Kolumne
Words, Words, Words
Erschienen in: Theater der Zeit: Christoph Hein und Ingo Schulze: Rasender Stillstand – Fragen an die deutsche Wirklichkeit (10/2013)
Assoziationen: Debatte
Neulich im brasilianischen Porto Alegre. Eine internationale Konferenz über Bertolt Brecht hat sich dem Thema „Der kreative Zuschauer“ gewidmet. Zwei Fragen mochte sich der Beobachter bei diesem Zusammentreffen von lateinamerikanischen Wissenschaftlern und Theaterleuten, die ein starkes Interesse an Brecht verbindet, stellen. Erstens: Was bedeutet es, dass Brecht, dieser vielleicht am meisten wahrgenommene Beitrag Deutschlands zum Welttheater, dieser berühmte Brecht, den jeder kennt oder zu kennen meint, der – übersetzte Brecht ist? Dass man seine genauen Worte im Grunde kaum kennt? Zweitens: Wohin führt eigentlich die immer mehr intensivierte Thematisierung des Zuschauers, des Homo spectator, im Gegenwartstheater und in der theoretischen Reflexion darüber? Es scheint sich um zwei sehr verschiedene Fragen zu handeln, doch sind beide für das künftige Schicksal eines von Brecht (nicht von der Brecht-Konvention) inspirierten Theaters des Politischen von Belang.
Wer den Lyriker Brecht kennt, mag an der ersten Frage leicht verzweifeln. Die exquisite Kunst seiner Gedichte, die Worte haarscharf am Rand des alltäglichsten Sprachgebrauchs zu finden, übersetzt sich beinahe gar nicht. Die Nuance, der spielende Bezug auf das übliche Sprechen, entfällt, wird bestenfalls im Hintergrund mitgehört. Was bleibt ist die „Aussage“. Nackt gesetzt, büßt sie nicht nur ihre Grazie, sondern oft ihren eigentlichen Sinn ein. Dies ist...