„Elisabeth kann ihrer Rolle als Königin nur gerecht werden, wenn sie ‚unnatürlich‘ ist, gegen den Kanon der gesellschaftlichen Regeln verstößt, auf die sogenannte Erfüllung ihres Lebens als Frau in der Ehe verzichtet.“ So erklärt Pit Holzwarth im Programmheft zur Lübecker „Maria Stuart“ sein Regiekonzept der gegengeschlechtlichen Besetzung von Elisabeth (Jan Byl) und Leicester (Astrid Färber). Man wolle damit die Machtkonflikte neu beschreiben, das Stück enthistorisieren und das „in Opposition denkende Konservative“ Schillers in Bezug auf Konzepte des Weiblichen und des Männlichen aufzeigen. Ein gleichermaßen denkenswerter wie riskanter Ansatz.
Es ist eben nicht die entmenschlichte Mechanik des politischen Räderwerks, die die Lübecker „Maria Stuart“ in drei Stunden verhandelt. Das Machtstreben als Akt der seelischen „Deformation“, wie es weiterhin im Programmheft heißt, zu verstehen ist eine legitime Interpretation – individuelle Bedürfnisse und persönliches Moralempfinden bleiben angesichts des Strebens nach Machterhalt auf der Strecke. Der Regisseur findet dafür dann aber kein anderes als das überzeichnete Bild eines transvestitischen Nosferatu; die Figur der Elisabeth gibt er damit von vornherein einer grotesken Lächerlichkeit preis. Ein Diskurs über die Zuschreibung und Reproduktion von Geschlechterverhältnissen stellt sich gar nicht erst ein – im Gegenteil, in permanenter Wiederholung werden die üblichen Stereotype bestätigt: Leicester fläzt breitbeinig auf dem...