Schreckensort des Lagers; die Linie Danton hingegen, über „Leonce und Lena“, zum kulturindustriellen Leerlauf und der weltmüden Melancholie des Konsumkapitalismus. Auf beide Linien aber könnte man, mit unterschiedlichen Akzenten, die Formel „Anything goes!“ anwenden, wobei gilt: Wo alles möglich ist, da ist zugleich auch nichts mehr möglich …
Nun wird seit geraumer Zeit der „Danton“-und-„Leonce und Lena“-Pol als derjenige wahrgenommen, der stärker mit unserer heutigen Verfasstheit kommuniziert. Geschichtsfatalismus,...