Gespräch
Was macht das Theater, Oliver Kluck?
von Erik Zielke und Oliver Kluck
Erschienen in: Theater der Zeit: Zur Sache, Schatz! – Über Lohnunterschiede und Lolita-Klischees (03/2018)
Assoziationen: Dossier: Was macht das Theater...? Schauspiel Frankfurt Schauspielhaus Graz
Oliver Kluck, kürzlich wurde bekannt, dass Sie – nach einigen Jahren Tätigkeit als freier Autor – eine Ausbildung zum Lokführer angetreten haben. Das Schreiben ist bei der sonst sehr kollektiven Theaterarbeit ein eher einsamer Beruf wie auch das Zugführen. Ist das Zufall?
Ob ich in einem Gasthaus auf meinen Stoff warte oder vor einem Halt zeigenden Signal, ist für mich nur dahingehend zu unterscheiden, dass ich für eine von beiden Tätigkeiten auf direktem Weg bezahlt werde. Das Schreiben selbst hat in meiner Sache immer einen geringen Anteil an der Schreibarbeit. So entsteht kaum Verzug dadurch, dass ich gelegentlich Züge fahre. Meine Tätigkeit ist sowieso klar umrissen.
Ist das auch Befreiung, nicht mehr vom Schreiben allein leben zu müssen?
Scheinbar ist es eine Eigenheit des Künstlerberufes, dass Arbeit und Ergebnis als Ereignisse betrachtet werden, die nichts miteinander zu tun haben. Der tatsächliche Wert meiner künstlerischen Arbeit ist entsprechend nicht in der Anzahl vollgeschriebener Hefte zu bemessen, sondern im Unterlassen des Schreibens. Die Zeit des Herumhängens bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu verlängern ist die Erfüllung meiner Profession. Für eine anständige bürgerliche Existenz bin ich ohnehin nicht geeignet. Ich bin ein Schichtenmigrant. In der Schicht, aus der ich komme, kann ich nicht sein. In der Schicht, in der ich sein könnte, will ich nicht sein. Das bürgerliche Theater hat keinen Bezug zu meiner Form des Wanderns. Es ist ganz und gar mit sich selbst beschäftigt. So fehlt der Bezug zwischen den Spielplänen und meiner Lebensrealität.
Aber das Schreiben aufgeben wollen Sie nicht. Was wird sich für Sie nun ändern beim Arbeiten an Texten?
Meine mit Abstand besten Arbeiten sind all jene Texte, die gar nicht erst geschrieben werden mussten. Die Notwendigkeit des Arbeitens auszusitzen ist die ganz grundsätzliche Herausforderung in der Wahrnehmung meiner Pflichten. Ich möchte ab sofort mehr unsichtbare Texte schreiben. Vielleicht einen weiteren Roman. Anderen ein Ergebnis vorenthalten. Fristverlängerung für fristgerechtes Liefern reklamieren. Stoffe für die Schublade produzieren, das ist die für mich stärkste Form des Arbeitens.
Sie sind also jemand, der als Theaterautor gilt, aber das Theater nicht braucht?
Die Wahrnehmung der Beziehung zwischen dem Theater und mir gründet auf einem Missverständnis. Ich habe ein festes und inniges Verhältnis zur Literatur. Meine Arbeit für das Theater hingegen ist nicht mehr als ein Versuch. Nun stellt sich heraus, dass das Theater, das ich bisher kennengelernt habe, kein Ort des Wachsens ist. Statt zu wachsen, bin ich im Staatstheaterbetrieb immer kleiner geworden, bis ich irgendwann ganz verschwunden war.
In Ihrem Stück „Was zu sagen wäre, warum“ schreiben Sie: „Im Gegensatz zu Roger Willemsen kann ich, wenn ich nicht mehr schreibe, nicht an die Universität zurückkehren.“ Ist das für Sie eine reale Angst, nicht mehr schreiben zu können?
Angst verspüre ich eher, wenn ich auf der deutschen Autobahn fahre. Ich verstehe den Begriff Arbeitslosigkeit im Wortsinn als die Befreiung von der Last meiner Pflichten. Arbeit loswerden, Lieferungen auf der Stelle einstellen, ist vordringliches Ziel meiner Arbeit.
Nachdem Sie mit mehreren Preisen geehrt und als sehr vielversprechender Nachwuchsdramatiker gefeiert wurden, ist in letzter Zeit kein Stück mehr von Ihnen uraufgeführt worden. Haben Sie das Theater auch als einen Betrieb erlebt, der stark Hypes und kurzfristigen Moden unterworfen ist?
Meine Preise, glücklicherweise waren es nur drei, waren immer mit einem sogenannten Werkauftrag verbunden. Es wurde von mir erwartet, dass ich für den Erhalt meines Preisgeldes eine Tätigkeit verrichte. Das Verrichten dieser Tätigkeit hat Leute im Theaterbetrieb gut ernährt. Diese Leute möchten heute nichts mit mir zu tun haben. Dabei habe ich mich noch nie so stark als Autor gefühlt und fähig zum Schreiben fantastischer Texte wie gerade jetzt. //