Zu seinen besten Zeiten war Dialog Wrocław das aufregendste Theaterfestival in Europa. Nirgendwo sonst gab es eine so klug zusammengestellte, handverlesene Auswahl internationaler Produktionen wie alle zwei Jahre in Breslau. Nirgendwo sonst wurde so leidenschaftlich über Theater, Gesellschaft, Ästhetik und Widerstand diskutiert, nirgendwo sonst war das Publikum so sachkundig und offen, begeisterungsfähig und kritisch. Altmeister und Avantgarde verbrüderschwesterten sich, schwärmten füreinander oder schieden als Todfeinde. Es war jahrelang mein Lieblingsfestival. 2001 von Krystyna Meissner gegründet, fand das Festival insgesamt acht Mal unter ihrer Leitung statt, zuletzt etwas unausgewogen. Aber diesmal bewies die inzwischen hochbetagte „Iron Lady of Polish Theatre“ allen Freunden und Feinden noch einmal, wie gut sie es immer noch kann (2017 wird ihr Mitarbeiter Tomasz Kirenczuk die Nachfolge antreten). Zum Abschied wurde ihr unter Standing Ovations die Gloria-Artis-Medaille in Gold verliehen, Polens höchste Auszeichnung für Künstler. Schon im Jahr zuvor hatte sie in Weimar die Goethe-Medaille erhalten für ihre Verdienste beim „deutsch-polnischen Kulturtransfer“.
Die elf Aufführungen aus sieben Ländern stehen unter dem Motto „Welt ohne Gott“, das fürs heutige Polen durchaus provokativ ist und deshalb vorsichtshalber mit einem Fragezeichen versehen wurde. Árpád Schilling, der furiose Theatererneuerer aus Ungarn, will angesichts des schleichenden Faschismus in seiner Heimat nicht mehr...