Neuer Realismus
Negativer Realismus
von Kathrin Röggla
Erschienen in: Theater der Zeit: Fuck off (09/2015)
Assoziationen: Wissenschaft Dramatik Akteure
Google-Masterstory, Castingshow und Spielanordnung. Die Autorin Kathrin Röggla ist gegenüber der massiven Präsenz solcher Erzählprinzipien im Theater misstrauisch. Denn sie sind zuweilen harmlos, beliebig. Doch wie soll man überhaupt für das Theater schreiben, wenn der Gegenstand unbekannt ist? „[Wir] wissen viel mehr von der Hysterie, die durch Rohstoffmärkte wandert, zu erzählen als über reale Menschen, an denen doch die Geschichten angeblich dranhängen“, schreibt sie. Kathrin Röggla nähert sich dem Realismusbegriff, wie ihn Bernd Stegemann in seinem Buch „Lob des Realismus“ versteht – und öffnet in der Auseinandersetzung damit einige Problemfelder: „Realismus beginnt eigentlich immer, und das von allen Seiten, er ist eine permanente Aufforderung, und er ist gleichzeitig als Begriff wahrlich immer schon verbraucht, weil er dieses kurze 20. Jahrhundert wie eine schwere Bürde trägt.“
1. Geschichten und wo sie nicht herkommen
Beinahe hätte ich gesagt, man müsse wieder Geschichten erzählen, aber ich wurde kurz davor unterbrochen von einer Person, die hier lieber anonym bleiben und sich doch äußern möchte: Ich solle in der folgenden Passage nichts verlautbaren, was sie als Veganerin, Frau mit kreolischer Herkunft, Transgenderpersönlichkeit, als Muslim, als kirchlichen Würdenträger und Russen, als Menschen mit Behinderung und ohne, als Heterosexuellen wie Homosexuellen, als Kind mit besonderer Begabung, als...