Nachruf
Impulsgeber in der Fan-Kurve
Ein Nachruf auf den Regisseur und Vielfachintendanten Jürgen Flimm
von Thomas Wördehoff
Erschienen in: Theater der Zeit: Neue Dramatik (03/2023)
Assoziationen: Musiktheater Akteure Jürgen Flimm Staatsoper Berlin

Wo fängt man an? Wie kriegt man einen solchen Typen zu fassen? Einen, der liebevoll und hingerissen das späte Comeback des großen Will Quadflieg beaufsichtigte. Der als erste Oper ausgerechnet ein Schwergewicht wie Luigi Nonos „Al gran sole carico d’amore“ stemmte. Der tatsächlich mal Assistent von Claus Peymann war. Der als Regisseur zusammen mit Nikolaus Harnoncourt Operngeschichte schrieb. Der in Harvard lehrte. Der nicht davor zurückschreckte, das legendäre TV-Ekel Alfred zu inszenieren – dann aber auch todesmutig den „Ring“ auf die Bühne der Bayreuther Festspiele brachte. Der fünfzehn gepriesene lange Jahre Intendant des Hamburger Thalia Theaters war, dann die Ruhrtriennale leitete und schließlich mit siebzig als Direktor der Staatsoper Unter den Linden reüssierte. Der die Salzburger Festspiele leitete, zu den Erfindern des Staatsministeriums für Kultur gehörte und außerdem auch noch Präsident des Deutschen Bühnenvereins war.
Kennengelernt habe ich ihn an einem wilden Abend in der Frankfurter Oper. Es war der 31. Januar 1981, die Premiere von Verdis „Aida“, inszeniert von Hans Neuenfels, war gerade zu Ende, das Haus explodierte vor Hass und Jubel. Jürgen war irgendwo im Rang von seinem Sitz aufgesprungen und brüllte seine Bravos mit schneidendem Bariton in den tosenden Zuschauerraum. In seinem Rücken donnerte ein Vorstand im...