Wer die Kunst von Berkan Karpat verstehen will, muss sich diesen Text als Weißbrot vorstellen und dieses Weißbrot als Raum und Zeit. Irgendwo Richtung Brotende hin fräst vor dem Münchner Amerika-Haus ein riesiger Industrieroboter unter Funkensprühen kryptische Zeichen in eine Wand aus Stahl. Es sind die in einem Genlabor zusammenmontierten DNA-Sequenzen von rund einhundert Zuschauern, die sich zehn Jahre nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York für Karpats Installation „DNA der Erinnerung“ Blut abzapfen ließen. Weiter zur Brotmitte hin fällt der Rotgardist Welimir Chlebnikow in der persischen Wüste von einem Zug, wird halb erfroren von einem Derwisch aufgepäppelt und entdeckt dort die Vorläufer der „Zaum“-Sprache der Futuristen sowie des deutschen Dada. Wieder zum Brotende hin versucht Karpat mit dem Radioteleskop „Würzburger Riese“ die Schwingungen der Kassiopeia einzufangen, während gleich daneben durch Koranverse beschalltes Isar-Wasser am Deutschen Museum vorbeifließt. All dies ist gleichzeitig vorhanden. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem. Erst wer derart lässig auf diesem Weißbrot zu navigieren versteht, ist bereit für ein Gespräch mit diesem Künstler.
Ich treffe Berkan Karpat im Münchner Stadtcafé unweit des Jüdischen Museums, der katholischen Peterskirche, mehreren Shisha-Bars und dem Karl-Valentin-Brunnen. Im Filmmuseum läuft „Frankenstein“, 1910 von dem Elektronikpionier Thomas Alva...