Am Anfang, als sich der eiserne Vorhang hebt, stellt sich zuverlässig der Wow-Effekt ein – thront doch auf der Bühne ein Tankstellenshop, detailversessen ausstaffiert mit Regalen voller Snacks, Kühlvitrinen mit Bier und Softdrinks, dazu ein Bistrobereich samt Kaffeeautomat. Es ist, als hätte Bühnenbildnerin Blanca Añon den Laden an irgendeiner Autobahnraststätte in sämtliche Einzelteile zerlegen und im Münchner Residenztheater eins zu eins wieder aufbauen lassen – als Spielort für Simon Stones Stück „Unsere Zeit“, zu dem sich der „writer-director“ (Stone über Stone) von Ödön von Horváth inspirieren hat lassen.
Die Methode des Australiers kennt im Wesentlichen zwei Spielarten: Entweder er nimmt sich einzelne Stücke vor und übersetzt sie ins Hier und Heute. Aus Tschechows lethargischen Untergehern werden dann desillusionierte Großstadt-Hipster wie in seiner Basler „Drei Schwestern“-Bearbeitung von 2016 (bis heute eine seiner besten Arbeiten). Oder er bedient sich im Gesamtkosmos eines Autors und montiert seine Gegenwarts-Updates aus dessen Motiven und Figurenkonstellationen. So geschehen etwa bei „Ibsen House“ für die Toneelgroep Amsterdam (2017) oder „Hotel Strindberg“ am Wiener Burgtheater (2018).
„Unsere Zeit“ funktioniert nach dem zweiten Muster, wobei die Bezüge zum Vorlagengeber diesmal allenfalls vage sind. So gibt es hier zwar einen DHL-Boten, der seinen Job verliert, in dem man den abgebauten...