„Die geläufige Vorstellung von ‚politischem‘ Theater ist, dass Theater Themen aufgreift, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden oder die es selbst in die Diskussion wirft und auf diese Weise (zumindest) aufklärend wirkt. […] Angesichts der trügerischen alltäglichen Dauerpräsentation politischer Fragen, die zugleich systematisch jede grundsätzliche Diskussion der Normen und Verkehrsformen der bestehenden Gesellschaft eliminiert und immer mehr zu vielleicht korrekten, aber völlig schablonisierten Diskursen degeneriert, hängt alles von der Fähigkeit ab, das Politische dort aufzuspüren, wo es gewöhnlich gar nicht wahrgenommen wird.“ Was der Theaterwissenschaftler Hans-Thies Lehmann 2001 hier in Theater der Zeit reflektierte, scheint auch über 25 Jahre später relevant zu sein. Die ganz praktischen Bedingungen des Theaters sind aber nur der Ausgangspunkt seiner Argumentation für das politische Potenzial des Theaters unterschiedlicher Formen: „Bis ein Theaterstück zu politischen Themen geschrieben, lektoriert, gedruckt, von einem Theater geplant, geprobt und aufgeführt ist, dürfte es für eine politische Wirkung immer schon ganz einfach zu spät sein. Sich aber, wie es oft geschieht, damit zu trösten, dass Theater die Probleme zwar verspätet, dafür aber irgendwie ‚tiefer‘ und gründlicher darstellen kann, heißt erneut, sich zu betrügen. Theater ist Sache des Moments.“
Dies gilt für die Oper und das Musiktheater in verstärktem Maß. Der Kompositionsprozess...