Leben und probieren in Berlin-Neukölln
von För Künkel und Mirjam Hildbrand
Erschienen in: Zirkuskunst in Berlin um 1900 – Einblicke in eine vergessene Praxis (02/2025)
Wir treffen uns in einer Bäckerei. Der Raum mit großen Fensterfronten ist gefliest. Für Audioaufnahmen also eher nicht so gut. In unseren Aufnahmen hört man Kunden Tee, Kaffee oder Gebäck bestellen. Und draußen donnern Lastwagen, Busse und Autos vorbei. Am Tisch sitzt Ralph Allison, er ist Artist, und wurde in eine Neuköllner Artist:innenfamilie hineingeboren. Zeitweise war er Vorsitzender des Artisten-Verein Einigkeit, A. V. E. abgekürzt.
Herr Allison erzählt von seiner Kindheit in Neukölln. Geboren wurde er 1957. Als Jugendlicher lernt er von seinen Eltern und probiert mit ihnen. Bald schon ist er professioneller Artist und tourt mit seiner Familie, den Original Allisons, durch Europa und die ganze Welt.
„Als mein Urgroßonkel Otto Eimer die Allisons 1887 mit zwei Kollegen gründete, gab es in Neukölln erst wenige Probeorte für Artisten und noch keine Probierhallen. Daher wurde anfangs in Fabrikgebäuden in der Frankfurter Allee geprobt, inmitten der Fabrikeinrichtung. Da hat man sich die eine oder andere blaue Stelle geholt, wenn man sich irgendwo gestoßen hat. Aber von der Statik her war das ein guter Raum, da konnte man sich sicher sein, dass die Decke auch was aushält.“
Ein Jahr später, 1888, wird dann der Artisten-Verein Einigkeit in Neukölln gegründet, 1898 die Vereine...