Auftritt
Schauspiel Leipzig/Schaubühne Lindenfels: Frieden auf dem Rücken des Mistkäfers
„Compania Sincara bringt: Frieden“ frei nach Aristophanes und Peter Hacks–Regie und Szenarium Rico Dietzmeyer, Bühne und Ausstattung Lisa-Maria Totzke, Musik Johannes Cotta, Annegret Enderle, Christoph Püngel, Masken und Szenografie Franziska Schubert, Ko-Regie und Licht Christoph Püngel, Mitarbeit Gerda Baumbach
von Lara Wenzel
Assoziationen: Freie Szene Sachsen Theaterkritiken Schauspiel Leipzig

Mit Krieg spielt man nicht, schon gar nicht in unseren turbulenten Zeiten, stellen Waldemar, Eusebius und Kerbel fest. Die drei Clowns, die in Leipzig bereits eine eigene Fangemeinde aufgebaut haben, begeben sich lieber auf die Suche nach Frieden. Der steckt nämlich in einem tiefen Brunnen fest und muss mit vereinten Kräften rausgezogen werden. Wie immer ist die Handlung, in der die winzige Göttin Eirene schließlich befreit wird, Nebensache. Vielmehr geht es bei Produktionen des Leipziger Kollektivs Compania Sincara unter Leitung von Rico Dietzmeyer um die Lieder und Einfälle auf dem Weg.
Vor drei Jahren standen die Clownsfiguren, hinter denen sich Dietzmeyer, Felicitas Erben und Jojo Rösler verbergen, erstmals im Leipziger Schauspiel auf der Bühne, um ihren Shakespeare-Dreiklang mit „Hamlet“ zu beginnen. Ihre Energie, mit der sie sich nun „Frieden“ frei nach Aristophanes und Peter Hacks annehmen, bleibt die gleiche. Mit Waschbrett vor dem Bauch und Kegelhut spielt Kerbel noch immer den jugendlichen Schelm, Eusebius streckt sich im Reifrock gen Himmel und Waldemar dazwischen bringt die guten Ideen mit. Rücklinks auf drei aufgeklappten Leitern sitzend beobachten die Clowns in allen Himmelsrichtungen Krieg. Wie soll es so weitergehen? Mit den Versen aus dem DDR-Lied „Kleine weiße Friedenstaube“ singen sie sich Mut an, dann stürzen sie sich in die groteske antike Komödie.
Trygaios, ein griechischer Winzer, hat sich darin in den Kopf gesetzt, auf dem Rücken eines Mistkäfers zum Olymp zu fliegen und die Friedensgöttin zu retten. Währenddessen wirft Kriegsgott Polemos die großen Städte Griechenlands in einem Mörser zusammen, um sie zu zermalmen. Nur der passende Stößel fehlt ihm noch dazu. Mit einer Maske über der Maske, die von Franziska Schubert gestaltet werden, verwandelt sich Eusebius in den Weinhändler mit Trinkernase und ändert seine Haltung: Die Schultern sacken nach hinten, das Kinn springt nach vorn und die Hände ruhen auf einem imaginierten Bauch. Während Eusebius „Nasentheater“ spielt, ziehen Kerbel und Waldemar „Lätzchentheater“ vor. Ein Stück Stoff, durch das sie ihren Kopf steckten, wird vom Umhang zur Mähne und fällt dann wieder als langer Bart zum Bauchnabel. Mit dem Lätzchen, einem neuen Hut und gezielten Gesten werden sie im Handumdrehen zu Göttern und Sklaven. Nicht zuletzt die Reduktion auf wenige Mittel ist es, die Freiraum fürs Spiel lässt und die Imagination des Publikums ankurbelt.
Mit nur drei Klappleitern, ein paar Tüchern und Seilwinden von Bühnenbildnerin Lisa-Maria Totzke ausgestattet, bleibt auch die Bühne karg. Während des wilden Ritts auf dem Mistkäfer fügen sich die Einzelteile zum Schweinekoben und Olymp zusammen und auch Eusebius’ Reifrock faltet sich erst als Mörser, dann als Brunnen auf. Prachtstück der Produktion ist der fliegende Skarabäus, der an zwei Stricken über dem Boden balanciert und von zwei Sklaven inklusive Fäkalhumor umsorgt wird. Übervoll ist nur die Bühnenecke der Musiker:innen Johannes Cotta, Annegret Enderle und Christoph Püngel, der ein paar schiefe Trompetentöne für den Auftritt von Hermes bläst. Mit der ganzen Palette aus Schlag-, Streich- und Tastinstrumenten mischen sie sich in die Clownerie ein und werden zu Vermittlern zwischen Komödianten und Publikum.
Angelehnt an das Maskentheater der italienischen Commedia all’improvviso gelingt es der Compania Sincara abermals, große Komik mit tiefem Ernst ins Spiel zu bringen. Ohne einen aktuellen Bezug eröffnet ihre Suche nach Frieden Denkräume für das Publikum. Der Frieden, den die Clowns aus dem Brunnen bergen, ist zwar nur eine winzige Stoffpuppe und hoffnungsvoll stimmt der Abend auch nicht, aber für einen Moment treffen sich alle im Lachen über die Tragik.
Erschienen am 5.11.2025


















