Wolfgang Engler, Europa hat seit dem Herbst 2015 nicht nur „Willkommenskultur“ erlebt, sondern auch eine seit 1990 nicht gekannte Welle von Angst und Hass. Brandsätze, Messerattacken, offene Todesdrohungen gegen Politiker und Helfer, aber auch Terroranschläge wie in Paris. Die Hemmschwellen für Gewalt sind dramatisch gesunken. Erleben wir nicht nur einen „Epochenbruch“, sondern auch den Beginn eines „Zivilisationsbruchs“?
Das kann man nicht ausschließen. Alle Systemkritiker, deren Fahrwasser die Krise ist, können zurzeit frohlocken. Die Krisendynamik geht einher mit der zunehmenden Verunsicherung vieler Menschen in Europa. Es ist ja noch nicht allzu lange her, da war der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland das beherrschende Thema. Das wurde dann überlagert von der Griechenland-Krise, auf die dann die Flüchtlingskrise folgte. Dabei gerät immer wieder der rote Faden, der sich durch all diese Krisen zieht, aus dem Blickfeld: das neoliberale Regime der westlichen Eliten in Wirtschaft und Politik. Dieser Zusammenhang wird nur selten hergestellt. Aber nur in diesem Kontext lässt sich die Zunahme von Frustration, Hass und Gewalt angemessen diskutieren. Das kam auch in der Premiere von Falk Richters „FEAR“ zu kurz, die ich im November in der Schaubühne sah. Jetzt rächt sich auch ein Prozess, der in den vergangenen 25 Jahren gerade im...