Auftritt
Theater Osnabrück: Aufglühen ohne zu Verglimmen
„Die Sommer“ von Ronya Othmann (UA) – Inszenierung Emel Aydoğdu, Bühne und Kostüme Eva Lochner, Video Serkan Akin
von Jens Fischer
Assoziationen: Niedersachsen Theaterkritiken Emel Aydoğdu Ronya Othmann Theater Osnabrück

Eine schöne Herausforderung. Die resolut präsente, blitzschnelle Rollenwandlerin Katharina Kessler und die gerade in der humorvollen Zuspitzung von Charakterdetails sehr präzise Laila Richter sowie als Gast Cansu Şîya Yıldız wollen am Theater Osnabrück alle Figuren, Erzählstimmen, Beschreibungen, Reflexionen aus Ronya Othmanns autofiktionalem Roman „Die Sommer“ spielen. Der erzählt wirkungsvoll schlicht eine von Rassismus und Diskriminierung begleitete Geschichte des Erwachsenwerdens. Im Mittelpunkt steht Leyla, Tochter einer im Handlungsverlauf kaum erwähnten deutschen Mutter und eines jesidischen Kurden. Jesid:innen? Darum geht es. Was wissen wir über sie? Eben! Da bestehen Informations- und menschliche Annäherungsdefizite in Deutschland. Und so ist das Buch ein Versuch, die Liebe und Schönheit einer verloren gehenden Welt vor dem Vergessen zu bewahren. Im ersten Teil gewährt Leyla detailfreudige Einblicke in geradezu archaisch wirkende Traditionen und den entsagungs- wie arbeitsreichen Alltag ihrer Verwandten in Syrien, nahe der türkischen Grenze, wo sie jedes Jahr mit den Eltern den Sommerurlaub verbringt. In der staubigen Hitze der ländlichen Armut schämte sich Leyla allerdings schon früh, wie eine „Prinzessin auf Staatsbesuch“ zu wirken. Die Identitätssuche der Protagonistin spielt sich ab zwischen diesem Herkunftsort des Vaters und der Diaspora Almanya, aber auch zwischen den endogam-heterosexuellen Verheiratungsplänen der Familie und dem lesbischen Coming-out.
Schließlich macht der...
Erschienen am 7.2.2023