Theater der Zeit

Stück

Die fünf Leben der Irmgard Keun

Schauspiel

von Lutz Hübner und Sarah Nemitz

Erschienen in: Theater der Zeit: Bühne & Film – Superstar aus Neustrelitz (01/2023)

Assoziationen: Dramatik Düsseldorfer Schauspielhaus

Foto: Thomas Rabsch

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Ein Interview mit Lutz Hübner und Sarah Nemitz über die Uraufführung ihres neuen Stücks „Die fünf Leben der Irmgard Keun“ am Düsseldorfer Schauspielhaus finden Sie hier.

 

Personen

 

Irmgard Keun

Sophie Behringer (27) Assistentin / Frau / Therapeutin

Elly Meissner (26) Schauspielerin jüngere Keun / Odile / Doris / Junge Frau

Hilda Gereon (49) Schauspielerin ältere Keun / Lucy Strauss

Lothar Dorner (37) Regisseur / Arnold Strauss / Kesten / Arzt 2

Horst B. Sauer (65) Schauspieler / Jupp / Tralow / Partygast / Arzt 3

Tom Bastian (42) Kameramann / Joseph Roth / Vater Strauss /Arzt 1

Alle auch Chor der Emigrierten und Partygäste 1 (Virginia) & 2 (Nachkriegszeit)

Ort
Köln-Bocklemünd WDR-Studiogelände Halle 4

Zeit
2 Tage im Mai 1977 

© Hartmann & Stauffacher GmbH
Auftragswerk für das Düsseldorfer Schauspielhaus

 

1. Szene

Im Studio eines TV-Senders, leere Bühne, in der Mitte ein Stuhl vor schwarzem Molton. Tom richtet die Kamera auf einem Stativ ein, Hilda kommt in einem Kleid im Stil der 40er Jahre, setzt sich auf den Stuhl, es wird weiter eingerichtet. An der Seite steht Elly in einem hellen Sommerkleid im Stil der 30er, Sophie mit Klemmbrett neben Dorner, der leise etwas mit ihr bespricht. Dann hat Tom seine Vorbereitungen beendet, er nickt Dorner zu.

HILDA: Einmal trocken?

DORNER: Nein, gleich rein, wir haben ein bisschen Zeitdruck.

HILDA: Aber es ist ein wichtiger Text.

DORNER: Alles, was wir hier machen, ist wichtig, oder? Nein, im Ernst, du hast das bisher immer beim ersten Take geschafft. Wir glauben an dich. Also?

SOPHIE Keun Texte 4, Take 1

Sie schlägt die Klappe, Lichtwechsel, nach einem kurzen Durchatmen spricht Hilda in die Kamera.

HILDA: „Natürlich ist mein Leben hier eine Hölle, aber was soll ich denn draußen? Ohne Geld, ohne die Möglichkeit, Geld zu verdienen. Ohne Glauben an Gott, ohne Glaube an die Menschen, ohne Glaube an Kommunismus und Sozialismus, ohne Glaube an Änderung und Besserung in den nächsten Jahrzehnten. Ich habe die Menschen geliebt, länger als ein Jahrzehnt habe ich mir die Finger wund geschrieben und den Kopf leer gedacht, um vor dem Wahnsinn der heranbrechenden Barbarei zu warnen. Eine Maus, die durch Piepsen eine Lawine aufhalten will. Die Lawine ist gekommen und hat alles begraben, die Maus hat ausgepiepst. Ich bin lächerlich und alt, ohne Kraft und Lust nochmal von vorne zu beginnen. Abgesehen davon, dass ich noch nicht mal die Möglichkeit hätte, von vorne zu beginnen. Was ich glaubte, sagen zu müssen, habe ich gesagt, in meiner Art und Sprache. Was ich noch zu sagen hätte, sagen genug andere für mich. In dieser Zeit der allgemeinen Wortinflation ist es nicht schade, wenn einer sich besinnt und zu schweigen beginnt.“

Hilda sieht in die Kamera, kurze Stille.

DORNER: Cut! Danke, das war wieder einmal großartig, Hildchen. Du hast es drauf, ich bin auf den Knien.

HILDA: Ich weiß nicht… lieber nochmal… ich habe am Anfang ein bisschen draufgedrückt, das muss ganz sachlich kommen.

DORNER: Das war klar und kalt wie ein Wintermorgen.

Hilda sieht zweifelnd zu Tom, der ihr zunickt. Hilda steht auf.

HILDA: Na gut.

DORNER: Wenn ich sage, dass es gut war, dann war es gut. Da können Sie mir schon vertrauen, Frau Gereon.

HILDA: Ich begebe mich vertrauensvoll in Ihre Hände, Herr Dorner.

DORNER: Okay, Umbau auf Café.

Tom baut Stative und Kamera ab, die Technik beginnt mit dem Umbau auf ein Café-Interieur. Elly kommt zu Hilda.

HILDA: Das Kleid steht dir ausgezeichnet, Liebes, wunderschön.

ELLY: Danke, deines ist auch so hübsch. Modisch war die Zeit super.

Hilda lacht.

Oh Gott, nein, also, ist mir klar, dass es eine schlimme Zeit war, also du weißt, was ich meine, ja? Das klingt, als ob… ich meine nur die Mode.

HILDA: Alles gut, Elly, alles gut.

ELLY: Ich habe gerade richtig Gänsehaut bekommen, als du den Text gesprochen hast, du machst das so… ich habe jedes Mal einen Kloß im Hals, echt.

HILDA: Es sind eben gute Texte.

ELLY: Du hast da so einen Ton. Ich nehme manchmal zuhause meine Texte auf Kassette auf. Zum Üben. Das klingt oft so aufgeregt und unnatürlich, ich kann mir das kaum anhören. Bei dir hat das so eine Ruhe.

HILDA: Die kommt mit den Jahren. Ich muss mich umziehen.

ELLY: Klar, klar. Aber eins muss ich dich kurz noch fragen…

SOPHIE: Wir sind gleich drehfertig, Elly.

ELLY: Alles klar. Bin sofort wieder da.

Hilda und Elly gehen ab.

2. Szene

Die Café-Dekoration steht fast vollständig: eine Tür mit Windfang, großes Fenster, einige Bistrotische und -stühle, es wird eingeleuchtet. Sophie kontrolliert den Aufbau. Dorner war am Studiotelefon, legt auf und winkt Sophie heran.

DORNER: Sophie, kommst du mal bitte?

Sophie geht zu Dorner, er zieht sie ein wenig beiseite.

SOPHIE: Ich habe die Statisten abbestellt, das war doch richtig so, oder?

DORNER: Ja, alles gut, das schaffen wir auch so. Tom macht das mit der Steadicam. Ich bin der König der eingehaltenen Budgets.

SOPHIE: Weiß ich.

DORNER: Hör mal Finchen, folgendes: Du hast heute noch eine besondere Aufgabe. Die Keun kommt gleich.

SOPHIE: Irmgard Keun?

DORNER: Ihr Verlag hat die Tage den Sender angerufen, die haben das alles arrangiert. Ich habe gesagt, nur am Ende des Drehtags, sonst haut mir das die ganze Planung durcheinander.

SOPHIE: Warum weiß ich das nicht? Das war mein Vorschlag. Ihr kanntet sie doch alle gar nicht. Wieso sprichst du das nicht mit mir ab?

DORNER: Eine Anregung ist eine Sache. Aber wie man das umsetzt, wird doch nicht mit der Assistentin besprochen, du kennst doch die Abläufe. Und davon abgesehen: Was meinst du, was bei den Damen losgewesen wäre, wenn die das früher gewusst hätten. Heute fehlt uns nur noch die stumme Jule im Café, da kann nichts schiefgehen, das kriegen wir auf jeden Fall in den Kasten. Flasche Henkel trocken habe ich besorgt, wir plaudern mit ihr, erzählen ein bisschen was, und nach zwanzig Minuten setzt du die Dame wieder ins Taxi.

SOPHIE: Aber wäre es nicht besser, wenn alle die Möglichkeit bekommen…

DORNER: Ich sage es immer wieder gern: Das Schöne am Chef sein ist, dass man die Entscheidungen fällt, zum Beispiel die, wann man Vorschläge hören will. Ich habe hier einen Drehplan zu erfüllen: Also, zwanzig Minuten, kurzes Gespräch mit dem Ensemble, Vorstellung des Projekts, ein Gläschen Sekt, aber nur auf Anfrage und dann Tschö mit Ö. Morgen Abend müssen wir durch sein, und wenn du das Bedürfnis hast, mit ihr zu sprechen, kannst du sie gern im Taxi nach Hause begleiten, ich brauche dich heute Abend nicht mehr. Aber ich warne dich, die Frau ist schwere Alkoholikerin und ein ausgewachsener Drache, was man so hört.

Horst kommt herein und geht zu den beiden.

HORST: Wie sieht es aus? Kommt sie oder kommt sie nicht?

DORNER: Kommt.

SOPHIE: Sehe ich das richtig? Horst weiß Bescheid und ich nicht? Bei dem ist es okay, ja? Ich habe das…

DORNER: Sophie, lass gut sein. Mach dich mal nicht so wichtig, ja?

HORST: Wenn die Assistentin abends nicht mit in die Kneipe will, weiß sie sowas eben nicht.

Tom kommt mit einem Kameraobjektiv.

TOM: Ich könnte das mit dem Siebener machen, dann kriegt das so eine leichte Unschärfe, das sieht dann nach Reportage aus.

SOPHIE: Schon gehört, Tom? Die Keun kommt.

DORNER: Nun häng das nicht so hoch, das ist eine alte Dame, die mal eine gewisse Bedeutung hatte, aber das ist lange her.

HORST: Immerhin war sie die Geliebte von Joseph Roth.

SOPHIE: Ein bisschen mehr war sie schon!

Sophie geht.

HORST: Die kann sowas von zickig sein.

DORNER: Das heißt heute Feminismus.

TOM: Hört ihr euch manchmal zu?

DORNER: Man wird doch wohl einen Scherz machen dürfen. Außerdem hat sie das nicht mehr gehört. Sophie?! Holst du mal die Keun Sisters? Ich will ihnen das selbst sagen.

HORST: Ist schon irre, dass gleich eine Frau kommt, die mit Joseph Roth im Bett war.

TOM: Du wirst sie aber bitte nicht danach fragen.

HORST: Natürlich nicht! Auf jeden Fall nicht direkt, ich will nur wissen, wie er so war. Als Mensch. Außerdem habe ich als Joseph Roth leider keine Bettszene.

Horst lacht, Tom lacht nicht mit. Elly und Hilda kommen, Hilda wieder in Alltagskleidung. Horst geht zu Elly und begrüßt sie mit Küsschen.

Das Kleid steht dir ausnehmend gut, zum Anbeißen.

ELLY: Da hilft kalt duschen.

DORNER: So, meine Lieben. Wir haben noch eine knappe Stunde für Café 1932 Berlin und dazu erwarten wir einen Gast, der jeden Moment hier sein wird. Das Taxi ist unterwegs und gleich begrüßen wir… Frau Irmgard Keun!

Stille

HILDA: Wieso erfahren wir das erst jetzt?

DORNER: Also ein bisschen mehr Enthusiasmus hätte ich mir schon erwartet.

HILDA: Aber du wusstest das, Horst, oder? Du bist doch morgen erst dran.

HORST: Ich habe es rein zufällig erfahren.

DORNER: Ich wollte, dass wir unsere Strecke schaffen.

ELLY: Kommt die erst nach meiner Szene oder wird sie dabei sein?

DORNER: Das schaffst du doch, oder?

ELLY: Ja klar, aber es ist doch komisch zu wissen, dass das Original zuschaut.

TOM: Darf ich kurz was sagen? Ich glaube, es ist vor allem eine Chance, jemanden kennenzulernen, der diese Zeit erlebt hat.

HILDA: Das steht doch außer Frage, Tom.

ELLY: Hattest du nicht gesagt, dass sie in der Psychiatrie ist?

HORST: Das habe ich so gehört, ja.

SOPHIE: Da ist sie seit Jahren wieder draußen!

ELLY: Also sie ist… geheilt, wieder stabil… also im Oberstübchen…

SOPHIE: Ich fasse es nicht!

ELLY: Ich will doch nur wissen, ob man mit ihr reden kann!

HILDA: Ich habe mich sowieso gefragt, warum sie nicht eingeladen wurde.

DORNER: So, Ruhe im Stall. Wir müssen uns absprechen: Begrüßung, Caféhaus-Szene, falls sie zuschauen will, dann könnt ihr ein paar Fragen stellen, und danach bringt Sophie sie nachhause. In einer Stunde fällt hier der Hammer.

HILDA: Dann gehen wir mit ihr noch rüber ins Marienbildchen. Was meint ihr?

DORNER: Könnt ihr gerne machen. Es geht morgen früh aber pünktlich los. und wir müssen morgen durchkommen. Und ihr solltet vielleicht wissen, dass die Dame säuft wie ein Eimer.

ELLY: zu Horst Was willst du eigentlich von ihr?

HORST: Recherche, die Frau hat mein halbes Bücherregal persönlich gekannt.

HILDA: Ich finde, wir sollten einen Mädelsabend mit ihr machen. Was meinst du, Sophie?

SOPHIE: Liebend gern.

Das Telefon neben dem Halleneingang klingelt, Sophie hebt ab.

SOPHIE: Ja… okay… soll ich kommen? Okay.

Sophie legt auf.

Sie ist da.

TOM: Nun bin ich wirklich gespannt.

DORNER: Noch was: Das Drehbuch bleibt vertraulich.

ELLY: Kennt sie das nicht?

DORNER: Zeitzeugen sind immer etwas schwierig und in so einem Fall… die Frau hat echt was durch, man sollte sie nicht übermäßig belasten, das überfordert sie.

ELLY: Sollte sie das nicht selbst entscheiden können? Immerhin ist sie Schriftstellerin.

DORNER: Die Frau hat dreißig Jahre nichts geschrieben.

HILDA: Vielleicht ist es auch besser, wenn sie das nicht liest.

DORNER: Was sagst du?

HILDA: Nichts.

HORST: Willst du mitfilmen, wenn sie reinkommt?

TOM: Sowas mache ich nicht ohne Zustimmung.

HORST: Ist nur so eine verrückte Idee: Wir machen ein Interview mit ihr. Oder nur ich. Ich zieh mich schnell um, Maske ist ja noch da und ich interviewe sie als Joseph Roth. Das wäre doch ulkig, was meint ihr? Das könnt ihr bestimmt noch in den Film frickeln.

DORNER: Wir frickeln überhaupt nichts, Horst. Es gibt einen Drehplan, ab Montag mache ich die nächste Folge, also keine weiteren Ideen bitte und keine Vorschläge, verstanden?

HILDA: Gibt es irgendwas, was man sie nicht fragen sollte?

3. Szene

Irmgard Keun kommt herein, sie ist geschminkt, trägt eine leicht verrutschte Perücke, ein etwas verwaschenes Kleid, flache Schuhe und einen Pelzmantel. Jupp hält ihr die Tür auf und ist um sie bemüht, sie läuft mit einer leichten Unsicherheit und lächelt, Sophie holt für sie einen Stuhl aus der Deko.

KEUN: Lieb von Ihnen, vielen Dank. Ich hoffe, ich habe keine Aufnahme gestört?

Keun setzt sich, es kommt Bewegung in die Truppe, die sie einen Moment nur angestarrt hatte. Dorner geht zu ihr und schüttelt ihr die Hand.

DORNER: Herzlich Willkommen, Frau Keun, wir freuen uns sehr, dass Sie es ermöglichen konnten.

HORST: Es ist uns eine Ehre.

KEUN: Danke, sehr freundlich.

DORNER: Das hier ist Tom Bastian, unser Kameramann, und hier haben wir…

HILDA: …Hildegard Gereon…

ELLY: Ich bin Elly Meisner, ich spiele Sie als junge Frau.

KEUN: Das ist unrealistisch, so hübsch war ich nicht. Und Sie, Frau Gereon, sind…

HILDA: …die Vierzigerjahre.

KEUN: Die habe ich schlimmer in Erinnerung.

Unterdrücktes Lachen.

Nur Mut, wenn ich Witze darüber mache, dürfen Sie auch lachen. Und Sie…

HORST: Horst B. Sauer. Ich spiele Joseph Roth. Aber ich bin erst morgen dran, deshalb bin ich nicht in Kostüm und Maske. Ich bin aber sehr daran interessiert, von Ihnen mehr über Roth zu erfahren. Falls Sie darüber sprechen wollen.

KEUN: Da gibt es eigentlich nichts zu erzählen.

DORNER: Und ich bin Lothar Dorner, der Regisseur der Reihe.

Kurze Stille, man sieht Keun erwartungsvoll an.

KEUN: Ja, fein. Vielen Dank, dass ich hier sein darf. Ich hoffe, dass ich durch mein leibhaftiges Erscheinen nicht allzu viele Illusionen und Recherchen ruiniere. Sie haben sich sicher ein Bild von mir gemacht und es gibt gute Gründe, dass dies in der Bibel von höchster Stelle untersagt wurde. Andererseits habe ich nicht vor, Sie lange aufzuhalten: Sie haben zu tun und ich weiß, dass Autoren beim Film immer ein wenig stören, selbst wenn sie das Drehbuch geschrieben haben. Aber vielleicht bin ich in diesem speziellen Fall eher eine Reliquie. Tragen Sie mich einmal in einem gläsernen Sarg ums Studiogelände, und dann setzen Sie mich wieder ins Taxi. Einverstanden?

Lachen.

HILDA: Dumme Frage vielleicht: Hat man Sie darüber informiert, was wir hier genau machen?

DORNER: Vielleicht sollte ich als Regisseur das besser…

KEUN: Wollen Sie mich nicht erst meinem jüngeren Selbst antworten lassen?

DORNER: Verzeihung.

KEUN: Fünf Folgen: Thomas Mann, Hasenclever, Toller, Roth und meine Wenigkeit. Jeweils dreißig Minuten. Keine leichten Gegner. Aber alle tot, das verschafft mir einen gewissen Vorteil, nicht wahr? Lieber eine lebende Frau als vier tote Männer, meinen Sie nicht auch, meine Herren?

Eine leichte Irritation der Gruppe.

Das war ein Scherz. Bitte, betrachten Sie mich im Rahmen dieser Reihe ebenfalls als tot, das bin ich gewohnt.

HORST: Apropos, es gab die Überlegung, ein kleines Interview mit Ihnen zu führen, quasi als Zeitzeugin…

KEUN: Ich interessiere mich nicht für die Vergangenheit, nicht mal für meine eigene. Schön, wenn Sie das tun, unberufen. Ich arbeite an einem neuen Buch, das interessiert mich, das muss gelingen, alte Bücher sind verlassene Kokons, sollen Andere Seide daraus spinnen, für mich ist das vollkommen gleichgültig, und Sie alle sollten froh darüber sein. Würde mir etwas daran liegen, würde ich mich in Ihre Arbeit einmischen, und das kann niemand wollen, nicht wahr?

SOPHIE: Sie schreiben wieder? Das ist großartig.

DORNER: Ach ja… mein Fehler, Verzeihung, das ist Sophie Behringer, unsere Assistentin…

SOPHIE: …ich bin eigentlich studierte Literaturwissenschaftlerin.

KEUN: Macht nichts, wir haben alle unsere Jugendsünden.

TOM: Sie hat in der Planungsphase des Projekts sehr dafür getrommelt, dass Sie in diese Reihe aufgenommen wurden.

KEUN: Ich habe zu danken.

DORNER: Es ist schließlich nicht leicht, in der Exilliteratur eine Frau zu finden, und da war es natürlich ein wichtiger Hinweis, dass Sie als Autorin von Unterhaltungsliteratur vor 33 einen solch immensen Erfolg hatten.

Keun lächelt Dorner an.

SOPHIE: Entschuldigung, Herr Dorner, das stimmt so nicht und das war auch nie mein Argument!

KEUN: Aber wenn er das so sehen will, Liebes, kein Grund, sich aufzuregen.

HORST: Und Sie waren schließlich auch für Roth in Ostende eine große Hilfe.

KEUN: Zuviel der Ehre, vielen Dank. Wird es denn im Film zu sehen sein, wie ich Roth… behilflich bin?

Elly und Hilda müssen laut lachen. Horst ist etwas indigniert.

HORST: Das drehen wir morgen.

Elly und Hilda können sich noch nicht beruhigen.

HORST: Ist irgendwas?

HILDA: Alles gut.

TOM: Wir drehen größtenteils Voice-Over-Szenen.

KEUN: Und wer spricht?

DORNER: Experten.

KEUN: Es ist schön, dass es in Deutschland für alles Experten gibt. Sogar für Unterhaltungsliteratur.

SOPHIE: Ihre Bücher sind…

KEUN: Man muss mich nicht verteidigen. Ich habe nichts gegen Unterhaltung, im Gegenteil.

SOPHIE: Ich lehne nur diesen Begriff ab.

DORNER: Das ist jetzt nicht das Thema.

KEUN: Ich wusste nicht, dass wir ein Thema haben.

DORNER: Ich meinte nicht Sie, Frau Keun.

Keun steht auf und geht zu Elly und prüft den Stoff ihres Kleides.

KEUN: Ist das Musselin?

ELLY: Ich denke schon.

KEUN: Ich hatte mal ein ähnliches Kleid aus Crêpe Georgette, resedagrün, das habe ich mir in Nizza gekauft, 1938.

ELLY: Das soll 1932 sein, da geht es um Ihre ersten Bücher.

KEUN: Duzen wir uns, wir sind schließlich alle Irmgard Keun.

ELLY: Elly.

HILDA: Hilda.

DORNER: Ich glaube, wir müssen langsam wieder an die Arbeit.

SOPHIE: Wollen Sie bleiben? Für die Aufnahme?

KEUN: Wenn der gestrenge Spielvogt das erlaubt?

Keun lächelt Dorner an, der beflissen nickt.

DORNER: Sie sind herzlich eingeladen. Aber erwarten Sie bitte nicht zu viel. Waren Sie denn schon einmal bei Dreharbeiten?

KEUN: Ja, aber das ist ewig her. Da wurde „Gilgi“ verfilmt, mit Ernst Busch und Brigitte Helm, die kennen Sie vielleicht? Aus Metropolis, dem Kinofilm?

DORNER: Ja, kenne ich natürlich.

KEUN: Könnte ich vorher vielleicht etwas zu trinken haben? Mein Hals ist heute etwas kratzig.

SOPHIE: Ein Glas Wasser?

KEUN: Haben sie auch etwas für Erwachsene?

SOPHIE: Ein Glas Sekt?

KEUN: Sehr gern.

4. Szene

Die Vorbereitungen für den nächsten Take beginnen, man stellt ihr einen Sessel zurecht, es wird eingeleuchtet, Sophie kommt mit der Sektflasche, Dorner ruft nach ihr, Hilda übernimmt, öffnet die Flasche, schenkt ein Glas ein, das Keun in einem Zug trinkt, Hilda will die Flasche wieder wegbringen, aber Keun, winkt sie heran, Hilda stellt ihr die Flasche neben den Sessel, dann ist alles drehfertig.

Elly betritt (als junge Irmgard Keun) das Café, sie hat eine elegante Aktentasche dabei. Tom folgt ihr nah mit der Kamera, wie ein Paparazzo, der einen Promi verfolgt. Sie geht zu einem Tisch, setzt sich, legt den Pelz neben sich ab und nimmt einen Füller und ein Notizbuch aus der Aktentasche. Man stellt ihr einen Kaffee auf den Tisch, sie beachtet das kaum, dann öffnet sie das Notizbuch und beginnt zu schreiben, immer wieder unterbrochen von langen Blicken aus dem Fenster, dann hellt sich ihr Gesicht auf, sie hat eine Idee, trinkt hastig einen Schluck Kaffee, schreibt, kaut an ihrem Füller und schreibt weiter.

DORNER: Und Cut! Danke, Elly.

Alle sehen zu Keun, die ihr Glas Sekt trinkt, Elly anlächelt und sich eine Zigarette anzündet. Dann erst scheint sie die Blicke der anderen zu bemerken.

KEUN: Oh, bin ich dran? Sollte ich etwas dazu sagen?

SOPHIE: Sie müssen natürlich nicht.

KEUN: Das war doch sehr schön, meine liebe Elly. Das hast du unfallfrei hingekriegt, das kann man doch so nehmen, Herr Dorner, oder? Oder muss sie das trotzdem mehrmals machen?

ELLY: Ich kann das gerne noch anders… wie war es denn … Gott, das klingt jetzt so blöd, aber…

KEUN: Nein, sehr gut beobachtet, genau so habe ich das gemacht: Ich bin durch die Tür eines Lokals gekommen und habe mir einen Platz gesucht. Das mache ich manchmal heute noch so, falls ich kein Hausverbot habe.

SOPHIE: Elly, du meinst wahrscheinlich die Schreibsituation.

ELLY: Das ist sicher eine zu persönliche Frage.

Keun schenkt sich nach.

KEUN: Also, wenn man die Goldfeile ansetzen will, habe ich natürlich gegrüßt, wenn ich ein Café betreten habe und man geht als Schriftsteller eher nicht in leere Lokale, da kann man niemanden beobachten, und ich fand es immer anregend, unter Menschen zu sein, besonders, wenn ich nicht mit ihnen reden muss. Aber das ist wahrscheinlich eine Budgetfrage.

DORNER: Leider richtig.

KEUN: Hat Thomas Mann ein Statistenbudget?

TOM: Die Szene ist stumm, wegen…

KEUN: Das habe ich schon verstanden.

HORST: Die große Ostende-Szene mit Roth morgen wird Dialog haben, darauf habe ich bestanden.

KEUN: Bravo. Ich habe durchsetzungsfähige Männer immer bewundert.

HORST: Das war mir einfach wichtig.

ELLY: Aber sonst? Soll ich was ändern?

KEUN: Spiel keine Inspiration, Liebes, sieh nicht aus dem Fenster. Inspiration ist was für Dilettanten, Profis setzen sich hin und arbeiten.

DORNER: Das gibt vom Bild wenig her.

KEUN: Dafür sind wir Schriftsteller. Beobachten, Ordnen, Aufschreiben und dann hoffen, dass man etwas bewirkt. Anstatt eine Waffe zu nehmen und Hitler zu töten, solange das noch möglich war. Das wäre ein Bild, nicht wahr? Haben wir leider nicht gemacht, wir haben noch nicht mal am Füller gekaut.

ELLY: Mache ich nicht mehr. Haben Sie noch einen Tipp?

KEUN: Wenn ich das sein soll, musst du rauchen und Champagner trinken bei der Arbeit. Sonst ist das Vicki Baum.

DORNER: Vielen Dank, das war sehr hilfreich. Was wir bis Feierabend noch machen müssen, ist für Außenstehende sicher nicht so interessant. Gegenschüsse, Korrekturen.

TOM: Ich wüsste nicht, wir sind eigentlich mit allem durch.

KEUN: Danke, dass Sie sich die Mühe machen, Notlügen für mich zu erfinden, Herr Dorner, ich bin schon weg. Nur eine Frage noch: Welcher Text wird denn über dieser Szene gesprochen?

Kurze Stille, dann nimmt Hilda ihr Drehbuch und gibt es Keun.

HILDA: Seite zwölf.

SOPHIE: So aus dem Zusammenhang ist das sicher schwer zu beurteilen.

KEUN: Ich bin über die Zusammenhänge dieses Lebens ganz gut informiert.

Keun beginnt zu blättern, ein Techniker kommt zu Dorner und stellt ihm leise eine Frage, Dorner nickt.

Soll der Werkschutz mich nach draußen begleiten?

DORNER: Nein, die Technik will nur gern für die morgige Szene aufbauen.

KEUN: Da haben wir es ja. Hilda, wärst du so lieb? Ich habe meine Lesebrille nicht dabei.

HORST: Ich werde das später einsprechen, lassen Sie mich das lesen.

Horst nimmt das Drehbuch und beginnt mit großer Emphase zu lesen.

Beflügelt durch den völlig überraschenden, überwältigenden Erfolg ihres Erstlingswerks ‚Gilgi, eine von uns‘, mit der aus der jungen, hübschen Schauspielerin über Nacht eine gefeierte Schriftstellerin wurde, machte sich die attraktive Newcomerin unverweilt ans Werk, um mit ihrem zweiten Roman ‚Das kunstseidene Mädchen‘ in kürzester Zeit mühelos an ihren ersten Erfolg anzuknüpfen.“

KEUN: Lange Sätze sind immer ein Zeichen unscharfer Gedanken. Adjektive sind Krücken, wenn man glaubt, dass das Substantiv allein nicht laufen kann. „Überraschend, überwältigend“… das ist neben dem ungeschickten Gleichklang im Anlaut auch dieser Naziüberschwang in der Sprache, alles immer großartig bis zum Anschlag, das ist schmalzig und überspannt. „Jung, hübsch, attraktiv“… Dumme Wiederholungen, ich war nicht niedlich, ich war ehrgeizig. „Mühelos“ war schon mal gar nichts und „beflügelt“ hat mich auch nichts, ich hatte was zu sagen, darum geht es, ich habe beschrieben, was ich gesehen habe, und das war ein soziales Elend, aus dessen Humus die Nazis kamen. Weiter.

HORST: „Im Mittelpunkt ihrer Erzählungen steht jedes Mal der damals neue Typus einer jungen Frau, die ihr Leben beherzt selbst in die Hand nimmt, in dem sie sich um finanzielle Unabhängigkeit bemüht und auch in Liebesdingen ihre eigenen Wege geht, unbekümmert von herrschenden Konventionen.“

KEUN: Streichen Sie das. Konventionelle Phrasen, nichts weiter. Das passt vielleicht auf die „Nesthäkchen“-Bücher. Deren Autorin wurde in Auschwitz vergast, wussten Sie das? Weiter. 

HORST: „Ihre kometenhafte Karriere fand mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ein jähes Ende. Die junge Frau weigerte sich, der Reichsschrifttumskammer beizutreten und ein Bekenntnis im Sinne der neuen Machthaber abzulegen.“

KEUN: Die Gestapo hat mich einbestellt, warum erwähnt man das nicht? Ich wurde gefoltert. Die braunen Bestien krochen den Ku’damm hoch wie die Ameisen und haben alles vernichtet, was ihnen nicht in den Kram passte. Das muss man erzählen! Und die sind heute noch in Amt und Würden, von denen hat keiner für seine Verbrechen bezahlt. Keiner!

Keun trinkt ein Glas Sekt.

HORST: Da kommt noch was. Soll ich?

KEUN: Die deutsche Sprache wird hundert Jahre brauchen, um sich von der Vergewaltigung durch den Nazijargon zu erholen. Bombast und Beamtendeutsch.

HORST: „Daraufhin wurden ihre Bücher verboten, sie selbst mit einem Schreibverbot belegt, festgenommen und verhört. Dann gelang ihr die Flucht nach Belgien.“

KEUN: Dann gelang ihr die Flucht nach Belgien. Der erste schöne und schlichte Satz in diesem Text.

Der Umbau auf Ostende ist fertig, Lichtwechsel, Keun dreht sich um und sieht die Terrasse, auf der Liegestühle und kleine Bistrotische stehen, die Technik leuchtet gerade eine Abendstimmung. Keun steht auf und geht mit unsicheren Schritten auf die Terrasse zu. Sie wirkt auf einmal sehr zerbrechlich, alle beobachten sie, man kann nicht beurteilen, ob sie von Erinnerungen überwältigt wird oder nur die Szenerie prüft.

KEUN: Kann man das nicht heute noch drehen?

DORNER: Die Zeit reicht nicht mehr, das kommt morgen als Erstes dran.

KEUN: Da kann man nichts machen. Jetzt ist also Schluss, ja?

DORNER: Ja, jetzt ist Schluss.

Kurze Stille.

HILDA: Möchten Sie vielleicht noch etwas mit uns trinken gehen? Es gibt um die Ecke ein sehr nette Kneipe.

KEUN: Hier ist schöner. Wir schicken den Pförtner los, wir setzen uns zusammen und klönen noch ein bisschen.

DORNER: Wir müssen in zehn Minuten hier raus, sonst kriegen wir Ärger.

Keun setzt sich einen der Liegestühle, das Arbeitslicht wird eingeschaltet.

KEUN: Was soll denn das? Macht das richtige Licht wieder an!

Die Crew scheint etwas ratlos. Man berät sich flüsternd.

ELLY: Und wenn wir noch eine halbe Stunde mit ihr hier zusammensitzen?

DORNER: Das geht nicht. Warum hast du ihr die Flasche dagelassen.

HILDA: Ich werde hier keine alte Frau erziehen.

TOM: Warum soll sie da nicht sitzen. Wenn es ihr guttut?

DORNER: Ich habe hier die Verantwortung.

TOM: Dann soll Sophie noch einen Moment bei ihr bleiben und bringt sie dann nach Hause. Wäre das was?

SOPHIE: Gern, natürlich.

ELLY: Und wir?

DORNER: Lasst mal lieber, wir fangen früh an und die fängt gerade erst an zu saufen.

HILDA: Wir sind erwachsen. Wir können mit sowas umgehen.

DORNER: Ich will nicht, dass die morgen hier wieder auf der Matte steht, verstanden?

HORST: Ich könnte mit ihr noch ausgehen, schließlich brauche ich Informationen über Roth.

HILDA: Entschuldige, Horst, aber für deine alberne kleine Szene brauchst du nicht zu „recherchieren“.

Horst geht beleidigt.

DORNER: Schluss jetzt, wir gehen und du lotst sie hier raus. Einverstanden?

SOPHIE: Okay.

DORNER: Ich bin langsam froh, dass die anderen vier Dichter schon tot sind.

Dorner geht ein paar Schritte auf Keun zu.

Vielen Dank für Ihren Besuch, das war sehr aufschlussreich, Frau Keun. Wir müssen nun leider gehen, weil wir noch für morgen etwas vorbereiten müssen, aber Sophie bringt Sie gleich nach Hause.

Keun reagiert nicht. Dorner geht zu den anderen zurück.

Scheint eingeschlafen zu sein.

HILDA: Gehen wir.

DORNER: Denk an den Taxibeleg für die Abrechnung.

Die anderen gehen leise.

5. Szene

KEUN: Bringst du mir mein Glas?

Sophie bringt ihr das Glas.

Sind alle weg? Haben sie Angst vor mir bekommen? Da sind sie nicht die Ersten.

SOPHIE: Aber nein, alle waren froh, dass Sie da waren.

KEUN: Du willst freundlich sein, das ist unnötig. Habe ich zu viel auf die Nazis geschimpft? Gut, dann habe ich es eben vermasselt, ist nicht meine Schuld.

Keun trinkt das Glas aus, hält es hin, Sophie schenkt ihr nach.

Du bleibst doch bei mir, Kindchen, nicht wahr? Du lässt mich hier nicht allein versauern, das würdest du doch nicht tun, Liebes, nein?

SOPHIE: Ich bleibe bei Ihnen.

KEUN: Schenk dir auch was ein.

SOPHIE: Ich muss mir ein Glas holen.

KEUN: Beeil dich. Und mach das schöne Licht wieder an, bitte.

Sophie schaltet die letzte Stimmung wieder ein und geht ab. Nun ist die Szenerie wieder in Abendlicht getaucht, man hört Möwenschreie und Meeresbrandung. Sophie kommt zurück, schenkt sich ein und geht zu Keun. Sie stoßen an und trinken.

Ist mir doch egal, was die denken, ich pfeife darauf. Ist nicht wichtig, was die von mir halten, stimmt‘s?

SOPHIE: Sie haben alle Respekt vor Ihnen.

KEUN: Du hast wirklich keine blasse Ahnung, schade.

Stille

Nicht böse sein, ist nicht so gemeint

SOPHIE: Schon okay.

KEUN: Du schämst dich für mich. Du hast mich angeschleppt und jetzt stoße ich alle vor den Kopf. Und wenn schon. Hätten mich nicht einladen müssen. Haben sie eben nichts davon gehabt. Egal. Ich schon. Ostende. Wäre ich sonst wohl nie mehr hingekommen.

Keun steht auf, geht ein paar Schritte Richtung Strand.

KEUN: Roth und ich haben nie auf der Terrasse geschrieben, immer nur im Café, er war nicht der Typ für frische Luft, und keine zehn Pferde hätten ihn an den Strand bekommen. Ich war immer gern schwimmen, mit Toller, er war ein fantastischer Schwimmer, ein Kerl, so wie ich sie mag, zum Verlieben. Drei Jahre später in New York: Ein Wrack, hat sich dann aufgehängt. Der Krieg kommt, alle wussten das. Optimistisch waren wir nicht. Aber wir hatten noch Kraft. Kennst du den Witz über die Juden in der Nazizeit? Die Pessimisten waren in New York, die Optimisten in Auschwitz.

Kurze Stille

Manche sind einfach zu traurig geworden. Das hält man nicht aus. Wenn man schon klarsieht, ist es besser zu hassen. Und wer sehen kann, muss saufen.

Sie hält Sophie ihr Glas hin, die schenkt nach.

Wie bist du denn auf mich gekommen?

SOPHIE: Ich liebe Ihre Bücher. Und ich habe mich gefragt, was es mit einer gefeierten Schriftstellerin macht, wenn sie Schreibverbot hat, die Bücher eingestampft werden, wenn man auf der schwarzen Liste steht, von der Gestapo verfolgt, dann Exil, im Untergrund leben…

KEUN: Man muss damit umgehen. Wenn man keine Lust auf Selbstmord hat, muss man sich eben entschließen, alles Schwere interessant zu finden.

SOPHIE: Was war denn das Schlimmste?

KEUN: Pleite sein. Um Geld betteln habe ich immer gehasst. In Ostende waren wir alle Schnorrer. Exil heißt, Schnorrer werden und von Kunststückchen statt von Kunst zu leben, immer dankbar sein müssen, und wissen, dass man eine Landplage ist. Das bedeutet Emigration. Nichts daran ist heroisch. Die Hilfsbereitschaft gegenüber Emigranten lässt schnell nach, sehr schnell. Trotzdem war Ostende die schönste Zeit.

SOPHIE: Warum?

KEUN: Weil noch kein Krieg war. Weil alle noch am Leben waren. Weil wir zusammen waren.

Kurze Stille. Keun nimmt Sophies Hand, hält sie.

Liebes, warum bist du denn nie bei mir vorbeigekommen, wenn du meine Bücher magst? Ich freue mich, wenn ich Besuch bekomme. Ich bin immer so allein, ich hätte dir vieles erzählen können.

SOPHIE: Ich habe mich nicht getraut.

KEUN: Ach Quatsch. Und duze mich, sei nicht so förmlich. Du besuchst mich, ja? Bald?

SOPHIE: Gern. Ich habe noch so viele Fragen.

KEUN: Frag mich, Kindchen.

SOPHIE: Warum hast du so lange nichts geschrieben?

KEUN: Ich kam nicht dazu.

SOPHIE: Und jetzt?

KEUN: Ich arbeite.

SOPHIE: Und worum geht es in dem neuen Buch?

Keun trinkt ihr Glas aus.

KEUN: Wir haben nichts mehr zu trinken.

SOPHIE: Soll ich dich nach Hause bringen?

KEUN: So was habe ich nicht. Habe ich eigentlich nie gehabt. Braucht man auch nicht, es gibt Hotels, schöne Hotels. Und Ruinen, in die es nicht reinregnet, wenn es mal hart auf hart kommt. Außerdem will ich noch nicht gehen. Sei so lieb und geh für uns zum Büdchen, ja? Diesmal etwas Stärkeres.

SOPHIE: Ich fürchte, der Pförtner wird uns bald rauswerfen.

KEUN: Wenn du Angst vor einem Nachtportier hast, wirst du es nicht weit bringen.

Sophie nickt und geht.

6. Szene

Langsam geht die Abendstimmung in eine Nachtstimmung über. Keun steht auf, atmet tief durch. Plötzlich wird das Arbeitslicht angeschaltet, Keun erschrickt, Jupp steht in der Tür.

KEUN: Herrgott nochmal, können Sie nicht anklopfen? Ich habe mich zu Tode erschreckt.

JUPP: Frau Behringer hat mir gesagt, dass Sie noch da sind. Das geht aber nicht.

KEUN: Hat man Ihnen nicht Bescheid gesagt?

JUPP: Was denn?

KEUN: Wir müssen das Drehbuch umschreiben, sie holt uns was zur Stärkung, dann legen wir los. Auf Dorner ist wirklich kein Verlass, er hat es mir hoch und heilig versprochen.

JUPP: Mir hat keiner was gesagt.

KEUN: Kann ich mir nicht vorstellen, guter Mann. Denken Sie nach.

JUPP: Da muss ich nicht nachdenken.

KEUN: Dann rufen Sie beim Senderchef an, ich habe die Privatnummer. Wir klären das sofort.

JUPP: Warum arbeiten Sie hier im Studio?

KEUN: Das muss doch um sieben fertig sein.

Keun geht zum Telefon neben der Tür. Sophie kommt herein, bleibt aber, von den beiden unbemerkt, in der Tür stehen und hört zu.

So, jetzt rufen wir an. Können Sie wählen? Ich habe meine Brille verlegt.

JUPP: Sie wollen beim Chef anrufen?

KEUN: Ich will das nicht, Sie wollen das.

JUPP: Nein, nein, ich glaube Ihnen das.

Keun geht wieder zurück. Jupp überlegt und wirkt etwas ratlos.

KEUN: Ist noch was?

JUPP: Warum haben Sie denn vorhin nichts gesagt?

KEUN: Da wusste ich das noch nicht. Stellen Sie sich das vor. Hergelockt haben Sie mich, ist das nicht unglaublich? Ich habe mich schon gewundert, warum ich so spät bestellt werde. Aber das lasse ich mir fürstlich bezahlen. Der Chef kriegt schließlich mehr als genug, da muss ich nicht umsonst für ihn arbeiten.

JUPP: Ja, da haben Sie recht.

Jupp steht etwas unschlüssig da.

KEUN: Noch Fragen? Ich war mitten in einem Gedanken.

JUPP: Nein, alles gut.

KEUN: Ich habe schon vorhin gemerkt, dass Sie ein verständiger Mensch sind. Egal, was der Dorner über Sie sagt.

JUPP: Danke. Ich gehe dann wieder nach vorne. Wenn was ist…

KEUN: Können Sie mir Zigaretten dalassen?

JUPP: Wie viele brauchen Sie?

KEUN: Wenn Sie mir die Schachtel dalassen, lasse ich Ihnen morgen eine Stange schicken. Sagen Sie mir noch schnell Ihren Namen.

Jupp hat eine Schachtel Zigaretten aus seinem Jackett geholt und gibt sie Keun.

JUPP: Josef Schmitz.

KEUN: Schmitz. Alter kölscher Bürgeradel.

JUPP: Sagen aber alle Jupp zu mir.

KEUN: Dann sage ich auch Jupp.

JUPP: Gutes Gelingen.

KEUN: Muss ja, unberufen.

Jupp lächelt sie an und geht Richtung Tür, wo er Sophie bemerkt.

JUPP: Ich lasse Sie arbeiten. Wenn was ist, Frau Behringer, Sie wissen, wo Sie mich finden.

KEUN: Und nochmals danke, Jupp.

Jupp salutiert lächelnd und geht. Sophie sieht ihm erstaunt nach.

SOPHIE: Alle Achtung.

KEUN: Jeder Mensch ist fünf Minuten am Tag gut. Oder er will es zumindest sein. Und wenn sie Uniform tragen, wollen sie auch noch wichtig sein. Und wenn sie gut und wichtig sein können, tun sie alles für dich. Man muss sie nur an der richtigen Stelle packen.

SOPHIE: Kann man das lernen?

KEUN: Ich weiß nicht. Die es nicht rechtzeitig gelernt haben, sind alle nicht mehr. Was hast du da?

SOPHIE: Cognac aus dem Büdchen.

KEUN: Zeig her.

Sophie gibt Keun eine Flasche Cognac.

Das ist kein Cognac, sondern Asbach, ein billiges Gesöff.

SOPHIE: Das war das Teuerste, was sie hatten.

KEUN: Wird schon gehen. Und die Zigaretten?

SOPHIE: Entschuldigung, habe ich vergessen.

KEUN: Gut, dass ich Jupp um seine erleichtert habe. Auch wenn es nur Stuyvesant ist.

Keun hat sich eingeschenkt, was ihr sichtbar Mühe bereitet, sie schwankt, trifft nicht das Glas, muss sich kurz festhalten.

So, Kindchen, jetzt musst du mich in Ruhe lassen, es ist spät.

SOPHIE: Ich rufe das Taxi.

KEUN: Ich bleib hier, ich finde allein nach Hause, ich bin ein großes Mädchen. Gute Nacht.

SOPHIE: Ich kann dich hier nicht allein lassen.

KEUN: Das hast nicht du zu entscheiden!

Sophie wirkt offensichtlich überfordert.

SOPHIE: Wenn was passiert, bin ich…

KEUN: Liebes, ich will nur noch ein bisschen aufs Meer schauen. Allein.

SOPHIE: Das ist nur eine Deko.

KEUN: Wenn ich hier sitze, ist da das Meer. Was man glaubt, gibt es.

Sophie nickt, dann holt sie einen Zettel und schreibt etwas auf.

SOPHIE: Das ist meine Telefonnummer, ich wohne ganz in der Nähe. Wenn irgendwas ist, ich komme sofort. Das Telefon ist da an der Wand neben der Tür.

KEUN: Was soll schon sein. Nun geh schon, Liebes, tschö.

Keun setzt sich sehr unsicher in den Liegestuhl, Sophie steht noch einen Moment unschlüssig herum, dann geht sie leise. Lichtwechsel. Eine Lichterkette bunter Lämpchen geht an. Jetzt hört man leise Tanzmusik und das Stimmengemurmel aus vollbesetzen Lokalen.

7. Szene

Von den Seiten kommen schemenhafte Gestalten, die durch den Raum gehen, eine Promenade am Wochenende, spät in der Nacht, weit hinten, auf dem Meer flackern einzelne Lichter, Keun steht auf, will sich nachschenken, scheitert daran. Ein Mann kommt und beobachtet ihre Versuche aus einiger Entfernung, schüttelt missbilligend den Kopf. Es ist Joseph Roth.

ROTH: Irmchen, was machst du denn da? Soll ich dir helfen? Schau genau hin, es gibt da einen Trick. Du darfst ihn aber nicht weitersagen.

Roth nimmt die Flasche und trinkt daraus einen großen Schluck. Keun beginnt schallend zu lachen, während Roth das Gesicht angeekelt verzieht.

Was haben sie dir da denn wieder für einen Fusel angedreht. Von wem hast du das? Hat dir das ein Verehrer geschenkt? Hast du wieder einem Schmock schöne Augen gemacht? Wo warst du überhaupt? Was hast du getrieben? Hast du gearbeitet?

Roth holt aus seiner Jackettasche einen Packen dicht beschriebenes Papier, wedelt ihr damit vor der Nase herum.

Das ist ein gelungener Tag, dreißig Seiten! Und rede dich nicht wieder auf ein Frauenleiden heraus, das akzeptiere ich nicht, du bist keine Frau, du bist ein Soldat, du hast zu schreiben, und jetzt trink was.

Roth schenkt ihr ein, Keun nimmt das Glas und trinkt einen großen Schluck, Roth betrachtet sie zärtlich. Keun setzt ab.

Komm schon, schön austrinken, das ganze Glas. Wenn man sich was schenken lässt wie eine Hure, muss man auch die Konsequenzen tragen. War es der Toller? Wart ihr wieder schwimmen oder wie ihr das nennt, wenn ihr euch verzieht, weil er immer kann und du immer willst. Oder ist da noch einer? Sag es nicht, ich will nicht wissen, wer es ist. Warum hast du nichts geschrieben, du faules Aas!

KEUN: Nun lass mir doch meinen Frieden, Herrgott nochmal!

ROTH: Ich verstehe das, ich könnte auch nicht schreiben, wenn man solche Pferdepisse trinken muss. Ich hab dich lieb, ich hab dich so lieb, ich quäle dich, das weiß ich, verzeih mir, ich weiß nicht, warum ich dich so quälen muss.

Roth steht auf und geht ein paar Schritte zur Seite, er bedeckt sein Gesicht mit den Händen. Keun geht zu ihm und umarmt ihn. Elly kommt als Bedienung Odile und sieht die Flasche Asbach.

ODILE: Sie dürfen keine mitgebrachten Getränke an den Tischen trinken, das wissen Sie doch.

ROTH: Das können Sie mitnehmen, putzen Sie den Abort damit, zu mehr taugt es nicht. Bringen Sie uns eine ordentliche Flasche Champagner.

ODILE: Ich darf Sie nicht mehr anschreiben lassen.

ROTH: Madame hat den perfekten Gönner: einen amerikanischen Arzt. Ihr Verlobter! Wir zahlen bar. In Dollars.

Keun zögert.

ROTH: Nun gib schon, blamier mich nicht. Dein Trottel hat doch was geschickt, oder?

Keun lacht.

KEUN: Rede nicht so über ihn. Er ist ein guter Mensch.

ROTH: Ich habe nichts anderes gesagt.

Keun holt ein paar Scheine aus der Tasche, Roth nimmt alle, gibt Odile einen Schein, sie knickst, nimmt die Asbach-Flasche und will gehen. Roth hält sie auf, nimmt ihr die Flasche ab und trinkt sie aus. Keun sieht ihn an, er wirkt zufrieden.

Ich verzeihe dir, meine Liebe, du wirst morgen das Doppelte arbeiten, du wirst mit mir diese Flasche Champagner trinken und mich heute nicht allein lassen, du wirst mir sagen, dass du dieses jüdische Vieh, das ich bin, aushältst und immer aushalten wirst, solange ich noch auf Gottes Erde wandle, du wirst mich bei dir ruhen lassen in der Zeit, die mir noch bleibt.

Roth setzt sich, Keun sieht ihn an, Odile kommt mit einer Flasche Champagner, einem Tablett voller Gläser und einer Petroleumlampe. Wind kommt auf, Odile schaltet die Lichterkette aus und hängt sie ab.

ODILE: Bevor der Wind alles herunterreißt.

ROTH: Setz dich zu mir, du holdes Weib.

Keun setzt sich zu Roth, der beginnt, wie ein Frosch zu quaken.

8. Szene

Man sieht, wie sich in der Dunkelheit Gestalten nähern, es hat etwas Unheimliches, als ob sich Zombies nähern, dann wieder wie scheue Tiere auf dem Weg zu einem Futterplatz. Roth lockt weiter, dann kommen die Emigranten, manche elegant gekleidet, andere in abgerissenen Kleidern, manche nehmen sich die Decken, die Odile inzwischen über die Stühle gelegt hat, und wickeln sich darin ein. Keun schenkt den Champagner aus, leise Musik läuft im Hintergrund, immer wieder eine stärkere Windböe. Alle sitzen dicht nebeneinander um den Bistrotisch, erleuchtet von der Petroleumlampe, ein Bild der Geborgenheit und Verlorenheit, ein Abendmahl, alle trinken in sehr kleinen Schlucken, dann Geräusche wie ein Summen, ein Stimmengewirr, aus dem man einzelne Gesprächsfetzen heraushört.

EMIGRANTEN: …wir haben jetzt Nachricht aus Paris, es wird einen offenen Brief geben…

…von höchster Ebene, den wir auf dem Schriftstellerkongress präsentieren…

…über die historische Analogie kann man zeigen, dass…

…eine Frage von zwei, drei Jahren…

…weiß jemand ein Pensionszimmer, ich muss raus, habe aber etwas für Ende nächster Woche…

…über Marseille…

…Eleanor Roosevelt unterstützt das Projekt…

…ich habe den Präsidenten 1930 getroffen, über ihn kann man den Völkerbund…

…ich würde meine Schreibmaschine günstig abgeben, ich schreibe sowieso lieber mit Hand…

…in dem Moment, in dem Hitler einen Krieg beginnt, wird das Volk aufstehen, 14/18 haben alle noch in den Knochen, da ist die rote Linie…

…Volksaufstände…

…einen Pass würde ich besser in Brüssel besorgen, in Holland machen sie Schwierigkeiten…

…vergiss Paris…

…zwanzig würden mir fürs erste reichen…

…wer hat eigentlich bezahlt? Irmgard.

Auf Irmgard!

Alle heben die Gläser, prosten Keun zu und trinken einen winzig kleinen Schluck. Odile kommt an den Tisch.

ODILE: Bekommt noch jemand etwas?

ROTH: Wir haben noch.

Odile steht einen Moment unschlüssig da, alle sehen sie an, dann geht sie wieder, das Summen der Stimmen geht weiter. Dabei wird der Wind immer stärker.

EMIGRANTEN: Du schreibst an einem Buch über die Nazizeit?

Wer soll das lesen?

Wir brauchen die große Erzählung, damit die Welt begreift…

…wir müssen aufrütteln, damit die Welt versteht…

…Hitler ist das Produkt einer Demütigung…

…Versailles…

…ein Volk, das wieder stolz sein will…

…das führt zu Krieg…

…eben nicht…

…es ist kompliziert…

ROTH: Es ist das Allereinfachste,

Stille, alle sehen Roth an.

Das ist ja die Teufelei, dass es so einfach ist, nein primitiv, nur die niedersten Instinkte, so einfach, dass es von außen, von „hoher geistiger Warte“ kompliziert aussieht, und das ist immer der Fluch der Klugscheißer und Schreiberlinge gewesen, das Einfachste nicht zu sehen und deshalb nicht zu begreifen, was sie vorhaben. Ich gebe keinen Heller mehr auf unser Leben. Es ist gelungen, die Barbarei regieren zu lassen. Macht euch keine Illusionen. Die Hölle regiert.

Roth trinkt nacheinander alle Gläser aus, in denen noch kleine Reste Champagner waren. Odile kommt währenddessen an den Tisch, sie wirkt nervös.

ODILE: Möchte noch jemand etwas zu essen bestellen? Nein? Wirklich nicht? Wenn nicht, muss ich Sie leider bitten, zu gehen. Der Chef möchte, dass die Terrassenplätze frei bleiben für Gäste, die Essen bestellen.

EMIGRANTEN: Niemand ist da. Es kommt ein Sturm.

ODILE: Ich befolge nur Anweisungen.

EMIGRANTEN: Eine Schale Erdnüsse vielleicht?

ODILE: Von der Speisekarte.

Alle sitzen wie versteinert.

Warten Sie bitte einen Moment.

Odile rennt nach draußen und kommt mit einem Schälchen Erdnüsse zurück.

Die sind umsonst.

Alle stehen auf, nehmen sich ein paar Erdnüsse aus dem Schälchen und gehen langsam ab. Roth und Keun bleiben zurück. Odile beginnt die Stühle und Tische abzuräumen.

ROTH: Da gehen sie alle. Ich werde auch gehen. Viel Zeit bleibt nicht mehr, bald fängt es an zu regnen, und das will ich nicht mehr erleben. Mach du, was du willst, aber schreib weiter, hörst du, Kaninchen? Ich weiß nicht, ob du schreiben kannst, möglicherweise kannst du es. Wer einen amerikanischen Verlobten hat, der jahrelang Geld schickt, damit er Briefe bekommt, kann schreiben. Hast du noch etwas Geld? Gib mir was, ich warte noch auf das Geld von Querido, das ist kein Verlag, sondern ein Haufen Verbrecher, die mich in einer Tour bestehlen…

Roth geht murmelnd ab, am Horizont flackern Lichter auf, Keun versucht zu erkennen, was es ist. Es könnte Wetterleuchten sein. Odile kommt zu ihr und räuspert sich.

ODILE: Bitte denken Sie nicht schlecht von mir, Madame, von mir aus könnten Sie und Ihre Freunde den lieben langen Tag hier sitzen, ich weiß ja, dass Sie alle eine schwere Zeit haben, und ich halte Hitler ebenfalls für einen abscheulichen Menschen. Aber wenn Sie den ganzen Abend bei einem Getränk sitzen, verdienen wir nichts. Der Sommer ist bald vorbei, es war keine gute Saison, die Leute sind vorsichtig geworden und reisen weniger, wir brauchen zahlende Gäste. Für einige Zeit wart ihr willkommen, mein Chef ist quelqu’un bien, aber wenn es über Monate geht… ich weiß, Sie haben nichts, aber wir haben es auch nicht üppig, verstehen Sie, Madame? Ja, das wollte ich Ihnen sagen.

Odile geht ab, plötzlich lässt der Wind nach und aus der Tiefe des Raumes fährt ein Podest mit einer ausgelassenen Partygesellschaft über das Meer. Es ist mit Girlanden in den amerikanischen Farben geschmückt, auf einem Grill werden Steaks gebraten, Swing aus einem Koffergrammofon, manche tanzen, andere unterhalten sich angeregt, Arnold steht an der vorderen Kante und starrt angestrengt in die Dunkelheit, er gibt mit einer großen Taschenlampe Morsesignale. Odile kommt mit einem kleinen Lederkoffer zu Keun und gibt ihn ihr.

ODILE: Ich schlafe manchmal mit einem hohen Regierungsbeamten aus Brüssel. Er ist alt, freundlich und großzügig. Er sagt, dass es bald Krieg gibt, und er kennt sich aus. Bon Voyage und kommen Sie nicht zurück, Madame.

9. Szene

Keun nimmt den Koffer und geht in Richtung der Partygesellschaft, als laufe sie auf einem hohen Seil, alle sehen ihr gespannt zu, auf dem letzten Meter macht sie einen Sprung in Arnolds Arme, die Partygäste applaudieren begeistert.

ARNOLD: Das ist meine Verlobte Irmgard.

PARTYGÄSTE: Wir haben so viel von Ihnen gehört.

Ist es denn so schlimm, wie man in den Zeitungen liest?

ARNOLD: Irmgard musste ins Exil, weil die Nazis ihre Bücher verboten haben.

PARTYGÄSTE: Unglaublich…

…gut, dass man überall schreiben kann, nicht wahr?

…ich kann mir das gar nicht vorstellen, dass man sich einfach so hinsetzt und ein Buch schreibt, hunderte von Seiten…

…ist das belastend, im Exil zu sein?

…oder hilft das beim Schreiben?

…ist diese Krise nicht auch eine Chance?

ARNOLD: Sie war in ganz Europa unterwegs.

PARTYGÄSTE: Das haben Edith und ich auch vor, wenn die Zeiten wieder etwas ruhiger sind.

Daladier und Chamberlain werden verhandeln, das sind gewiefte Diplomaten, die werden mit diesem Herrn Hitler schon fertig.

Natürlich wird man Zugeständnisse machen müssen, aber das ist der Frieden wert, nicht wahr?

Ich war 1930 in Berlin, eine verrückte Stadt, wir haben das sehr genossen. Und es war so billig, dort zu leben.

Das Elend war natürlich schlimm, aber dennoch diese Lebensfreude, großartig!

Man hat Keun einen Mint Julep gebracht, sie will die Minze aus dem Glas fischen, man lacht gutmütig.

PARTYGÄSTE: Das ist ein Mint Julep, wir lieben das. Kennen Sie das nicht? Man lässt die Minze im Glas.

Keun trinkt das Glas in einem Zug aus, man applaudiert. Arnold flüstert mit Keun.

ARNOLD: Kannst du versuchen, nicht ganz so viel zu trinken? Das sind alles Arbeitskollegen aus der Klinik.

PARTYGÄSTE: Wollen Sie uns nicht ein wenig aus Ihrem Exil erzählen?

Hier in Montgomery ist nie etwas los, da freut man sich über jede Abwechslung.

Wahrscheinlich müssen Sie erst einmal zur Ruhe kommen nach dieser furchtbaren Zeit, nicht wahr?

Was war denn das Schlimmste für Sie?

ARNOLD: Darf ich Ihnen meine Verlobte vorher einen Moment entführen?

Arnold geht mit Keun ein Stück beiseite.

Ich weiß, das sind für dich sicher keine interessanten Menschen, aber sie sind herzensgut, und wenn wir hier zusammenleben wollen, dürfen wir uns nicht abkapseln. „When in Rome, do like the Romans do“. Das schaffen wir doch gemeinsam. Ich bin so froh, dass du endlich da bist, und es tut mir leid, dass ich dir nicht mehr Geld schicken konnte, ich bekomme momentan nur 100 Dollar die Woche, aber es wird mehr werden, 50 kann ich dir auf jeden Fall jede Woche geben, die Miete und alles andere übernehme ich, man kann von zehn Dollar die Woche gut leben. Wenn man nicht raucht und trinkt, ist das Leben billig. Das sollte keine Anspielung sein, fühl dich frei, wir müssen nur ein wenig darauf achten, die herrschenden Gepflogenheiten einzuhalten, wir sind Gäste hier, auch wenn du sagst, dass ich fast schon wie ein Amerikaner wirke. Ich hoffe einfach, dass das ein Kompliment ist, ich meine nur, wir müssen dankbar sein. Man hat mich so herzlich aufgenommen. Die Leute mögen dich, das spüre ich, und wenn wir erst verheiratet sind…

Keun hebt ihr Glas, alle drehen sich zu ihr um und sehen sie entgeistert an.

PARTYGÄSTE: Noch einen? Wirklich noch einen?

ARNOLD: Zur Feier des Tages, das ist nur zur Feier des Tages.

Arnold fängt aus lauter Verlegenheit an zu tanzen, man bringt Keun einen Mint Julep, sie zupft die Minze aus dem Glas, wirft sie in einer großen Geste weg und trinkt das Glas aus, hebt dann wieder das leere Glas.

PARTYGÄSTE: Noch einen?

Wirklich noch einen?

Arnold steigert sich in einen schweißtreibenden Swing, man bringt Keun ein drittes Glas, derselbe Vorgang.

ARNOLD: Sie ist Künstlerin. In Europa sind alle Künstler so.

PARTYGÄSTE: Ach so ach so ach so!!!!

Großes Aufatmen der Partygesellschaft, alle beginnen zu tanzen, eine Frau kommt zu Keun, die regungslos dasteht.

Wir haben das hier auch. Hemingway. Auch Frauen: Dorothy Parker… wir stehen da der europäischen Tradition in nichts nach.

Wir normalen Menschen trinken auf Partys vielleicht nicht ganz so viel, dafür tanzen wir dann später gern noch ein bisschen. Wie ist das in Europa?

ARNOLD: Tanzen wir, Irmgard? Ich glaube alle wollen, dass du auch ein wenig tanzt.

Keun wirft das Glas weg und brüllt.

KEUN: Ich würde mich lieber in einem deutschen Konzentrationslager totprügeln lassen, als mein Dasein dankbar und demütig an deiner Seite zu Ende zu leben!!!!!!!

Alle erstarren.

ARNOLD: Das meine ich: ganz typisch für eine europäische Künstlerin.

PARTYGÄSTE: Hochinteressant.

Keun nimmt ihren Koffer und verlässt das Podest, das mit der tanzenden Partygesellschaft langsam davonsegelt.

10. Szene

Keun geht nach vorne, der Sturm wird mit jedem Schritt stärker, an einem Bistrotisch sitzt zusammengesunken ein riesiges Wesen. Keun stutzt, stellt den Koffer ab.

KEUN: Joseph?

Das Wesen reagiert nicht, Keun geht langsam auf das Wesen zu, umarmt ihn von hinten, küsst ihn, ein lautes Seufzen, das Wesen ist eine Kröte mit den Gesichtszügen und dem Anzug von Joseph Roth, er sinkt mit einem klagenden, langgezogenen, fast tierischen Laut vom Stuhl. Keun weicht entsetzt zurück.

Du warst der traurigste Mensch, den ich je gesehen habe. Was hat sich meine Haut nach dir gesehnt, Joseph, du altes, galizisches Ekel, du…

In den Sturmwind mischen sich Motorengeräusche, der Lärm von Panzerketten. Keun sieht sich entsetzt um, von dem Podest ist nichts mehr zu sehen.

KEUN: Arnold? Arnold!!!

Lucy und Arthur Strauss zerren ein großes, rotgepolstertes Gründerzeitsofa auf die Bühne, dann setzen sie sich schweratmend und schweißüberströmt.

LUCY: Ja, ja, ja, jetzt rufen Sie nach Ihm, Fräulein Irmgard, aber als Sie drüben waren, war Ihnen nichts recht.

ARTHUR: Das hat er so nicht geschrieben, Lucylein.

LUCY: Aber das kann man zwischen den Zeilen lesen. Ich kenne meinen Sohn.

KEUN: Sie müssen hier weg, der Krieg fängt an.

LUCY: Wollen Sie unseren Sohn heiraten, ja oder nein? Das muss ein für alle Mal geklärt werden.

ARTHUR: Er finanziert Sie schließlich seit Jahren.

KEUN: Die werden in Holland einmarschieren, Sie sind Juden, Sie müssen raus!!!

ARTHUR: Hitler hat doch was er wollte. Ein satter Löwe jagt nicht.

Keun wird immer aufgeregter, schreit die Beiden an.

KEUN: Hauen Sie ab von hier, sofort!!!!!

Die Beiden sprechen seelenruhig auf dem Sofa weiter, während der Lärm anschwillt, das Geräusch marschierender Regimenter, es wird immer dunkler, Keun beginnt unkontrolliert zu zittern, es könnten auch Entzugserscheinungen sein, Lichtwechsel, kreisende Flakscheinwerfer, immer wieder ein dumpfer Knall, als ob schwere nasse Wäschebündel auf den Boden klatschen, im kreisenden Licht sieht man Arthur und Lucy Strauss mit aufgerissenen Augen tot auf dem Sofa, der Lärm wird immer lauter, es wird dunkel, dann Stille, man hört Keun am Telefon.

KEUN: Sophie, du musst kommen, Herzchen, du musst sofort kommen, ja?

11. Szene

Das Arbeitslicht geht an, Jupp steht in der Tür und sieht Keun erstaunt an. Sie versucht sich zu orientieren, auf der Bühne ist alles so, wie es zu Beginn des Aktes war.

JUPP: Warum haben Sie denn das Licht ausgemacht?

KEUN: Ich muss an den Schalter gekommen sein, als ich telefoniert habe.

JUPP: Der ist neben dem Telefon, da muss man aufpassen.

KEUN: Das will ich damit sagen.

Jupp steht unschlüssig herum.

JUPP: Haben Sie geschrien? Es klang so.

KEUN: Kann sein, ich war eingeschlafen.

Jupp nickt bedächtig.

JUPP: Kenne ich.

KEUN: Was?

JUPP: Solche Träume

Stille

JUPP: Rauchen wir eine?

KEUN: Rauchen wir eine.

JUPP: Hätten Sie…

KEUN: Ach so, natürlich.

Keun klopft zwei Zigaretten aus der Packung, gibt ihm eine, er gibt ihr Feuer. Sie rauchen, Stille.

JUPP: Hören Sie das?

KEUN: Ich höre nichts.

JUPP: Eben. Deshalb mache ich den Job so gern. Weil es so schön still ist. Nur dunkel darf es nicht sein. Das kann ich nicht. Aber so wie jetzt, diese Stille, herrlich.

KEUN: Was haben Sie denn gegen Dunkelheit?

JUPP: Ich lass das Licht in den Hallen immer an, sonst kriege ich Panik. Ich hab es probiert, aber dann kriege ich keine Luft mehr, da fang ich an zu hecheln wie ein alter Köter, ganz schlimm, ist so ein Kindheitsding.

Sie rauchen.

Ich bin in der Altstadt aufgewachsen, hinter dem Heumarkt, bei Angriffen immer mit dem Koffer in den Keller.

KEUN: Ich weiß. Ich war auch in Köln.

JUPP: War schlimm.

KEUN: War richtig.

JUPP: Wie. Richtig.

KEUN: Die Bomben waren richtig.

JUPP: Ja, das war richtig schlimm. Wir hatten einen Volltreffer, das ganze Haus auf uns drauf, sechs Stunden haben die gegraben, bis die uns rausgeholt haben.

Jupp schlägt auf sein linkes Bein.

Das hat es mich gekostet. Meine Mutter hat ein Balken erschlagen, ich bin dann mit meiner Schwester aufs Land zu Verwandten gekommen. Gundi hat das irgendwie weggepackt, die ist robust, aber ich? Nichts zu machen. Ich hab auch in meinem Schlafzimmer so ein kleines Lämpchen, das man direkt in die Steckdose macht, damit immer Licht ist. Darf nicht dunkel sein.

Sie rauchen.

Das behalten Sie aber bitte für sich. Da verlasse ich mich auf Sie, Frau…

KEUN: Keun.

JUPP: Für mich war das Terror. Im Rheinland war doch keiner für Hitler, der hat sich nicht mal getraut, im offenen Wagen durch die Stadt zu fahren, alle haben den gehasst, alle. Das konnte man nicht offen sagen, aber wenn einem die Leute vertraut haben. Aber das muss ich Ihnen nicht erzählen, das wissen Sie sicher. Es sind ihm genug Leute nachgelaufen, aber hier im Rheinland? Klar, ein paar Bekloppte gibt es immer, aber die hat keiner ernst genommen.

Sophie kommt herein, sie bleibt in der Tür stehen, um nicht zu stören, hört zu.

Und das wussten die Amis auch, und dass hier alle auf sie gewartet haben, damit dieser Scheißkrieg endlich vorbei ist, und die haben uns trotzdem bombardiert und das ist für mich Terror, dass man hier eine schutzlose Zivilbevölkerung massakriert, ihnen die schönen Städte kaputtschmeißt, bloß weil die in Berlin irre geworden sind. Ich verstehe das nicht. Und ganz ehrlich, und ich weiß, dass die Juden viel durchgemacht haben und das war alles ein großes Verbrechen, aber da haben bei den Bomberkommandos bestimmt auch Emigranten mitgeredet, die sich dafür rächen wollten, die also einen Hass hatten und dachten, die bezahlen jetzt alle die Rechnung, die fackeln wir ab, und das ist für mich auch ein Kriegsverbrechen…

SOPHIE: Herr Schmitz?

Jupp zuckt zusammen und dreht sich um.

JUPP: Das macht man aber nicht, sich hier anschleichen wie…

SOPHIE: Sie gehen jetzt bitte.

JUPP: Ich rauche hier meine Pausenzigarette und dann...

SOPHIE: Sie gehen sofort und lassen Frau Keun in Ruhe, verstanden?

JUPP: Frau Keun kann…

SOPHIE: Frau Keun muss sich Ihr Nazigerede nicht anhören. Ich auch nicht. Raus!

Jupp steht auf.

JUPP: Das hat ein Nachspiel, das sage ich Ihnen!

SOPHIE: Sehr gern, ich freue mich drauf.

Jupp geht, Sophie geht zu Keun.

Das tut mir leid. Gut, dass du mich angerufen hast.

KEUN: Solche bin ich gewohnt, über sowas rege ich mich nicht auf.

SOPHIE: Ist denn sonst noch etwas passiert?

KEUN: Ich wollte nicht allein sein.

SOPHIE: Es klang aber dringend.

KEUN: Das sollte es auch, sonst wärst du sicher nicht gekommen.

Sophie sieht sie an, überlegt.

SOPHIE: Okay… das ist… immerhin konnte ich dir den Nazi vom Hals schaffen.

Keun legt sich in einen Liegestuhl.

SOPHIE: Willst du bei mir übernachten?

KEUN: Geht schon. Bleibst du da?

SOPHIE: Willst du das?

KEUN: Das wäre lieb von dir.

SOPHIE: Gern.

KEUN: Machst du das Licht aus?

Sophie geht zur Seitenwand und löscht das Licht. Black.

- PAUSE - 

12. Szene

Am nächsten Morgen. Keun schläft in ihrem Liegestuhl, etwas entfernt von ihr diskutieren Dorner, Tom und Sophie, die eine Brötchentüte bei sich hat. Die Stimmung ist gereizt, man versucht, leise zu sprechen, wird aber immer lauter im Verlauf des Streits.

SOPHIE: Und was hätte ich Ihrer Meinung nach machen sollen? Sie rausschmeißen? Vom Pförtner rausbringen lassen?

DORNER: Es wäre auf jeden Fall besser gewesen, nicht spätabends loszuziehen und ihr am Büdchen eine Flasche Schnaps zu besorgen. Die Frau ist alkoholkrank, ist das so schwer zu begreifen?

SOPHIE: Es war in der Situation richtig, es geht hier um ihr Leben.

TOM: Hätte es nicht auch eine Flasche Sekt getan?

SOPHIE: Nein!

DORNER: Wir müssen heute um vier draußen sein, sonst schafft die Technik nicht den Aufbau für morgen. Und jetzt haben wir die den ganzen Tag an den Hacken.

TOM: Das ist nicht gesagt.

DORNER: Die Frau genießt die Aufmerksamkeit, das spürt man doch.

SOPHIE: Nicht ganz so laut.

DORNER: Jede Wette: Die wird hier den ganzen Tag hocken, sich volllaufen lassen und uns reinquatschen.

SOPHIE: Ich kann nicht glauben, dass Sie über die Frau reden, deren Leben Sie gerade verfilmen.

DORNER: Werde doch nicht pathetisch, wir machen hier Einspieler für eine Vorabend-Doku, das wird nicht der Grimme-Preis mit Eichenlaub und Schwertern. Für den Sender ist das nur die Kulturquote, da muss man realistisch sein.

SOPHIE: Als ich hier eingestiegen bin, klang das noch ganz anders.

DORNER: Du bist nicht mehr an der Uni, sondern beim Fernsehen. Das ist das richtige Leben. Da werden Budgets eben mal gekürzt, ist leider so, muss man sich drauf einstellen.

TOM: Aber du hast sicher heldenhaft gekämpft.

DORNER: Du hast gut reden, Tom, Kamera wird immer gesucht, da kann man das Maul aufreißen. Ich hab Familie, ich muss Geld verdienen. Hätte ich dem Budget nicht zugestimmt, wäre das Projekt geplatzt, so einfach ist das.

TOM: Der König der gekürzten Budgets.

DORNER: Ich will, dass es diese Serie gibt. Weil sie wichtig ist.

TOM: Und darum muss die Frau, um die es geht, hier raus? Nur ein toter Künstler ist ein guter Künstler, oder was?

DORNER: Hör doch auf, diese Frau hat mit der Autorin, um die es hier geht, doch überhaupt nichts mehr zu tun. Wir reden hier über Bücher, die vor einem halben Jahrhundert geschrieben wurden.

SOPHIE: Sie schreibt wieder.

DORNER: Reine Wunschvorstellung.

TOM: Wie sie gestern den Voice-Over-Schmarrn korrigiert hat, war doch groß.

Keun wacht auf, von den anderen unbemerkt, und macht sich auf die Suche nach der Asbach-Flasche, dann nach dem Glas.

DORNER: Eine Frage des Pegels, jeder Trinker hat einen Pegel, bei dem er noch funktioniert. Aber diese Frau nicht, das ist doch Kitsch, die ist ausgebrannt.

SOPHIE: Vielleicht trinkt sie wegen Leuten wie Ihnen.

DORNER: Als die angefangen hat zu saufen, war noch nicht mal Hitler an der Macht.

SOPHIE: Und was erklärt das?

DORNER: Ich diskutiere nicht mehr, wir müssen anfangen. Bis vier haben wir alles im Kasten. Ich habe die Pläne nicht gemacht, ich bin nur dazu da, sie auszuführen.

KEUN: Jawoll, Herr Hauptmann.

Alle drehen sich erschrocken zu Keun um, die ein Sektglas mit Asbach auf ex trinkt.

KEUN: Guten Morgen. Ich habe gut geschlafen, danke der Nachfrage.

DORNER: Wie meinen Sie das: Herr Hauptmann?

KEUN: Trinkerhumor. Ich meine nichts. Meinungen waren nie meine Sache. Da wo eine Meinung ist, sollte eine Haltung sein, meinen Sie nicht?

TOM: Haben Sie das ganze Gespräch gehört?

KEUN: Aber das tut man doch nicht, oder?

DORNER: Glauben Sie mir, wir versuchen, diesen Film so gut wie möglich zu machen.

KEUN: Ihr Film ist mir vollkommen egal. Ich werde gleich gehen, man sollte sich nicht mit seiner Vergangenheit beschäftigen, das macht die Gespenster nervös, dann werden sie schnell zornig. Ich gehe, sobald mein Kreislauf stabil genug für eine Taxifahrt ist.

DORNER: Wir wollen Sie nicht vertreiben.

KEUN: Ich sollte Ihnen nicht mehr zuhören, ich verstehe Sie immer falsch. Oder Sie formulieren falsch.

Elly kommt im Kostüm der Bedienung aus dem 2. Aktt, Keun sieht sie erstaunt an.

ELLY: Ist irgendwas? Ist das falsch? Das ist für die Ostende Szene, man sieht mich nur von hinten, ich stelle nur die Getränke hin, keiner wird mich erkennen.

KEUN: Nicht erkannt werden, das ist wichtig, ja.

Alle sehen Keun an, keiner weiß mit der Situation umzugehen.

Danke, Odile, dass du mir damals gesagt hast, dass ich gehen soll, danke für alles, ich weiß, es war nicht deine Schuld, du hast immer für uns gesorgt, hast uns immer respektvoll behandelt, es war dein Chef, nicht du. Ich hatte nie die Chance, mich zu bedanken. Danke. Merci beaucoup.

Kurze Stille

ELLY: Gerne.

Stille

SOPHIE: Ich habe dir belegte Brötchen vom Büdchen geholt, möchtest du frühstücken?

KEUN: Später vielleicht.

DORNER: Wie… später.

13. Szene

Horst kommt als Joseph Roth, er sieht dem historischen Roth ähnlich, hat sich einen etwas schleppenden Gang zulegt, ein leichtes Zittern der Hände, er geht auf Keun zu, die ihn regungslos anstarrt, er fährt ihr kurz über die Schulter, setzt sich auf einen der Kaffeehausstühle und nickt melancholisch.

HORST: Ich will dir meine Heimat zeigen. Ich bin nach Galizien eingeladen und ich will, dass du mich begleitest. Ja, ich habe Heimweh, ich war seit vierzehn Jahren nicht mehr dort. In Lemberg will ich Verwandte besuchen, aber wir gehen ins Hotel, keine Angst. Juden haben so schrecklich kleine Schnapsgläser, wie Fingerhüte, das ist nichts für uns. Dass Juden Heimweh haben können… sie sind ja leicht gerührt, aber vor Heimweh? Ich will dort gesunden, auf heimatlichem Boden. Hier fasst mich alles mit Teufelsklauen an, die halbe Haut ist abgeschunden und die Nerven liegen bloß. Wir müssen reisen. Kraft schöpfen. Hart werden an der Härte der Zeit heißt, sie bejahen, sie verstärken. Nicht kämpferisch werden, nicht unerbittlich, weil die Unerbittlichen durch ihre Brutalität triumphieren – sie lieber widerlegen durch das Anderssein, sich höhnen lassen für seine Schwäche, statt seine Natur zu verleugnen.

Keun sieht ihn entgeistert an, Horst setzt sich, keiner wagt sich zu rühren. Dann beginnt Keun leise zu sprechen.

KEUN: Das soll Joseph Roth sein?

HORST: Alles Originalzitate.

KEUN: Ein melancholischer Jude, der Heimweh nach Galizien hat? So jemanden wollen Sie mir an den Tisch setzen?

HORST: Sie sind mit ihm gereist. Der Text kommt am Schluss der Szene.

KEUN: Sie geben hier einen Stürmerjuden, einen mit dem Kopf wackelnden Märchenjuden zum Bemitleiden und als Balsam für die deutsche Seele. Ekelhaft. Plötzlich waren nicht nur alle im Widerstand, sondern auch alle Juden: Tausche arischen Vater gegen jüdische Großmutter. Überall Gesinnungsjuden, die ihre Kinder in den Kibbuz schicken und damit den SS Opa aus dem Stammbaum radieren, teutonische Opferparasiten. Täter oder Mitwisser gibt’s nicht mehr, hat es nie gegeben. Und aus Roth machen Sie Tewje den Milchmann. Roth war Monarchist, der wollte einen Ständestaat mit Habsburgern und allem Klimbim, der hat die Ostjuden mindestens genauso gehasst wie geliebt. Er hat behauptet, er sei als katholischer Schriftsteller ins Exil getrieben worden, nicht als jüdischer. Der Mann war ein Genie, aber er war nicht weise!! Krankhaft eifersüchtig, besitzergreifend, der wollte über Menschen herrschen. Er ist der bedeutendste Mensch, den ich je getroffen habe, und ich habe drei Kreuze gemacht, nachdem ich ihn verlassen hatte.

HORST: Das ist interessant.

KEUN: Ist es nicht! Ich habe es satt, über Roth zu sprechen. Über Ostende, wo die Emigranten auf der Terrasse bei einem Glas Wein seufzend aufs Meer schauen, während nur die armen Deutschen gelitten haben – so wurden wir nach 45 behandelt, Exil hieß zwölf Jahre Urlaub, und dann den besiegten Deutschen unter die Nase reiben, dass sie Scheiße gebaut haben, wie konnten wir es nur wagen. Dabei habe ich die beschissenen vier letzten Kriegsjahre hier mitgemacht, bei jeder Bombe habe ich gejubelt. Alles kaputtschmeißen! Herrgott nochmal!!!

Stille, Keun trinkt.

ELLY: War das, was ich gestern gespielt habe, auch falsch?

KEUN: Man kann nicht viel falsch machen, wenn man ein Café betritt und sich hinsetzt

SOPHIE: Was sollen wir denn stattdessen zeigen?

KEUN: Ich weiß es nicht, aber so wird das alles verzwergt und verniedlicht, so passt ein Menschheitsverbrechen ins Regal, handlich verpackt, ausgelöschte Leben, ausgelöschte Lebensläufe in kleinen hübschen Kästchen.

SOPHIE: Mach einen Vorschlag.

DORNER: Nein, diese Diskussion sollten wir…

KEUN: Vielleicht sollte ich diesen ganzen Mist hier verbieten lassen.

DORNER: Gut, reden wir darüber.

Alle sehen Keun erwartungsvoll an, sie wirkt auf einmal zufrieden.

KEUN: Ich habe 1940 in Amsterdam einen SS-Mann zersetzt, weil ich einen falschen Pass brauchte. Überzeugter Nazi, der hat mir den Pass besorgt und mich sogar zum Zug nach Köln gebracht. Das hätte schiefgehen können, ich wäre im KZ gelandet, aber ich habe diesen Dreckspass bekommen.

ELLY: Sollen wir das improvisieren?

KEUN: (zu Horst) Wär das nicht was für Sie? Ein SS-Mann, vielleicht liegt Ihnen das mehr als Roth.

Horst will gehen.

HORST: Ich muss mir das nicht gefallen lassen.

DORNER: Horst, wir müssen heute durchkommen.

KEUN: Genau darum geht es: Durchkommen! Egal wie.

DORNER: Drehen Sie mir nicht ständig das Wort im Mund herum.

TOM: Die Zeit haben wir, oder? Probieren wir es aus.

HILDA: Ich mache sowas nicht.

ELLY: Darf ich?

HILDA: Tu, was du nicht lassen kannst.

ELLY: Horst, das ist doch eine einmalige Chance, oder?

HORST: Wenn es hilft, diesen Film zu beenden.

Elly zieht ihre Schürze aus.

Also, versuch, deinen Pass zu bekommen.

14. Szene

Elly konzentriert sich, während Horst sich einen Stuhl holt, sein Jackett auszieht und sich den Schnurrbart abzieht.

HORST: Was wollen Sie?

ELLY: Ich brauche einen Pass.

HORST: Den bekommen Sie im Reich.

ELLY: Dort wohne ich aber seit einigen Jahren nicht mehr.

HORST: Jüdin also.

ELLY: Nein, deutsch. Arisch.

HORST: Wenn Sie trotzdem im Ausland leben, lehnen Sie das dritte Reich ab, gell? Einen anderen Grund sehe ich nicht, hier, statt in unserem schönen Heimatland zu leben. Name?

ELLY: Ich möchte Ihnen zuerst erklären, warum ich…

HORST: Hörst du schwer? Ich habe dich nach deinem Namen gefragt!

ELLY: Und ich frage Sie, ob Sie Manns genug sind, einer hilflosen, schutzlosen Frau zu helfen.

HORST: Willst du frech werden? Du sagst mir auf der Stelle deinen Namen, sonst behalten wir dich da. Glaub mir, Fräulein, wir haben Methoden, deine Namen aus dir heraus zu bekommen.

ELLY: Ich weiß, ich dachte nur…

HORST: Du dachtest, du marschierst hier rein, machst mir schöne Augen und wickelst mich um den Finger, gell? Da kennst du die deutschen Beamten aber schlecht! Mach das mit deinen jüdischen Freunden, du Schlampe, bei mir bist du an den Falschen geraten. Kommt hier rein und will einen Pass, einen falschen Pass, so hast du dir das gedacht, gell? Damit du weiter gegen das Reich hetzen kannst und ich mache mit, gell? Was hätte ich denn bekommen. Geld? Hättest du die Beine breit gemacht? So einer roten Hure ist alles zuzutrauen. Da hast du noch die versuchte Beamtenbestechung mit auf dem Kerbholz, das werden wir dir alles austreiben, du Dreckstück!!!!

Horst hat sich in einen cholerischen Anfall gesteigert.

ELLY: Horst, du musst mir irgendeine Chance geben. So können wir die Szene nicht spielen.

HORST: Dann musst du mir irgendwas anbieten! Da kommt rein gar nichts von dir!

TOM: Horst, ist gut, okay? Schluss jetzt!

HORST: Was?... ja… tut mir leid… okay.

Horst geht auf und ab, um sich zu beruhigen, Keun hält ihm die Flasche Asbach hin, er nimmt einen großen Schluck, gibt ihr die Flasche zurück und läuft weiter.

SOPHIE: Du warst dabei, oder?

HORST: Mein Spieß. Der hat jetzt ein Möbelhaus in Mettmann. So war er. So waren die doch alle.

KEUN: Wo warst du?

HORST: Kradschütze. Einsatzgruppe Balkan.

KEUN: Und was hast du da gemacht?

HORST: Banditenjagd. Aber darüber rede ich nicht.

ELLY: Was haben Sie ihm damals gesagt, Frau Keun?

KEUN: Weiß ich nicht mehr.

HILDA: Du weißt noch, welches Kleid du dir vor dem Krieg in Nizza gekauft hast und erinnerst dich nicht mehr an ein Gespräch, das dein Leben gerettet hat?

KEUN: Man erinnert sich nur an die angenehmen Dinge.

HILDA: Das stimmt nicht. Wie bist du an diesen Pass gekommen?

KEUN: Ich bin aus Holland und hatte bis Kriegsende einen Pass. Also habe ich es geschafft.

HILDA: Aber wie!

KEUN: Für sowas hat man als Schauspielerin doch Fantasie.

Kurze Stille

ELLY: Also ich würde mit einem Mann schlafen, wenn es mein Leben retten würde. Wenn es sonst keinen Weg gibt…

KEUN: Man sollte als Schauspielerin an die Macht des Wortes glauben.

HILDA: Daraus könnte man dir keinen Vorwurf machen.

SOPHIE: Was willst du ihr denn unterstellen Hilda, das ist total frauenfeindlich!

HILDA: Sophie, du bist ein bürgerliches Mädchen ohne jede Lebenserfahrung. Hör auf, dir deine Heldinnen schön zu saufen, du hast keine Ahnung, was es heißt, in Lebensgefahr zu sein!

SOPHIE: Aber du, ja?

HILDA: Ja! Ich komme aus Breslau, ich bin 44 mit meiner Mutter kurz vor Schluss noch da raus!

SOPHIE: Entschuldigung, Hilda.

KEUN: Man muss ein Auftreten haben.

HILDA: Du musst uns helfen. So geht das nicht. Alles ist unklar oder vergessen. Dann können wir auch alles spielen, was dieses drittklassige Drehbuch vorsieht. Dann gibt es eben keine Wahrheit, dann nehmen wir die Geschichten, die uns passen und bringen das heute hinter uns.

TOM: Was willst du denn?

Keun trinkt aus der Flasche.

HILDA: Kannst du mal fünf Minuten aufhören zu saufen?

KEUN: Das geht dich nichts an!

HILDA: Doch, ich spiele dich, ich will Boden unter die Füße bekommen!!

KEUN: Dann sag mir Bescheid, wenn du sicher stehst!!

Kurze Stille

DORNER: Ich bin vollkommen draußen. Worum geht es denn? Drehen oder nicht?

HILDA: Entweder wir drehen diesen Quatsch, oder das, was Irmgard will. Aber dann muss sie sagen, was sie will.

KEUN: Wo ist denn bei euch meine gute Zeit? Vor den Nazis, als ich berühmt war, bevor die mir alles kaputtgemacht haben, das muss man zeigen, ich will nicht, dass die Leute Mitleid haben, ich will, dass man weiß, wer ich war. Ich war kein Opfer, das ist langweilig, da kann ich mich gleich mit allen Deutschen in eine Ecke setzen, das sind alles Opfer, grässlich.

DORNER: Gut, was erzählen wir.

SOPHIE: Vielleicht über das erste Buch, wie alles anfing?

KEUN: Da gibt es nicht viel zu erzählen, das war einfach. Ich hatte das Buch fertig und bin nach Berlin gefahren, aber da habe ich erstmal gefeiert, mit Döblin und den anderen…

HORST: Sie kannten vor dem ersten Buch schon Döblin?

KEUN: Aber ja, den kannte ich aus Köln, den habe ich bei einer Lesung kennengelernt, der sagte, wenn ich mal schreibe, werde ich die beste Schriftstellerin Deutschlands, ja, und mit ihm und den anderen bin ich dann ins Romanische Café, das war alles heiter und aufmunternd…

DORNER:…und der Verlag?

SOPHIE: Lassen Sie sie doch erzählen.

KEUN: Das war keine große Sache, da habe ich im Telefonbuch geschaut, welcher Verlag in der Nähe ist, damit ich nicht so weit fahren muss und das war der Universitas in der Tauentzien, nur ein paar Schritte entfernt und da bin ich hin und habe dem Krüger, dem Verleger, gesagt, hier ist ein sehr gutes Buch, das können Sie haben, aber nur unter der Bedingung, dass ich bis übermorgen Bescheid weiß. Der sagte: Wissen Sie überhaupt, mit wem Sie es zu tun haben? Da sagte ich: Mit einem Verleger, dazu bin ich ja da. Ich ging und es dauerte nicht bis zum übernächsten Tag, sondern bis zum nächsten Vormittag. Da hatte ich aber die Nacht durchgebummelt und war noch sehr müde. Und da wurde ein Zettel durchgeschoben unter meiner Tür und da stand drauf: Bitte sofort kommen und Vertrag machen. Das fand ich so selbstverständlich, dass ich erstmal weiterschlief. Später ging ich hin und bekam den Vertrag.

Stille

SOPHIE: Warum hat dir Döblin nicht einen Verlag empfohlen?

Hilda lacht.

HILDA: Gott, bist du naiv, Sophie. Glaubst du das?

KEUN: So war es aber.

HILDA: Sowas brauchst du doch nicht. Das macht dich klein.

KEUN: Kennst du mein Leben besser als ich?

ELLY: Vielleicht hast du das falsch in Erinnerung gehabt, das passiert schon mal, wenn man…

KEUN: …jahrelang in der Klapsmühle ist?

ELLY: Das wollte ich nicht sagen.

KEUN: Da war ich aber.

HILDA: Die Geschichte stimmt doch vorne und hinten nicht!

KEUN: Na gut, dann war es eben anders.

DORNER: Hilda, sei gefälligst höflicher zu Frau Keun, sie ist unser Gast. Ist das klar?

KEUN: Sie sind nur ein feiges Rindvieh, diese Frau hat wenigstens Eier, als einzige hier. Prost, Hildegard.

Keun trinkt. Stille. Dorner atmet tief durch, er will etwas sagen, beherrscht sich dann aber.

DORNER: Okay… wir machen eine halbe Stunde Pause. Ich muss ein paar Telefonate führen. Möchtest du vielleicht mit Frau Keun frühstücken gehen? Sophie? Hilda?

Hilda geht zu Keun, nimmt ihr die Flasche ab, schenkt sich ein und prostet Keun zu.

HILDA: Lasst uns alte Weiber mal allein.

Dorner, Tom, Elly und Horst gehen.

SOPHIE: Soll ich mit euch…

HILDA: Bist du etwa alt?

Sophie geht. Lichtwechsel.

15. Szene

Hilda holt sich einen Stuhl und setzt sich neben Keun.

HILDA: Ich sage dir, wie es ist: Ich brauche diesen Job. Dorner ist dritte Reihe als Regisseur, das Drehbuch ist Meterware, aber ich muss sichtbar sein. Deshalb muss das gedreht und gesendet werden. Damit ich allen möglichen Arschlöchern an den Schalthebeln schreiben kann: Da und da bin ich zu sehen. Ich hatte zwei Jahre keinen einzigen Drehtag, nur Funk und Synchron, Brot und Butter eben. Ich hab mal groß angefangen, Kino, sogar eine kleine Sache in Cinecittà. Aber irgendwann galt ich als schwierig, und dann steht man auf der schwarzen Liste. Zickenalarm. Und weil ich dann ein Kind hatte, mehrmals was abgesagt habe, oder weil ich manchmal meine Meinung sage. Man kann sich als Alleinerziehende auch nicht so reinhängen, wie man sollte, Kontakte knüpfen, präsent bleiben. Jetzt ist der Kleine groß und ich bin alt. Eine alte Frau ist noch problematischer als eine schwierige Frau. Dorner ist fast der Einzige, der mich noch holt. Ich weiß, dass ich gut bin. Klingt großkotzig, ist aber so. Das bedeutet nicht, dass man frei von Zweifeln ist. Aber man muss doch wissen, was man kann, oder?

KEUN: Ja. Ich kenne das.

HILDA: Aber man muss auch können dürfen. Man steht nicht morgens auf, um in einem muffigen Aufnahmestudio zu behaupten, dass in Asbach Uralt der Geist des Weines sei. Dafür hat man sein Talent nicht.

KEUN: Ich kenne das.

HILDA: Deshalb erzähle ich es. Seit drei Monaten weiß ich, dass ich dich spiele und habe mich vorbereitet. Viel gibt es nicht über dich und deine Romane muss man lange suchen. Warum ist das so? Warum kostet ein handgeschriebener Brief von Joseph Roth Tausende und dich bekommt man für das Taxigeld?

KEUN: Warum bist du nicht in Hollywood?

HILDA: Weil ich schwierig bin, weil man mich in eine Schublade gesteckt hat, weil ich im Krieg auf der Flucht Furchtbares gesehen habe, weil ich dumme Menschen nicht ertrage und dumme Menschen mich nicht ertragen. Weil ich eine Frau mit Humor bin, weil ich zu gut bin, und weil ich all diese Selbstlügen jederzeit aus dem Stand herbeten kann, um die schlichte Erkenntnis zu vermeiden, dass ich es einfach nicht geschafft habe.

Keun sieht Hilda an, steht auf und umarmt sie. Sie wirkt gerührt und begeistert.

KEUN: Ich kenne das alles und ich werde ein Drehbuch über mein Leben schreiben, dazu haben mir schon viele geraten. Kino, nicht dieser Flimmerkisten-Kleinkram - große Leinwand. Und du wirst mich spielen, du verstehst mich, du bist perfekt.

HILDA: Auf der großen Leinwand hätte ich diese Rolle nie bekommen. Da hätten sie eine genommen, die besser im Geschäft ist, ein Name, der zieht.

KEUN: Ich werde den Vertrag nur unterzeichnen, wenn drinsteht, dass du die Rolle spielst. Und dafür werden wir diese Szenen hier umschreiben, damit die Leute sehen, was du kannst. Das wird hier alles neu gemacht, wir fangen von Punkt Null an, was hältst du davon?

Hinten ist eine Crew von Technikern aufgetreten, die einen Umbau vorbereiten, sie geben Kommandos, hantieren mit Werkzeug, Hilda war schon während der letzten Sätze von Keun davon abgelenkt. Jemand schaltet ein Radio ein, es läuft völlig übersteuert „Heidewitzka, Herr Kapitän“.

HILDA: Was soll denn das?

CREW: Keun ist doch erledigt, oder?

HILDA: Nein, wir fangen gleich von vorne an.

CREW2: Wird hier hinten noch gespielt werden?

HILDA: Was ist denn das für eine Frage?

CREW3: Morgen fängt doch diese Familienserie an. Dafür muss eine Schrankwand hier rein, dafür brauchen wir vier Mann, zwei haben gleich Feierabend, den Rest schaffen wir später zu zweit.

HILDA: Nein!

CREW: Danke, das ist uns echt eine Hilfe.

Die Crew zieht eine riesige Schrankwand herein, ein überdimensioniertes Monstrum Gelsenkirchener Barock mit Nussbaumfurnier, Hausbar und Nippes.

KEUN: Könnt ihr wenigstens das Radio leiser machen?

Das Radio wird ausgeschaltet, jetzt singt die Crew leise weiter.

Worüber haben wir gerade gesprochen?

HILDA: Das weißt du nicht mehr?

KEUN: Wir hatten doch gerade eine gute Idee, oder?

HILDA: Du hast erzählt, dass du nicht mehr schreibst, weil du die Zeit nicht mehr verstehst und als schwierig giltst.

KEUN: Das war aber nicht so. Nein, das habe ich so nie gesagt.

HILDA: Dann hast du wieder gelogen. Dann war es eben das Saufen.

KEUN: Wir haben nicht über mich gesprochen…

HILDA: Moment.

Die Crew hat ein schweres Sofa mit geblümten Polstern hereingetragen. Hilda geht zu ihnen.

HILDA: Hier muss frei bleiben, wir müssen noch den Krieg drehen.

CREW3: Könnt ihr das nicht vorne machen?

HILDA: Wir brauchen für den Krieg die ganze Fläche.

CREW: Hier muss aber das Wohnzimmer hin.

KEUN: Hier sollte fünfzig Jahre gar nichts hin, damit alle mal über den Krieg nachdenken! Man muss die Ruinen stehen lassen. Das hilft gegen Ausreden und Schönrednerei!

Keiner beachtet Keun. Hilda spricht weiter mit dem Techniker.

HILDA: In zehn Minuten ist die Regie wieder da. Könnt ihr so lange noch warten?

CREW2: Na gut, aber in zehn Minuten geht der Aufbau los.

Die Crew geht, Hilda kommt zu Keun zurück.

HILDA: Entschuldige. Du hast noch zehn Minuten. Schaffst du das?

KEUN: Was? Das Buch? Nein.

HILDA: Wieso denn nicht?

KEUN: Weil ich ein Kind habe, alleinerziehend bin...

Die Crew brüllt Mama…Mama…Mama!!!

…ich muss mich um Mama und Papa kümmern.

Die Crew brüllt Liebchen…Liebchen…Liebchen…!!!!

HILDA: Das ist doch kein Grund, nicht zu schreiben.

KEUN: Doch, ist es, der Lärm, die Nazis überall, wie braune Ameisen, sie kriechen überall rum, ich kann mich nicht konzentrieren.

HILDA: Ich lasse dich arbeiten.

Hilda geht.

16. Szene

Keun steht einen Moment irritiert da, dann sieht sie sich nach einem Tisch um, am Rand steht ein großer Holztisch, sie geht zu ihm, Lichtwechsel, plötzlich ist nur noch die Mitte der Bühne von einem Spot beleuchtet, Keun versucht, den Tisch in den Spot zu schieben, es gelingt ihr nicht. Sie sieht sich suchend um.

KEUN: Kann mir bitte jemand helfen?!

Ein dicker Mann, Tralow, kommt zu ihr, scheucht sie etwas beiseite.

TRALOW: Ich mache das schon, Irmchen. Wohin?

KEUN: Ins Licht.

Tralow legt sein Jackett ab, faltet es zusammen und sucht eine saubere Stelle, um es abzulegen, dann krempelt er sorgfältig die Ärmel hoch, er zelebriert die Vorbereitungen des Helfers.

TRALOW: Ich helfe gern, ich habe dir immer gern geholfen, aber ich verlange von dir, dass du mich nicht ständig einen Nazi nennst, ich bin Präsident des PEN der Deutschen Demokratischen Republik, das spricht ja wohl für sich. Außerdem hast du damals auch die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer beantragt, wir haben alle versucht, irgendwie durchzukommen.

KEUN: Ich hatte Schreibverbot!

TRALOW: Ich kenne deine Geschichte, ich war mit dir verheiratet. Und deshalb verbitte ich mir, dass du dich in Texten über mich lustig machst, das schadet meinem Ruf, ich habe Vorbildfunktion. Wir in der DDR blicken nach vorn. Welcher Stuhl?

KEUN: Such mir den bequemsten aus, der nicht wackelt, Hanni.

Tralow geht zu einem Stapel schäbiger Stühle, untersucht sie sorgfältig, findet einen halbwegs funktionstüchtigen, zieht ihn hervor, putzt ihn säuberlich mit seinem Taschentuch ab und stellt ihn neben den Tisch.

TRALOW: Davon abgesehen bist du besessen von der Nazizeit. Das kann doch nicht gesund sein auf Dauer.

KEUN: Entschuldige, aber du warst ein Nazi, du hast meine Briefe an Behörden weitergeleitet.

TRALOW: Das hat dir nicht geschadet, da warst du schon im Ausland. Ich musste mit diesen Bestien auskommen. Man wollte mich wegen dir aus der Kammer ausschließen, ich war massiv gefährdet.

KEUN: Wir wurden geschieden, weil es mit deiner Würde als Deutscher nicht vereinbar war, mit einer Frau verheiratet zu sein, die das Dritte Reich herabwürdigt, Schnaps trinkt und mit Juden verkehrt.

TRALOW: Das war eben damals so der Tenor der Scheidungsurkunden. Ich habe das Urteil übrigens nie gelesen. Weil ich den Faschismus bekämpft habe.

KEUN: Aber du warst ein Nazi, sei doch nicht kindisch. Wir sind unter uns.

TRALOW: Bei dir klingt das wie ein Vorwurf, das stört mich. Außerdem wolltest du die Scheidung auch. Steht er gut so? Oder noch etwas nach vorn?

Keun setzt sich.

KEUN: Perfekt. Ich muss jetzt anfangen, ich habe bald Abgabe.

TRALOW: Kein Kuss für Papilein?

Keun küsst ihn flüchtig auf die Stirn.

Ich kann dir eine Kur in einem Literaturhaus an der Ostsee besorgen, einmal ausspannen, ich könnte am Wochenende kommen…

KEUN: Verschwinde, ich muss arbeiten.

Tralow geht, Keun sucht in ihrer Handtasche nach einem Heft und einem Stift, sie findet nichts.

KEUN: Hannes, warte! Ich habe kein Schreibzeug, kannst du bitte… Verdammt… wo habe ich bloß…

Hermann Kesten kommt, nickt ihr freundlich zu und legt ihr ein schwarzes Heft auf den Tisch.

KEUN: Herr Kesten, wie kann ich Ihnen bloß danken.

KESTEN: Keine Ursache. Bleistift? Füller? Was bevorzugen Sie?

KEUN: Was Sie entbehren können.

Kesten legt einen Füller neben das Heft.

KESTEN: Ist denn die Geldspende des PEN angekommen?

KEUN: Vielen Dank, damit bin ich erst einmal über die Runden gekommen, jetzt hoffe ich, dass ich bald einen neuen Vertrag bekomme. Wenn Sie bis dahin vielleicht...?

KESTEN: Beim PEN muss ich zuerst einen neuen Antrag stellen, aber ich kann Ihnen gern privat aushelfen.

Kesten holt sein Portemonnaie heraus und entnimmt ihm ein paar Geldscheine.

KEUN: Ich werde Ihnen das natürlich alles erstatten, sobald ich den Vertrag habe, ich kann vielleicht sogar einen Sammelband mit kleineren Texten vorab veröffentlichen.

KESTEN: Machen Sie sich über die Rückzahlung keine Gedanken, Frau Keun. Ich weiß von vielen zurückgekehrten Kollegen, dass sie Schwierigkeiten haben. Wir sind zurückgekehrt, aber nicht angekommen, die Stühle, auf denen wir gesessen haben, sind besetzt, von unserem Teller isst ein anderer, und es sind nicht unsere Stimmen, die gehört werden. Man versteht uns nicht oder will uns nicht verstehen, jetzt sprechen die Jungen: Die Offiziersanwärter und Flakhelfer. Sie sind begabt. Gut. Geläutert. Oder haben verdrängt: Gruppe 47, dieser Hans Werner Richter, der wie andere vergessen hat, was er im 3. Reich getan oder unterlassen hat. Schnee von gestern. Der Vatermord ist auch unter Literaten üblich, sogar nötig. Wir haben nur das Pech, dass man uns schon einmal umgebracht hat. Schreiben Sie, um Himmels Willen, schreiben Sie, Frau Keun.

KEUN: Ich würde am liebsten emigrieren.

KESTEN: Sind wir nicht immer noch in der Emigration?

KEUN: Ich muss mich nun leider an die Arbeit machen, Herr Kesten.

KESTEN: Gehen Sie uns bitte nicht verloren, Frau Keun.

Kesten sieht sie freundlich und bedauernd an, dann beginnt er zu singen „It’s all over now, Baby blue…“ und geht ab, sein Gesang wird von einem mächtigen Geräuschcluster übertönt, Keun hält sich die Ohren zu, versucht zu schreiben, es gelingt ihr nicht.

Eine Frau mit B 52-Frisur in einem Petticoat und Bolerojäckchen tritt auf, sie geht zur Hausbar, als sie die Klappe öffnet, kommt daraus gleißendes Licht, die Frau schenkt einen Vermouth ein, nimmt eine Frauenzeitschrift aus dem Regal und kommt zu Keun, die den Vermouth in einem Zug austrinkt, jetzt endet der Lärm.

FRAU: Ich liebe Ihre Kolumnen, Sie sind so witzig, ich lese das oft meinen Freundinnen vor, Sie können so lustig formulieren, Frau Keun, das ist manchmal richtig böse, aber das mag ich, das muss auch mal sein, denn alles ist ja nicht immer gut, oder? Vieles ist gut und alles wird besser, aber so ein bisschen frech sein… ich mag das. Machen Sie weiter.

Keun allein im Spot, sie schlägt das Heft auf, streicht über die Seite, schreibt ein Datum in die rechte obere Ecke, prüft den Füller, überlegt, greift nach dem Glas, das leer ist, stellt es wieder hin, steckt sich eine Zigarette an, löscht sie wieder und geht nach hinten, um an die Hausbar zu kommen, die Frau hat aber die Leiter mitgenommen, Keun versucht die Klappe zu erreichen, gibt auf und geht wieder nach vorne, setzt sich. Jetzt schleichen hinten ein paar Menschen herein, sie setzen sich auf das Sofa, flüstern, man hört Kichern, Keun dreht sich um, alle erstarren, kaum sieht Keun wieder auf das leere Blatt, geht das Tuscheln weiter, jemand kommt dazu mit einem Käseigel, es wird geklatscht, ein Picknickkorb wird geöffnet, man verteilt Gläser, schenkt Bier aus, das Tuscheln wird lauter, Gelächter, Keun stöhnt hörbar auf, dreht sich genervt um.

PARTYGÄSTE: Entschuldigung, tut uns wirklich leid, Entschuldigung…

Keun dreht sich wieder um, starrt auf das Blatt, dann wühlt sie in ihrer Tasche und findet da Tabletten, sie nimmt zwei davon, inzwischen hat hinten jemand auf einem kleinen, transportablen Plattenspieler eine Single aufgelegt, ‚Der Tag als der Regen kam‘ von Dalida, manche beginnen mitzusingen.

KEUN: Herrgott nochmal, ich arbeite hier!

Die Musik wird leiser gestellt, alle flüstern jetzt miteinander, alle sind bestens gelaunt, kichern über irgendwas, man trinkt, manche tanzen, dann wird wieder mitgesungen, Luftschlangen geblasen, Wunderkerzen angezündet, sie singen immer lauter mit.

KEUN: Geht das etwas leiser? Ja?!

PARTYGÄSTE: Noch leiser?

KEUN: Ja, noch leiser.

Die Party scheint sich zu besprechen, es scheint ersten Widerstand zu geben.

PARTYGÄSTE: Dann brauchen wir gar nicht mehr zu feiern, dann können wir es gleich lassen.

KEUN: Ja, dann lasst es eben, ich muss in zehn Minuten ein Buch abgeben. Ich muss mich konzentrieren.

PARTYGÄSTE: Ja, Entschuldigung, tut uns leid.

Keun versucht wieder zu arbeiten, hinten präsentiert eines der Mädchen ein Kleid und wird von den anderen dafür bewundert, man applaudiert. Jetzt rastet Keun völlig aus, tritt den Tisch um, schreit laut, hinten flüchtet die Partygesellschaft in Panik, Keuns Wutanfall geht in einen völligen Nervenzusammenbruch über, sie sackt in der Mitte der Bühne zusammen, das Sofa verschwindet, nun ist alles in ein gleichmäßig helles Licht getaucht, hinten treten die anderen als Ärztekolloquium auf und betrachten sie interessiert, bis Keun ruhig liegt, dann verständigt man sich durch Blicke und bildet einen Halbkreis um sie, jemand geht los, um den Stuhl zu holen und stellt ihn neben sie.

17. Szene

ARZT1: Können Sie aufstehen? Sollen wir Ihnen einen Stuhl holen lassen?

Keun schüttelt den Kopf.

Bleiben Sie ruhig liegen, Frau Keun. Stehen Sie auf, wann immer Sie sich dazu in der Lage sehen.

ARZT2: Wir haben hier die Ergebnisse der Untersuchung, und das deckt sich mit unseren Vermutungen bei Ihrer Einlieferung: Chronische Arzneimittel-intoxikation.

ARZT3: Und da kommt dann noch der schwere Alkoholismus obendrauf. Das ist bei erwachsenen Männern schon bedenklich, aber bei einer Frau…

Arzt2 bringt den Kollegen mit einer kleinen Handbewegung zum Schweigen.

ARZT2: Auf jeden Fall lassen die Werte nur einen Schluss zu: Man muss das behandeln, und zwar so schnell wie möglich. Wir haben es hier mit einem Gesamtbild zu tun, das sich durch eine ambulante Therapie nur schwer verbessern lässt und empfehlen deshalb eine stationäre Behandlung.

Kurze Stille. Keun reagiert nicht.

ARZT1: Sehen Sie es als eine Chance, sich mal so richtig zu erholen, zu sich zu kommen, auszuruhen und Ihre Probleme in den Griff zu bekommen.

KEUN: Ich habe keine Probleme.

ARZT3: Fräulein Keun, wir haben Sie in einem, sagen wir mal, verwahrlosten Zustand hier aufgenommen und das ist ein klares Zeichen dafür, dass hier Probleme bearbeitet und gelöst werden müssen.

KEUN: Sowas muss ich mir nicht von einem Nazi sagen lassen.

Arzt3 will etwas erwidern, wird aber von Arzt1 zum Schweigen gebracht.

ARZT1: Auf jeden Fall sind Sie erschöpft und diese Erschöpfung steht in einem ursächlichen Zusammenhang mit Ihrem Medikamentenmissbrauch.

ARZT2: Wir wollen keine Analyse vorwegnehmen, keine voreiligen Schlüsse ziehen, auf jeden Fall raten wir dringend…

ARZT3: …dringendst!

ARZT2: …zu einem Klinikaufenthalt.

Kurze Stille

KEUN: Wo soll ich auch sonst hin.

ARZT3: Das ist ein Ja, oder?

ARZT2: Würde ich auch als Ja werten.

ARZT1: Natürlich ist das ein Ja.

ARZT2: Wir reden da erstmal über zwei Wochen.

ARZT1: Auf jeden Fall, wobei mir zwei Monate Minimum realistischer erscheinen, wenn man nachhaltige Ergebnisse erzielen will.

ARZT3: Allein um das Saufen abzustellen. Zwei Jahre, drunter lohnt es sich gar nicht anzufangen.

ARZT2: Also, wenn ich zusammenfassen darf, so sollten Sie mit einer Aufenthaltsdauer von sechs Jahren rechnen. Da sind wir alle auf der sicheren Seite, was Ihre Genesung betrifft.

ARZT1: Richten Sie sich ein, Frau Keun, kommen Sie an und dann schauen wir, wie wir mit der Arbeit beginnen.

ARZT3: Ach ja, und nur, weil Sie diese Vokabel bei Ihrer Einweisung gebraucht haben: Das hier ist keine „Klapsmühle“, sondern die psychiatrische Abteilung der Rheinischen Landesklinik Bonn. Ein wenig Feingefühl für die Wirkung der Worte sollte man als gewesene Schriftstellerin schon haben.

Die Kollegen bringen ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen, die Truppe geht. Eine Pflegerin kommt und stellt Keun den Koffer (aus der Ostende-Szene) hin, sie öffnet ihn und wühlt in den Sachen, die darin sind. Nun kommt eine Gruppe von Patient*innen auf die Bühne, sie haben Stühle dabei, stellen sie in einem Kreis auf, einer bietet Keun einen Stuhl an, sie nimmt ihn dankend an, setzt sich etwas abseits der Gruppe, stellt den Koffer neben sich und sieht sich um, korrigiert die Position des Koffers… Aktionen eines Menschen, der wartet.

Die Patientengruppe hat sich in den Stuhlkreis gesetzt, nun beginnt in völliger Stille eine Gruppentherapie, Begrüßung der Therapeutin, die länger spricht, alle hören zu, dann sehen alle weg, offensichtlich wird jemand gesucht, der beginnen soll, verlegene Blicke, Unter-sich-Sehen… die Therapeutin wendet sich an Keun.

THERAPEUTIN: Wollen Sie mitmachen?

KEUN: Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber nein, vielen Dank, ich möchte lieber nicht.

In der Therapiegruppe hat sich jemand gemeldet, die Gruppe applaudiert still, dann beginnt die Patientin zu erzählen, verschiedene Ausdrucksformen des mehr oder minder konzentrierten Zuhörens, dann steigert sich die Emotionalität der Erzählenden, sie beginnt zu weinen, wird von einem der Nebensitzer getröstet, die Therapeutin sagt etwas, was bei einigen zu Widerspruch führt, andere stimmen ihm zu, jemand geht zu der Weinenden, um sie zu trösten, andere beginnen ebenfalls zu weinen, eine rege Diskussion beginnt.

Keun ist aufgestanden, betrachtet den Stuhlkreis wie eine Installation in einer Ausstellung, entspannte Betrachtung, leicht zerstreut, dann geht sie nach hinten zur Schrankwand. Sie entdeckt in der Seitenbühne die Leiter, holt sie und steigt bis zur Hausbar, aus der sie eine Flasche Wein holt, sie schenkt sich ein Glas ein, trinkt es in aller Ruhe.

In der Therapiegruppe hat sich die Situation inzwischen entspannt, man macht mit der Patientin eine Vertrauensübung, sie lacht, als sie von der Gruppe aufgefangen wird, nun sind alle wieder in besserer Laune, man macht eine Pause. Die Therapeutin geht zu Keun.

THERAPEUTIN: Wir können gern auch Einzelsitzungen vereinbaren, Frau Keun.

KEUN: Ich möchte Ihre wertvolle Zeit nicht verschwenden, so viele Leute hier brauchen Ihre Hilfe.

THERAPEUTIN: Sie nicht?

KEUN: Ich denke, ich komme zurecht. Danke.

THERAPEUTIN: Wenn Sie etwas brauchen…

KEUN: Hätten Sie eine Zigarette für mich?

THERAPEUTIN: Ich rauche nicht.

KEUN: Früher hätte jemand wie Sie geraucht. Können Sie mir vielleicht etwas Geld leihen? Zwanzig Mark?

THERAPEUTIN: Ich habe meinen Geldbeutel im Spind und ich fürchte, ich habe nur Klingelgeld dabei.

KEUN: Können Sie mir wenigstens sagen, wie spät es ist?

THERAPEUTIN: 1967. Sie sind nun ein Jahr bei uns.

KEUN: Wie die Zeit vergeht.

THERAPEUTIN: Ich muss leider wieder zu meinen Patienten.

Die Therapeutin geht wieder zu ihrer Gruppe, die wieder Platz genommen hat, Keun stellt das Glas zurück in die Luke, klettert von der Leiter und geht an der Gruppe vorbei, in der gerade ein lebhaftes Gespräch im Gange ist.

KEUN: Entschuldigung, ich war in Gedanken. Was hatten Sie gesagt?

THERAPEUTIN: 1968

KEUN: Ich danke Ihnen.

Die Therapeutin beendet die Gruppensitzung, alle nehmen ihre Stühle und gehen ab, wobei jeder beim Abgehen einen scheuen oder neugierigen Blick auf Keun wirft, die das mit einem unverbindlichen Lächeln quittiert. Arzt1 kommt zu Keun.

ARZT1: Wie geht es Ihnen, Frau Keun?

KEUN: Bestens, ich habe viel zu tun, aber ich komme gut voran.

ARZT1: Es steht Ihnen frei, bei Ihren Spaziergängen in die Stadt in einem Lokal einzukehren, um sich zu erfrischen, aber offen gesagt denke ich…

KEUN: Sie denken… ich hatte schon immer große Sympathien für denkende Männer. Oder für Menschen, für die Privatsphäre kein leerer Begriff ist.

Sie sehen sich einen Moment an, dann lächelt der Arzt.

ARZT1: Sie haben Recht. Ich will Sie nur ermutigen, Ihre Zeit hier auch dafür zu nutzen, über Ihr Leben nachzudenken.

KEUN: Ich blicke nicht zurück. Habe ich nie getan.

ARZT1: Aber man muss nach vorne blicken und dafür benötigt man ein Wissen um die Vergangenheit.

KEUN: Können Sie das den ganzen Nazis sagen, die überall noch in Amt und Würden sind? Haben Sie denn gefragt, was Ihre Kollegen bis Kriegsende so getrieben haben? Haben die alle einen Blick zurückgeworfen? Ich glaube nicht.

ARZT1: Wollen Sie sich nicht lieber zuerst um Ihre eigenen Belange kümmern?

Keun lächelt ihn an.

KEUN: Sie meinen es gut, das ehrt Sie. Aber Sie dürfen mich nicht mit Ihren Patienten verwechseln.

ARZT1: Sagen Sie mir, wenn Sie Hilfe benötigen. Und Sie können stolz auf ihr Leben sein.

KEUN: Danke.

ARZT1: Und auf Ihre Bücher.

KEUN: Können Sie mir vielleicht eines mitbringen? Falls Ihnen zufällig eines in die Hände fällt? Ich besitze keines meiner Bücher mehr.

ARZT1: Natürlich. Gern.

Arzt1 geht.

KEUN: Entschuldigung, wie spät ist es?

ARZT1: 1970

KEUN: Ich werde über mein Leben nachdenken. Ich denke, nächstes Jahr.

18. Szene

Eine junge Frau kommt herein, die wie eine Mischung aus Engel und Filmdiva der Dreißiger wirkt, sie steht rauchend vor einem Standmikrofon und beginnt „Eine blaue Stunde“ (Greta Keller) zu singen.

KEUN: Sag jetzt nicht, dass du ein Glanz sein willst, dieser Satz verfolgt mich, das ist der einzige Satz aus meinen Büchern, den alle kennen. Je öfter man ihn hört, desto trivialer wird er. ‚Ich will ein Glanz sein‘. Will ich nicht. Nicht mehr.

DIE JUNGE FRAU: Keine Sorge, ich war immer ein Glanz, also reden wir nicht mehr darüber.

KEUN: Dann ist ja gut, danke. Wie spät ist es?

DIE JUNGE FRAU: Wir haben 1971.

KEUN: Wie lang soll das denn noch gehen? Ich habe mindestens vier Leben gelebt. Ich bin sehr müde.

DIE JUNGE FRAU: Es kommt noch eins.

KEUN: Was?

DIE JUNGE FRAU: Noch ein fünftes Leben.

KEUN: Dafür habe ich keine Kraft mehr.

DIE JUNGE FRAU: Du musst nichts tun. Keine Sorge. Und wenn irgendwas zu erledigen ist, dann rufst du mich an und ich kläre das für dich, einverstanden?

KEUN: Ich habe aber irgendwas zugesagt, ich weiß nicht mehr was, und da waren irgendwelche Filmleute, die wollten was. Oder ich hatte Krach mit denen? Ich habe es vergessen. Kannst du das für mich klären, Liebelein? Ich habe schlecht geschlafen und ich will nicht, dass es Krach gibt oder dass es wieder heißt, ich sei unzuverlässig oder chaotisch.

DIE JUNGE FRAU: Pst, Irmchen, alles gut, nicht ärgern, das schaffen wir alles, gar kein Problem. Wo war das denn? Da vorne? Hast du da mit einer älteren Frau gesprochen?

KEUN: Ja. Aber die war etwas jünger als ich. Wir haben was getrunken und dann bin ich eingeschlafen. Oder sie ist gegangen. Liebelein, du musst dich um mich kümmern, deine alte Mutter wird langsam ein bisschen Balla Balla.

DIE JUNGE FRAU: Das sind wir doch alle ein bisschen, oder?

Die junge Frau nimmt Keun am Arm, bringt sie behutsam zu der Stelle, wo Keun mit Hilda gesessen hat.

KEUN: Wo ist denn meine Tochter? Die war doch gerade noch da?

DIE JUNGE FRAU: Die kommt schon wieder, keine Angst, die ist doch immer für dich da.

Die junge Frau nimmt den Koffer, streicht der verstörten Keun besänftigend über die Haare.

DIE JUNGE FRAU: Kann doch gar nichts Schlimmes passieren mit dir, ist doch alles gut, Irmchen, du bist in Sicherheit. Und wenn du was brauchst, dann sagst du es mir einfach, dann kümmere ich mich darum, ja?

KEUN: Kannst du mir einen Schluck zu trinken besorgen? Ich habe so einen kratzigen Hals.

Sie sind vorne angekommen, die junge Frau holt ihr den Stuhl, gibt ihr die Flasche Asbach und ein Glas, Keun trinkt, dann atmet sie erleichtert aus.

Du bist ein Schatz. Und jetzt sag mir, was für ein Leben da noch kommt. Und wann soll das losgehen? Ich will hier nicht raus.

DIE JUNGE FRAU: Aber wir haben 1972, du bist schon draußen.

KEUN: Und wo bin ich jetzt?

DIE JUNGE FRAU: Ich stelle den Koffer weg und dann erkläre ich dir alles, ja? Ich komme gleich wieder, bleib einfach hier sitzen. Versprichst du mir das? Ja?

KEUN: Und was mache ich so lange?

DIE JUNGE FRAU: Willst du etwas schreiben? Soll ich dir dein Journal geben?

Keun nickt, die junge Frau holt eine Kladde und einen Stift aus dem Koffer und gibt ihn Keun, dann geht sie mit dem Koffer ab. Keun schlägt das Heft auf und schreibt dann mit großer Mühe.

KEUN: Erster… Dezember… 1975… Mittag… Hell.

Das Licht verlischt. Man hört Applaus.

19. Szene

Wenn das Licht angeht, ist wieder die Studio-Deko zu sehen, die Filmcrew steht um Keun herum und klatscht heftig, das Licht ist gleißend hell und dunkelt im Verlauf der Szene auf ‚normales‘ Licht ab.

KEUN: Was ist denn? Ist was passiert?

DORNER: Entschuldigen Sie bitte, dass wir Sie geweckt haben, aber das sollten Sie so schnell wie möglich erfahren.

HILDA: Sie sind uns nicht böse, nicht wahr?

DORNER: Hilda hat uns von Ihrem interessanten Gespräch berichtet.

HILDA: Ich hoffe, das war in Ihrem Sinne.

TOM: Das ist eine großartige Idee.

KEUN: Was denn?

HORST: Ich habe von Anfang an gesagt: Man dreht keinen Film über eine grandiose Geschichtenerzählerin, wenn sie noch lebt. Man dreht einen Film nach einem Drehbuch der grandiosen Geschichtenerzählerin.

DORNER: Wir haben das natürlich sofort mit der Sendeleitung besprochen. Machen wir! Sofort! Das waren seine Worte.

SOPHIE: Natürlich mit Vorkasse bei Vertragsabschluss. Damit sie sorgenfrei arbeiten können. Und ich würde Ihnen gern assistieren. Also vorausgesetzt, Sie wollen das. Du willst das. Sie. Du. Sie… Du.

HORST: Sie schreiben ein Drehbuch über Ihr Leben.

SOPHIE: Wir arbeiten alle jeden Tag zusammen. Sie werden nie wieder einsam sein.

TOM: Könnte auch eine Kinoproduktion werden. Ich sehe da große Bilder.

Alle sehen Keun erwartungsvoll an.

KEUN: Darüber muss ich nachdenken.

SOPHIE: Natürlich.

HORST: Das ist sicher alles ein bisschen viel auf einmal.

HILDA: Sind Sie erschöpft? Sie wirken erschöpft.

KEUN: Wie spät ist es jetzt?

TOM: 1977

KEUN: Schon so spät.

SOPHIE: Ich rufe dir ein Taxi.

Sophie geht zum Telefon.

KEUN: Ich soll jetzt nach Hause?

TOM: Hier passiert heute nichts mehr.

DORNER: Dieser Dreh wurde abgebrochen. Wir nehmen die Folge raus. Brauchen wir jetzt nicht mehr.

KEUN: Und wann muss ich das Drehbuch abliefern?

DORNER: Sowas dauert leider immer, bis das durch die Gremien ist.

SOPHIE: Wir versuchen das aber zu beschleunigen.

KEUN: (zu Hilda) Aber du brauchst das doch für deine Bewerbungen.

HILDA: Die Hälfte des Lebens wartet der Schauspieler vergebens.

DORNER: Wir halten Sie über alles auf dem Laufenden.

Dorner schüttelt Keun die Hand.

Es war mir eine große Freude, Sie kennenzulernen, Frau Keun.

Dorner geht, Tom kommt zu Keun.

TOM: Unter uns: Das hier hätte Ihnen sowieso nicht gefallen. Ich bin sehr gespannt auf Ihren Film, ich hoffe, der bekommt das Okay von oben.

Tom geht, Hilda umarmt Keun.

HILDA: Kommen Sie gut nach Hause. Und glauben Sie niemals Leuten, die beim Film etwas zu sagen haben.

Hilda geht. Sophie kommt zu Keun, umarmt sie kurz.

SOPHIE: Das Taxi ist in fünf Minuten da. Ich besuche Sie, bald, versprochen. Und ich drücke die Daumen, dass es etwas wird mit dem Film. Und wenn nicht, haben Sie immer noch Ihr Buchprojekt.

HILDA: (zu Sophie) Die Technik will wissen, ob sie jetzt umbauen kann.

SOPHIE: Ich sage denen Bescheid.

Sophie ab, Horst küsst Keun die Hand und holt dann ein Buch aus seiner Tasche.

HORST: Ach ja, könnten Sie mir das signieren?

KEUN: Was ist das?

HORST: „Beichte eines Mörders“ von Joseph Roth.

KEUN: Warum sollte ich das tun?

HORST: Sie saßen daneben, als er das schrieb.

KEUN: Lassen Sie mich in Frieden.

Horst verbeugt sich steif und geht schnell ab.

20. Szene

Keun allein auf der Bühne.

KEUN: Liebelein? Liebelein! Wo bist du? Wo ist mein Koffer. Wo bin ich?

Die junge Frau kommt.

DIE JUNGE FRAU: Du brauchst doch keinen Koffer mehr. Du bist doch jetzt zuhause.

KEUN: Und dann? Was denn dann?

DIE JUNGE FRAU: Alle deine Bücher werden nachgedruckt, man dreht einen Film nach einem deiner Bücher, man erkennt, dass du eine große Schriftstellerin bist.

KEUN: Und das soll ich glauben? Die haben mir eben auch Kappes erzählt. Ich glaube niemandem mehr. Ich habe selbst zu viele Lügen erzählt, als dass ich irgendjemandem glaube.

DIE JUNGE FRAU: Du wirst wiederentdeckt.

KEUN: Ich war nie weg.

DIE JUNGE FRAU: Doch, das warst du. Und jetzt gibst du Lesungen, Interviews, spielst in diesem Film mit, ganz kurz bist du im Bild, gerade lange genug, um Hitler die Zunge herauszustrecken.

KEUN: Das ist schön.

DIE JUNGE FRAU: Das ist dein fünftes Leben.

KEUN: Vielleicht waren es ja auch mehr.

DIE JUNGE FRAU: Schriftstellerin sein, heißt Entscheidungen zu fällen.

Die junge Frau zeigt Keun ein weißes Seidennachthemd mit Spitzen.

Gefällt es dir?

KEUN: Es geht nichts über Seide.

DIE JUNGE FRAU: Das hast du dir von einer Freundin gewünscht.

KEUN: Schön. Kann ich es jetzt haben?

DIE JUNGE FRAU: Etwas Zeit ist noch.

KEUN: Werde ich wieder schreiben?

DIE JUNGE FRAU: Willst du das?

Die junge Frau geht, Keun sieht sich um, als wisse sie nicht, wohin. Jupp kommt herein.

JUPP: Das Taxi ist da, Frau Keun.

Keun geht los, jetzt kommen Hilda, Sophie und Elly herein, sie wirken etwas verlegen und unschlüssig. Elly, nun wieder im Kleid vom Anfang, bleibt etwas im Hintergrund, Hilda und Sophie haben einen kleinen Blumenstrauß.

HILDA: Wir wollten Sie so nicht gehen lassen.

SOPHIE: Wir wollten uns verabschieden,

HILDA: …uns bedanken.

SOPHIE: …dass wir Sie kennenlernen durften:

KEUN: Ihr glaubt, ihr habt mich kennengelernt?

SOPHIE: …erleben durften. Es war lehrreich.

Hilda gibt ihr den Strauß.

KEUN: Danke. Aber es gibt nichts, was man von mir lernen kann.

Elly winkt ihr von hinten, wie Kinder beim Abschied winken.

Kannst du fangen, Liebelein?

Elly lacht ein freies, fast schon dreckiges Lachen. Keun wirft ihr den Strauß zu, Elly fängt ihn.

Ich gehe jetzt.

Keun geht. Fade out.

- ENDE -

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