Peter Kastenmüller, Ralf Fiedler, das Theater Neumarkt in Zürich, das Sie in den vergangenen sechs Jahren geleitet haben, liegt historisch gesehen an einem spannenden Ort. Unweit des Theaters, in der Spiegelgasse Nr. 12, brütete Lenin über seinen Thesen, im Cabaret Voltaire vollzogen die Dadaisten die künstlerische Revolution. Welche Theaterrevolution haben Sie initiiert?
Peter Kastenmüller: Na ja, die Schweiz ist ja dafür bekannt, dass sie keine Revolution hervorgebracht hat. Hier herrscht eine andere politische Gemengelage.
Ralf Fiedler: Es existieren starke Instrumente, die dafür sorgen, dass der Volkswille in jede Richtung in Politik umgesetzt wird. Das macht Revolutionen praktisch fast überflüssig ... Der Begriff Revolution ist jedenfalls sehr hoch gegriffen, bezogen auf die Wirkmöglichkeiten von Theater.
Kastenmüller: Auch wir mussten das lernen: Mit welcher Lautstärke, mit welchen Mitteln bringen wir Themen hervor? Wir haben das Theater Neumarkt neu konfiguriert: Aus einem En-suite- haben wir ein Repertoire-Theater gemacht. Thematisch haben wir uns in den vergangenen sechs Jahren stark auf europäische Politik und deren Phänomene konzentriert. Eine aufregende Zeit. Die Welt von 2019 ist wirklich eine andere als die von 2013. Wir waren ein sehr schnelles Theater und haben versucht, mit Texten wie Robert Menasses „Die Hauptstadt“, Virginie Despentes' „Das Leben des Vernon Subutex“...