Eine Theateraufführung kommt in allen Nachrichten vor, im Hörfunk, im Fernsehen, einen Tag später in den Tageszeitungen. Nicht hinten im Feuilleton, sondern vorne, im politischen Teil. Dort, wo ein Artikel wirklich gelesen wird. Daran kann ich mich in meiner Zeit als aktiver Theaterbeobachter – mein Gott, das sind schon 35 Jahre – nicht erinnern.
Es geht um die szenische Lesung „Correctiv enthüllt: Rechtsextremer Geheimplan gegen Deutschland“ im Berliner Ensemble, koproduziert vom Volkstheater Wien, inszeniert vom dortigen Intendanten Kay Voges, live gestreamt in public viewings vieler Theater und online überall verfügbar. Ein Reporter des Recherchekollektivs konnte sich in ein geheimes Treffen Rechtsradikaler in Potsdam schleichen und Aufzeichnungen anfertigen. Die Geschichte muss hier nicht wiederholt werden, sie ist bekannt, siehe erster Absatz.
Eine wichtige Information wurde in der Aufführung und parallel bei Correctiv erstmals veröffentlicht. Mario Müller, Mitarbeiter im Büro eines AfD-Bundestagsabgeordneten, erzählte im scheinbar internen Kreis, dass er Schlägertrupps auf einen deutschen Antifa-Aktivisten gehetzt hat. Das hatte Nachrichtenwert und führte dazu, dass die politischen Redaktionen das Thema aufgriffen. Radio- und Fernsehsender hatten durch den Stream gleich Audio- und Videomaterial. So lanciert man einen Mediencoup.
Nun ist eine Debatte entbrannt, ob die ästhetische Form der szenischen Lesung richtig war. Kay Voges hat...
Erschienen am 24.1.2024