Theater der Zeit

Auftritt

Deutsches Theater Berlin: Don’t worry, be queer!

„As You Fucking Like It“ nach William Shakespeare von Bastian Kraft – Regie Bastian Kraft, Bühne Peter Baur, Kostüme Jelena Miletić

von Thomas Irmer

Assoziationen: Theaterkritiken Berlin William Shakespeare Bastian Kraft Deutsches Theater (Berlin)

Caner Sunar und Regine Zimmermann in „As you fucking like it“ nach Shakespeare in der Regie von Bastian Krafft am Deutschen Theater. Foto Arno Declair
Caner Sunar und Regine Zimmermann in „As you fucking like it“ nach Shakespeare in der Regie von Bastian Krafft am Deutschen Theater. Foto: Arno Declair

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Zu Beginn gibt es auf der Bühne der Kammerspiele gleich vier Vorhänge, die sich öffnen und so die verschiedenen Ebenen von Bastian Krafts Shakespeare-Version von „Wie es euch gefällt“ bedeuten. Der erste ist der „Alles-jetzt-Theater-Vorhang“, der letzte legt die Video-Leinwand frei, auf der viel vorproduziertes Material zu sehen ist, die den eigentlichen Gang der Handlung zu zeigen und verfolgen erlaubt. Die beiden dazwischen öffnen sich für das Bühnenspiel und Kommentare, von denen die Inszenierung reichlich Gebrauch macht. Shakespeare als in alle Richtungen offener Erklärspaß für ein Publikum, das das ziemlich komplexe Stück um einen verbannten Herzog und seine durch Liebesverwicklungen als Mann sich verkleidende Tochter Rosalinde nicht unbedingt gut kennen muss.  

Die stark bearbeitete Vorlage ist immerhin mit nur vier Spieler:innen so inszeniert, dass diese nicht nur abwechselnd die Hauptfigur Rosalinde spielen, sondern auch noch ein Dutzend anderer Figuren dazu. Die meisten auf der Filmebene und in immer wieder überraschenden Erscheinungen – dank der Schmink- und Maskenbildner-Kunst von Meike Hildebrandt und Heike Küpper wird etwa Lisa Hrdina in den feisten Herzog Senior mit Zottelbart und fröhlichen Triefaugen verwandelt und Helmut Mooshammer (der bei der Premiere auf der Bühne durch den Regisseur mit grandiosem Einsatz vertreten wurde) in Phöbe als sich im späten Liebesschmerz verzehrende Frau. Auch Regine Zimmermann, die unter anderem als gewaltiger Ringer erscheint, gehört zu diesen famosen Verwandlungsgestalten. 

Die Grundidee ist eine Show, die Shakespeares Stück präsentiert und einrahmt, mit eben jenen vier Rosalindes ganz in Rosa, die singen, erklären oder auch bekennen können. Letzteres tut Caner Sunar, wenn er sich als Rosalinde daran erinnert, dass er den mit Oscars überhäuften Film „Shakespeare in Love“ (1998) vor allem auch wegen der Preisverleihungszeremonie an Gwyneth Paltrow in seiner Jugend vergötterte und diese sogar zuhause, im rosa Badetuch, vor dem Spiegel nachspielte. Jetzt wiegt er auf der Bühne einen Oscar im Arm, und dieses schon sehr früh in die Inszenierung gesetzte Bekenntnis öffnet die hier in der Optik von Anfang an nicht zu übersehende Queer-Sicht auf dieses Stück. Es wird von den Show-Moderator:innen auch daran erinnert, dass im Elisabethanischen Theater alle Frauenrollen von Männern gespielt wurden, was dann in den Stücken, in denen sich Frauen als Männer verkleiden und diese männlichen Figuren begegnen, zu den herrlichsten Gender-Verwirrungen führt. Wer ist jetzt gerade was genau auf welcher Ebene von Theaterrealität? Und in welcher möglichen Beziehungsqualität oder sexuellen Ausstrahlung? Und mit welcher neckischen Perücke? 

Bastian Krafts Regie schlägt daraus die Funken für ein Feuerwerk an queer dimensionierten Spielwitz. Auch das Miteinander von Film- und Bühnenspiel läuft wie geölt auf höchstem Niveau in straffen hundert Minuten. Überraschend auch die Musik mit dem von Polyester eingerichteten Titel-Song aus dem Film „Solo Sunny“ – als ganz große Anhauch-Ballade mit Textgefühlstiefgang im fetten Sound zu Mikrofonposen in Rosa: „Let me sing that song / of the golden girls / and the men so strong“. Wenn am Ende sich alles zu guten Paarungen erdet und das Böse falscher Macht sich auflöst, hat Bastian Kraft das in seiner Spielfassung mit manch schlüpfrigem Wortwitz auf den Punkt gebracht. Für Diskursschürfer ist das vielleicht zu wenig Angebot. Aber ein Riesenspaß mit vier Vorhangebenen – Shakespeare in queer love. 

Erschienen am 6.12.2022

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