Report
Erweiterung ins Dokumentarische
Der verzögerte Neustart an den Berliner Sophiensælen
von Erik Zielke
Erschienen in: Theater der Zeit: Semantik des Schönen – Eine unterschätzte Kategorie (03/2024)
Assoziationen: Berlin Freie Szene Jens Hillje Sophiensaele

„Trust the process“ – so lautet an den Berliner Sophiensælen das Motto der ersten Spielzeit unter der künstlerischen Leitung von Jens Hillje und Andrea Niederbuchner. Nicht selten erwecken solche Spielzeitmotti eher den Eindruck, in den Marketingabteilungen der Theater erdacht worden zu sein, denn von Dramaturgenhand zu stammen – und schon bald findet sich das Vokabular angestrengt zeitgeistiger Diskurse übergroß auf Plakaten und Bildschirmen und lässt das Theaterpublikum genervt zurück. Da wirkt die Entscheidung von Hillje und Niederbuchner für ein minimalistisches Glaubensbekenntnis wohltuend unaufgeregt: In Berlin-Mitte glaubt man noch an die Kunst und an ihre Prozesshaftigkeit.
Wie ernst die beiden Künstlerischen Leiter das meinen, lässt sich auch an einem Theaterabend wie Simone Dede Ayivis „Unauthorized und unverschämt“ über die Geschichte Schwarzer Menschen im Westdeutschland der Nachkriegszeit ablesen. Es handelt sich dabei um eine Ko-Produktion zwischen den Sophiensælen und dem Nationaltheater Mannheim. Auf die Berliner Premiere im Februar folgt im Juli eine Premiere im Baden-Württembergischen, ehe die Produktion als work in progress im Dezember in die Hauptstadt zurückkehrt.
Was im Februar in Berlin zu sehen war, war allerdings kein premierenreifer Theaterabend. „Wir sind mittendrin in Recherche und Gesprächen“, heißt es von Dede Ayivi auf dem Programmzettel. Kurzerhand fiel die Entscheidung, das Dokumentartheaterstück...