Bericht
Es müssen Köpfe rollen
Beim internationalen Shakespeare-Festival in Gdańsk untersuchen zwei polnische Produktionen brisante Diskurse der Theaterarbeit
von Thomas Irmer
Assoziationen: Europa Dossier: Polen
Erschienen am 9.8.2024
Seit 27 Jahren gibt es das Festiwal Szekspirowski in Gdańsk als eines der renommiertesten Shakespeare-Festivals in elf Ländern Europas. Das deutsche Festival in Neuss (zuletzt im Mai) ist vergleichsweise weniger ausstrahlungskräftig als das polnische, das im Nachbarland zu den Höhepunkten im Festivalkalender gehört und mit dem Ehrgeiz (samt Finanzkraft) für ein Programm international richtungweisender Inszenierungen aufwarten kann. Auch der eigens für dieses Festival vor zehn Jahren eröffnete imposante Theaterneubau des italienischen Stararchitekten Renato Rizzi trägt immer noch zur Attraktion des Programms bei – mit einem Zuschauerraum vor einer Portalbühne, der sich minutenschnell auch in ein elisabethanisches Theater mit Galerien, Stehplätzen im Parkett und einem geöffneten Dach verwandeln kann. Shakespeare-Fans und -Forscher:innen reisen, auch wenn gerade kein Festival läuft, zur Besichtigung an und vergleichen mit dem in London rekonstruierten Globe, das freilich Shakespeare für Tourist:innen bieten will.
Die diesjährige Ausgabe unter dem Motto „And let the heads roll“ – von Jan Kott, dem polnischen Meisterinterpreten Shakespeares entlehnt – stellte zum Beispiel Declan Donellans „Hamlet“ der weltweit gefeierten peruanischen Inklusions-Version des gleichen Stücks gegenüber (Chela De Ferraris „Hamlet“ war im Februar beim Heidelberger Adelante-Festival zu sehen). Aus dem polnischen Anteil des Festivals stachen zwei Inszenierungen heraus, die sich auf unterschiedliche Weise mit...
Erschienen am 9.8.2024