Was mit Impressionen von wogenden, seltsam künstlich erscheinenden Palmen beginnt, wächst sich schon bald zur veritablen Neonhölle aus. Grellbunte Piktogramme ploppen über Bildern einer nächtlichen Megalopolis auf, mal ein Schuh, mal eine Stripperin, dazu erscheinen Statistiken aus der gründlich prekarisierten Arbeitsrealität in Fernost. Teils im Leuchtreklame-Stil, teils als Laufschrift wie im Börsenfernsehen: „In Bangladesch näht eine Arbeiterin 120 Hosen in der Stunde.“ „Eine Nike-Näherin verdient in China 17 Cent pro Stunde.“ Ein Diagramm weist den Anteil der Lohnkosten bei der Preiszusammensetzung eines T-Shirts aus: ein Prozent. Die animierten Sequenzen schaffen ein maximales Overkill-Gefühl bei gleichzeitig bestürmendem Kitsch-Appeal. Entfremdungszusammenhänge, pointiert in Pink gefasst.
Schöpfer dieser Arbeit ist der Videokünstler Sébastien Dupouey. Sie entstand 2005, für Thomas Ostermeiers Gerhart-Hauptmann-Inszenierung „Vor Sonnenaufgang“ an den Münchner Kammerspielen, die das Drama einer zu Reichtum gekommenen, degenerierten Bauernfamilie in die Welt der asiatischen Sweatshops verlegte – inspiriert vom damals frischen Bestseller der Globalisierungskritik, Naomi Kleins „No Logo“. Deren Kern-Statistiken übersetzte Dupouey ins Cliphafte, Überzeichnete und ließ sie im Loop laufen. Was den Beginn einer ergiebigen Zusammenarbeit zwischen ihm und Ostermeier markierte, die bis heute andauert. Zwar war und ist der 1969 in Paris geborene Dupouey auch im Team mit anderen Regisseurinnen und Regisseuren tätig, darunter Christina...