Magazin
Trump, der Faschismus und die kommunistische Hypothese
Alain Badiou: Trump. Amerikas Wahl. Passagen Verlag, Wien 2017, 72 S., 10,20 EUR.; Für eine Politik des Gemeinwohls. Passagen Verlag, Wien 2017, 120 S., 16.30 EUR.
von Jakob Hayner
Erschienen in: Theater der Zeit: Götterdämmerung – Polen und der Kampf um die Theater (10/2017)
Assoziationen: Buchrezensionen
Nahezu ein Jahr ist es her, dass Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA gewählt wurde. Nun ist ein amerikanischer Präsident ein amerikanischer Präsident und somit verpflichtet, die Interessen derer zu wahren, die in und über die USA hinaus ökonomisch das Sagen haben. Doch zerreißt ein Widerspruch das Land, nämlich zum einen von der globalen Situation profitieren und zum anderen den Preis dafür nicht mehr zahlen zu wollen. Die Antwort darauf lautete „America first!“, und Trump hatte sich diesen Reagan-Spruch von seinem inzwischen ehemaligen Berater Steve Bannon empfehlen lassen. Dass Trump die Wahlen gewinnen konnte, verweist auf den grundlegenden Widerspruch, dass die Nationalökonomien zwar in Konkurrenz zueinander stehen, aber auch aufeinander angewiesen sind. Wer dann aber in Zeiten der Krise meint, sich der anderen einfach entledigen zu können, steht mit einem Bein schon in der reaktionären Scheinlösung namens Faschismus.
Der französische Philosoph Alain Badiou schlägt in seinem neuesten Buch „Trump. Amerikas Wahl“ eine solche symptomale Lektüre Trumps vor. Statt sich mit schaurigem Grusel in den psychologischen Abgründen des Manns mit der irren Frisur zu verlieren, ist es dringend notwendig, die Situation zu analysieren, die ihn möglich gemacht und als Präsidenten hervorgebracht hat. Es handelt sich bei diesem Band um den Abdruck zweier Vorträge, gehalten zwei Tage nach der Wahl in Los Angeles und zehn Tage nach der Wahl in Boston. In gewohnter neoplatonischer Diktion fordert Badiou zunächst, die mit der Wahl Trumps verbundenen Affekte wie Depression, Angst oder Panik zu überwinden, um zu einer klaren Einschätzung der Lage zu kommen.
Es geht um Abstand. Erst mit der gelungenen Distanznahme zeigt sich ein Bild, welches Trump als Symptom verstehbar macht. Für Badiou ist Trump der Ausdruck des Siegeszugs des globalen Kapitalismus seit knapp vierzig Jahren, der aber zudem im Begriff ist, sich zu Tode zu siegen. Der entfesselte Kapitalismus wird selbst für jene, die im Lösen der Fesseln noch das Triumphgeheul auf den Lippen hatten, zunehmend unregierbar. Dass Trump, mit seiner Propaganda des Privateigentums und der Logik des Durchsetzens ohne Rücksicht („You’re fired!“, so der Ausspruch in seiner populären Fernsehshow), ohne den Rückhalt einer eigenen organisierten Partei Präsident der USA werden konnte, muss dabei als ein Glück bezeichnet werden, denn es grenzt die politischen Handlungsmöglichkeiten ein, wie seit seinem Amtsantritt anhand der zahlreichen Konflikte im Apparat und in Auseinandersetzung mit anderen Institutionen des amerikanischen Staates zu sehen ist. Diese hochgradige Verwirrung, die auch in den höchsten Ebenen der Regierung herrscht, zeigt, dass es momentan nirgendwo eine Vorstellung für eine Zukunft des Kapitalismus gibt, die nicht in der bloßen Brutalisierung seiner sowieso bestehenden Bewegungsgesetze besteht.
Badiou setzt gegen diese Alternativlosigkeit des Kapitalismus seine „kommunistische Hypothese“, die mit der Französischen Revolution 1789 am Ideenhimmel der europäischen Moderne auftauchte und 1871 sowie 1968 wieder in Paris und 1917 in Sankt Petersburg, 1949 in Peking und 1959 in Havanna zu größerer Strahlkraft fand. Dass Badiou von Idee oder Hypothese spricht, verweist auf den regulativen Charakter im Kant’schen Sinne. Erst das darin enthaltene Versprechen macht ein Handeln möglich, das die Zukunft einer menschlichen Gesellschaft denkbar macht. In dem Gesprächsband „Für eine Politik des Gemeinwohls“ mit Peter Engelmann führt Badiou aus, was unter einer kommunistischen Politik zu verstehen sei: Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln, Transformation der Logik der Arbeitsteilung, Internationalismus und das Absterben des Staates. Dass sich eine solche Politik nur jenseits von Identitäten realisieren lasse, steht für ihn außer Frage. Die kommunistische Hypothese ist universal. Und weil sie denkbar ist, kann sie auch real sein. Gegen die Vereinheitlichung der Welt setzt die kommunistische Hypothese die Öffnung hin auf das ganz Andere. //