Wie er da in der schon starken Frühjahrssonne aus dem Bühneneingang tritt, einen Meter und sechsundneunzig Zentimeter groß, kräftig, leicht angegraut, sieht er aus wie ein typischer Hauptdarsteller, Marke Heldenspieler bei Feierabend. Das ist er auch, am Deutschen Nationaltheater in Weimar war er schon Mephisto, Nathan, Baumeister Solness, Oberst Butler und Dorfrichter Adam. Aber wenn Sebastian Kowski sie spielt, dann sind sie immer erschüttert in ihrem Selbstverständnis, gebrochene Charaktere. Obwohl Kowskis Nathan eben in der Sonntagnachmittagsvorstellung anfangs daherkam, als könnte ihn nichts erschüttern. Sein Haus ist abgebrannt, na und, baut er es eben schnell wieder auf. Recha, seine Ziehtochter, ist auf wundersame Weise gerettet worden, ein Glück, aber haltet euch nicht auf mit Sentimentalitäten. Dieser Nathan, im Anzug eines Geschäftsmannes, wirkt wie jemand, der immer einen vollen Terminkalender hat. Und legt ihm Lessing nicht die Worte in den Mund: „Begreifst du aber, wieviel andächtig schwärmen leichter als gut handeln ist?“ Dieser Nathan predigt nicht. Die Ringparabel, mit der er die gefährliche Frage nach der einzig wahren Religion abwehrt, ist kein pathetischer Aufruf zur Toleranz, sondern die erfahrungsweise Selbstrettung von einem, der sich – als Jude immer beargwöhnt und am Rande stehend – schon oft mittels Klugheit selbst retten musste. Dieser...