Pink liegt der Strand von Lemnos am Meer. Keine Ecke, keine Unebenheit trübt diese Insel. Ihr Umriss ist rund, wie mit dem Zirkel geschlagen, ihr Untergrund – abwischbar – aus Plastik. Die sagenumwobene Insel, in Heiner Müllers „Philoktet“ Austragungsort eines blutigen Kampfes zwischen drei Männern, ist in der Neuzeit zu einer frivol gefärbten Table-Dance-Bühne geworden. Statt Pinien stehen hier sechs Neonröhren am Rand, das Meer besteht aus funktional arrangierten Stühlen (Bühne Simeon Meier). In der „Zeit der Kannibalen“, der Zeit der Shopping Malls und Messen, der Jet-Set-Kapitalisten und Unternehmensberater, ist jeder Störfaktor getilgt. „Das Hotel“, sagt Niederländer, „verfügt über eine autarke Wasser- und Luftaufbereitung.“ Und der Dreck an den Fenstern? „Sitzt außen.“
Dies ist eine der ersten Lügen, die sich die drei „Inselbewohner“ an diesem Abend gegenseitig zuschustern werden. Sie sind Consultants, sprich: Unternehmensberater, und da ist lügen, nun ja, ihr Job. Peter Kastenmüller hat am Theater Neumarkt die Geschichte um Frank Öllers, Kai Niederländer und Bianca März, die 2014 als Fernsehfilm mit Starbesetzung (Devid Striesow, Sebastian Blomberg und Katharina Schüttler) herauskam, mit Heiner Müllers „Philoktet“ konfrontiert. Warum? Sicherlich nicht, um einer smarten TV-Story mythologischen Tiefsinn zu verpassen. Dafür ist das Drehbuch, sind die Dialoge von Stefan Weigl zu gut....