Gespräch
„Musik ist für mich wie das Atmen“
Fünf Fragen an den Musiker und Schauspieler Christian Friedel über musikalische Assoziationsräume, die Arbeit mit Robert Wilson und über seine neue CD „Dorian“
von Christian Friedel und Lina Wölfel
Assoziationen: Akteure Dossier: Musik im Schauspiel Woods of Birnam Robert Wilson Düsseldorfer Schauspielhaus Staatsschauspiel Dresden Dorian
Der große Theatermagier Robert Wilson hat mit „Dorian“ einen umjubelten Soloabend für Schauspieler und Sänger Christian Friedel am Düsseldorfer Schauspielhaus inszeniert, eine Koproduktion mit dem Staatsschauspiel Dresden und dem National Kaunas Drama Theater (Litauen). Im Zentrum steht Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“. Darin isoliert Wilson die Hauptfigur, um sie der Biografie Oscar Wildes und Francis Bacons gegenüberzustellen, und widmet sich so der Relevanz und Vergänglichkeit von Kunst, vielleicht sogar des menschlichen Lebens.
Friedel und seine Band WOODS OF BIRNAM haben dazu Musik komponiert, die in den unterschiedlichen Atmosphären des Abends ihren Ursprung findet. Die sieben Songs und zwei Instrumentalstücke des Albums sind zwar nicht alle in der Inszenierung zu hören, waren aber Material, mit dem Robert Wilson arbeiten konnte.
Unsere Online-Redakteurin Lina Wölfel hat Christian Friedel fünf Fragen zu seiner Arbeit als Musiker und Schauspieler, dem Prozess zu „Dorian“ und seiner musikalischen Inspiration gestellt.
„Bob und ich können zusammenarbeiten ohne viel Worte, es ist fast magisch.“
Lina Wölfel: Welche Rolle spielt Musik, bzw. Ihre eigene Arbeit als Musiker, in Ihrem Leben?
Christian Friedel: Um es einmal pathetisch auszudrücken: Musik ist für mich wie das Atmen. Es gehört ganz natürlich seit meiner Geburt zu meinem Leben, hat mich immer schon umgeben, Kraft geschenkt, Inspirationen ausgelöst, Reaktionen hervorgerufen oder mir auch bei mancher Krise geholfen. Dass ich nun sowohl als Schauspieler als auch als Musiker arbeiten kann, ist ein großes Glück und erfüllt mich sehr. Wenn beide Dinge dann auch noch zusammenkommen, wirkt es nicht nur als klare Einheit, es fühlt sich auch so an.
Wie war es mit Robert Wilson zu arbeiten? Insbesondere auch unter dem Aspekt, dass er das Solo für Sie kreiert hat?
Ich habe Bob Wilson 2016 bei den Proben für „Der Sandmann“ am Düsseldorfer Schauspielhaus kennengelernt. Seine Arbeit war mir vertraut, obwohl ich erst sehr spät Stücke von ihm live gesehen habe. Bob fordert Deine Fantasie und Musikalität heraus und lässt Dich an Grenzen stoßen, die Dir vorher nicht bewusst waren. Erst denkt man, es geht nur um die Erfüllung einer artifiziellen Choreografie. Doch den Inhalt muss letztendlich jeder selbst ausfüllen und dabei entsteht eine ungeheure Freiheit. Bob und ich können zusammenarbeiten ohne viel Worte, es ist fast magisch. Und als die Idee von Wilfried Schulz kam, einen Soloabend mit Bob zu denken, war das ein ungeheures Geschenk für mich. Dann zeigte Bob auch noch Interesse, das mit der Musik meiner Band zu verbinden - was kann man da noch mehr wollen?
Inwiefern erzählt sich die Geschichte des Dorian Grey über die Musik? Was schafft die Musik, was Schauspiel allein vielleicht nicht schaffen würde?
Bei Bob Wilsons Soloabenden steht der Text klar im Mittelpunkt und natürlich die Person, die den Abend ausfüllen muss. Die Musik ist dabei nur eine Textur. Bei „Dorian“ machte er eine Ausnahme, da die Musik hier die übersteigerten inneren Gefühlsorkane der Figur am besten übersetzen kann. Wenn Dorian in einem Fotostudio ganz erfüllt ist von sich selbst, singt er. Wenn er in einer Garderobe sitzt und allerlei Machtfantasien durchspielt, dann singt er. Wenn er in einer Erinnerung von einem großen zarten Gefühl übermannt wird, dann singt er. Somit schafft der Wechsel zwischen Sprache und Musik nicht nur eine dramaturgische Erweiterung der Figur, sondern ist für die Zuschauer:innen gleichfalls ein Durchatmen und Andocken an den Abend.
in the blue air
– Aus dem Songtext zu „I Will Survive You“
I brood supreme
eternal as the world
singers who see
my splendor
consumes their days
in ecstasy
I will survive you
Was hat Sie für die Musik inspiriert? Welche Einflüsse haben eine besondere Rolle gespielt?
Ich wurde sehr früh in den Entstehungsprozess des Stückes einbezogen und wurde zur Bauprobe für „Dorian“ eingeladen. Dort skizziert man die Bühnenbildideen und ich saß neben Bob, der mir die verschiedenen Ideen der Szenen erläuterte. Dabei gab er mir auch Inspirationen wo Musik oder gar ein Song möglich ist. Das habe ich alles notiert und mich in Dresden gleich ans Keyboard gesetzt. Inspiriert von den Bildern und dem Text, habe ich mich situativ fallen lassen. So entstanden die Grundideen für die Songs. Nach den ersten Demos, die für den ersten Probenblock verwendet wurden, habe ich dann zusammen mit meiner Band die Songs arrangiert und teilweise noch Ideen hinzugenommen. Die einzelnen Songs haben jeweils unterschiedliche Einflüsse gehabt: „On The White Sea“ ist der Song, den Bob von Anfang an ins Herz geschlossen hat. „I Will Survive You“ ist inspiriert vom Discosound der 70er Jahre.
Gibt es eine Textvorlage, die Sie gerne mal vertonen wollen würden?
Mich interessieren vor allem sehr musikalische, poetische Textvorlagen. Konkret habe ich da keine besonderen Wünsche, ich bin da eigentlich offen für alle möglichen Vorlagen - deutsch, englisch oder auch gerne mal französisch oder spanisch. Es muss ja nicht immer, wie bei meiner Band bislang sehr oft, Shakespeare sein.
Die CD „Dorian“ erscheint am 20. Januar bei Hook Music – dem Label für Theatermusik von Theater der Zeit.
Erschienen am 20.1.2023