Schon wieder? Noch immer steht landauf, landab die vernunfthell Frieden stiften wollende Blankversfabel „Nathan der Weise“ auf den Theaterspielplänen. Das Thema scheint in der Ära der Kreuzzüge, zu der Lessings Stück spielt, genauso dringlich gewesen zu sein wie in unserer Zeit, die von islamistischem Terror, unverhohlen wieder zu Wort kommendem Antisemitismus, rassistisch infiltrierten Geflüchtetendebatten, AfD-Wahlerfolgen und Islamophobie geprägt ist. Ja, wie schön ist es da zu hören: Liebe Juden, Christen und Moslems, ihr seid keine Feinde, sondern gleichberechtigte Kinder einer Urreligion, deren Wahrheit ihr in der ethisch hochwertigen Anwendung eures Glaubens zeigt. Ja, wie naiv ist es denn, ein dramatisches Gedicht mit dieser Botschaft vom Blatt zu spielen, scheinen hingegen die Theatermacher Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen zu denken. Sie fragen anhand des „Nathan“-Stoffes am Theater Bremen, warum der interreligiöse Dialog immer wieder neu scheitert an Definitionen des identitätsstiftend Eigenen und dem auszugrenzenden Anderen.
Vier Wochen der Probenzeit sitzt das Gintersdorfer/Klaßen-Team mit drei Dramaturgen zusammen, holt Gastreferenten dazu, liest Sekundärliteratur kreuz und quer, diskutiert das Stück und forscht nach Möglichkeiten, mit mehr als nur einem Humanismus-Appell als „Weichmacher für den Glaubenspanzer“ zu fungieren. Vorläufige Ergebnisse und sich widersprechende Sichtweisen werden in zwei Wochen dann noch fix in eine dramatische Form...