Boris Nikitin, Ihr aktuelles Stück „Erste Staffel. 20 Jahre Großer Bruder“, das am Staatstheater Nürnberg uraufgeführt wurde, bezieht sich sehr konkret auf die berühmt-berüchtigte TV-Show „Big Brother“, die in Deutschland im Jahr 2000 auf RTL II gestartet ist. Haben Sie die erste Staffel damals gesehen?
Nein, für mich war das eine Form von Trash, die mich zu der Zeit noch nicht interessiert hat. Ich war Anfang zwanzig und hatte mich in einer gewissen naiven Überheblichkeit eingerichtet.
Sie haben sich also der ersten Reality-Show im deutschen Fernsehen erst wieder als Theatermacher genähert, der schon etliche Stücke mit Titeln wie „Imitation of Life“ oder „Sei nicht du selbst!“ geschrieben und inszeniert hat.
Gewissermaßen ja. Als ich in den nuller Jahren in Gießen studierte, habe ich mich viel mit dem Thema der Selbstdarstellung und der Darstellung „echter“ Menschen auseinandergesetzt und die Behauptung des „echten Ich“ kritisch gesehen. Ich empfand derartige Setzungen im Theater in vielen Fällen als Reduktion von Komplexität, weil die Personen auf ein Selbst festgenagelt wurden oder sich selbst festnagelten, das sie beim Verlassen der Bühne nicht einfach als Rolle ablegen können. Insofern war es auch eine Reduktion von Möglichkeiten, die sich verschärfte, wenn Menschen, die sich selbst repräsentieren sollten, von...