Was war, was bleibt, was wird sein?
Theater Festival Impulse
von Christian Esch
Erschienen in: Es geht auch anders – Theater Festival Impulse (04/2012)
Assoziationen: Nordrhein-Westfalen Freie Szene Impulse Theater Festival
Gleich zweimal haben wir mit Impulse 2007, 2009 und 2011 ein Jubiläum gefeiert: „Zum fünfzehnten Mal!“, hieß es 2009, „Seit 20 Jahren Impulse!“, pries dann das Festival 2011. Sich der Vergangenheit zu vergewissern, dazu gab seit 2007 auch der Dietmar N. Schmidt-Festivalpreis für besondere künstlerische Einzelleistungen Anlass, benannt nach dem verdienstreichen Impulse-Gründer. Vor allem – wenngleich keineswegs nur – dem Rückblick gewidmet ist auch dieses kleine Buch mit den Fragen „Was war, was bleibt, was wird sein?“. Wo aber zurückgeschaut wird, gibt es natürlich seit Lots Zeiten die Gefahr der Erstarrung. Und wenn Impulse schon namentlich dynamische Vorgänge bezeichnen – wie sonst könnten sie anregen, anschieben, anstoßen, und das können die Impulse zweifellos – , so darf in unserem Buch auch nach vorn geschaut werden, mit freudigem Wissen um das hier zu würdigende Erreichte, aber doch auch mit Neugier auf das lockende Jahr 2013, wenn unter einer wieder neuen Leitung, in wieder neuer Bewegung, mit neuerlich verändertem Gesicht die nächsten Impulse aus der Theaterlandschaft aufgenommen und andere in sie hinein gesendet werden.
Doch soll es zunächst, mit viel Recht und nicht weniger Dankbarkeit, um die drei bemerkenswerten Ausgaben 2007, 2009 und 2011 unter der vollgriffigen Leitung von Matthias von Hartz und Tom Stromberg gehen. Und wo wir schon ans Bilanzieren gehen und den vorläufigen Schlussstrich ziehen, ist es doch nur recht und schlüssig, dass ich von der Seite des Veranstalters noch ein kleines Wegstück weiter zurückschaue; nicht gleich auf die Urgründe vor mehr als zwei Jahrzehnten und auf die anschließende Reihe von Impulse-Jahrgängen, wohl aber auf die Zeit des schwierigen Übergangs nach 2004, nach meinem Amtsantritt als Direktor des NRW KULTURsekretariats in der Nachfolge Dietmar N. Schmidts. Nachdem im Jahr 2003, vor allem aus finanziellen Gründen, nicht zum ersten Mal ein Jahrgang ausgefallen war, leitete Schmidt letztmals in seiner Eigenschaft als Direktor des Kultursekretariats im Frühjahr 2004 das Festival. Vor dem Ende seiner Amtszeit als Direktor übertrug man ihm noch ein weiteres Mal die Leitung für das Ende des Jahres 2005, zu einer Zeit, als die zukünftige Umstellung des Festivals aus der Sicht seines Nachfolgers bereits unumgänglich war. Nicht erst zu dieser Zeit war unübersehbar, dass Impulse unterfinanziert war und weitaus mehr Mittel benötigte, um die Bedeutung samt öffentlicher Resonanz zu erlangen, die dem Festival eigentlich zustanden. Besonders ins Gewicht fiel aber auch, dass die Veränderungen nicht nur der politischen und ökonomischen Verhältnisse nach dem Fall der Mauer, sondern naturgemäß auch seiner Theaterlandschaft inzwischen weit fortgeschritten waren. Die zunehmende Bedeutung des Freien Theaters, die sich vor allem seit den achtziger Jahren auch in Gründungen von Produktionshäusern wie Kampnagel Hamburg oder Mousonturm Frankfurt manifestierte, war es, die zur Gründung von Impulse geführt hatte. In den neunziger Jahren dann verschoben sich zusehends die Gewichte. Mit der sich verschärfenden Finanzierungskrise, die nicht nur, aber besonders empfindlich die Kultur und damit nicht zuletzt die kommunalen Theater traf, kam es zu erheblichen Einschnitten in die mehr oder weniger großen Produktionsapparate dieser Häuser. Schon aus vordergründig ökonomischem und kulturpolitischem Interesse richtete sich die Aufmerksamkeit verstärkt auf die anderen, erheblich schlankeren Produktionsformen der sogenannten Freien Szene, die sich rasch internationalisierte.
Die damit verbundene, rasant fortschreitende Internationalisierung weit über den deutschen, österreichischen und schweizerischen Theaterraum hinaus, aber auch die neuen Produktionsformen und der sich wandelnde, zunehmend interdisziplinäre Theaterbegriff waren es, die spätestens jetzt, nach 2005 und dem Wechsel der Leitung im Kultursekretariat im Jahr 2004, zu einer inhaltlichen Neuorientierung auch von Impulse führen mussten.
Mit dem Wechsel in der Leitung einerseits und der Notwendigkeit des Umsteuerns andererseits kam es, wenig überraschend, zu Auseinandersetzungen: Da waren das Misstrauen dem Neuen gegenüber bei gleichzeitig unbestreitbar notwendigen Veränderungen, dazu die finanziellen Schwierigkeiten, und alles dies in einem Dickicht jener Städte und Veranstalter, deren Anteil an Impulse selbstverständlich ein ganz besonderer war und ist. Denn die Konstruktion von Impulse als ein Festival mehrerer Städte galt es durch jenes Kultursekretariat zu bewahren, das selbst ein Konstrukt der Theaterstädte Nordrhein-Westfalens ist und als Initiator und Hauptveranstalter von Impulse ein ganz grundsätzliches Interesse daran haben muss, mehrere seiner Städte und ihre Theater als Mitveranstalter und Teilhaber dieses größten seiner Programme einzubeziehen.
Diese Veranstaltergemeinschaft von vier beteiligten Städten im Verbund des insgesamt 21 Städte umfassenden NRW KULTURsekretariats galt es sowohl von der neuen Orientierung zu überzeugen als auch von der Umstellung auf einen biennalen Veranstaltungsrhythmus. Vor allem diese Umstellung aber war umstritten und doch unausweichlich, denn es war offenkundig, dass die bis dahin recht lückenhafte Festivalfolge schon mit Blick auf die Planungssicherheit und übrigens auch auf die Außen wirkung verlässlich geregelt werden musste. Über all dem stand jedoch die schiere Notwendigkeit, dem Festival auf diese Weise die nötigen zusätzlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Dennoch: Die Beharrungskräfte und damit die Widerstände waren erheblich und erhielten Auftrieb dadurch, dass Impulse im Herbst 2005 noch einmal in der bisherigen Form stattfand. Schließlich gelang es, die veranstaltenden Theater bei der Umstellung auf den biennalen Rhythmus mitzunehmen und den Weg für die noch wichtigere Neukonzeption des Festivals frei zu machen. So konnte, unmittelbar im Anschluss an die letzte Ausgabe im bisherigen Gewand, mit Tom Stromberg und Matthias von Hartz die neue Künstlerische Leitung der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Der biennale Rhythmus und die neue Leitung mit neuer Konzeption waren dann die Voraussetzung für die Verdopplung des Budgets gegenüber 2005, nicht nur dank der Konzentration der Kultursekretariatsmittel, sondern vor allem mit der großzügigen Hilfe der Kulturstiftung des Bundes, aber auch der Kunststiftung NRW. Es mögen nun Andere auf jene drei interessanten und erfolgreichen Ausgaben von Impulse zurückzublicken, die in dieser Konstellation entstehen konnten. Dass uns zum Ende dieser Ära noch die Verlagerung des Festivalzeitraums in den Sommer gelang, ist ein weiterer kleiner Beweis dafür, dass die Erneuerung des Festivals ein anhaltender Prozess bleibt und bleiben soll. Schon die kommende Ausgabe 2013 wird unter der Leitung von Florian Malzacher eine ganz andere Handschrift zeigen, und auch sie wird in veränderter Konzeption Impulse prägen. In welchem Maße es Stromberg und von Hartz gelungen ist, gemeinsam mit den Veranstaltern das Festival sechs Jahre lang zum weithin ausstrahlenden Erfolg zu führen, das verpflichtet zu Dank und macht mich froh, aber auch ein wenig stolz.
Wir werden darin auch in Zukunft nicht nachlassen, soviel ist gewiss. Man muss nicht den Engel der Geschichte bemühen, um zu sehen, dass der Rückblick in die Zukunft weist. Denn wenn die Veränderungen von Impulse nach 2005 eines lehren, so ist es die allerdings wenig überraschende Einsicht, dass auch zukünftig Veränderung Not tut – warum sollte das gerade für dieses Festival weniger gelten als für die Gesellschaft, auf die es sich bezieht?
Christian Esch