Was für ein Idiot!, möchte man da ausrufen. Der große Schauspieler Jens Harzer gibt den Fürsten Myschkin auf der Bühne des Hamburger Thalia Theaters und beweist sich einmal mehr als Virtuose der Darstellungskunst. In Johan Simons’ Inszenierung von Fjodor Dostojewskis Roman „Der Idiot“, einem beeindruckenden Abend von viereinhalb Stunden Länge, strafft und kürzt der Regisseur den monumentalen Prosatext (in einer Fassung von Angela Obst), ohne ihn zu beschneiden, ohne die Zerfranstheit des Handlungsgerüsts und das feingliedrige Arrangement der vielzähligen eigenwilligen Charaktere zu leugnen.
In dem schlichten Bühnenbild von Johannes Schütz – einige Stühle und Tische unter nackten Glühbirnen, auf dem kalten, in Schwarz-Weiß gehaltenen Bühnenboden angeordnet, abstrakt an ein Schachbrett gemahnend – und in zurückhaltend historisierender Kostümierung durch Greta Goiris, die ohne jedweden Russlandkitsch auskommt, dem Grundverbrechen bei der Inszenierung von östlichen Klassikern, finden die Romanfiguren zueinander. Harzer spielt den einnehmenden, wenn auch verschrobenen, nervenkranken Myschkin mehr als überzeugend: ein in Gesellschaft unbeholfener Epileptiker, bei dem man nicht weiß, ob es sich um einen jung Vergreisten oder ein großgeratenes Kind handelt.
Bei einem Autor von dem Kaliber Dostojewskis kann ein Regisseur es sich leisten, auf Aktualisierungen zu verzichten. Simons setzt ganz auf das spannungsreiche Figurengefüge, das das Hamburger Ensemble großartig...