Theater der Zeit

Bericht

Papier als theatraler Körper – Gesellschaft als Bühnenraum

Zum 25-jährigen Jubiläum des Papiertheaters Nürnberg

Das Papiertheater Nürnberg feierte bereits 2020 sein 25-jähriges Bestehen. Dazu erschien nun das Buch „Gesellschaftsinszenierung“, das die verschiedenen Arbeiten Volkmanns, Gründer und Künstlerischer Leiter des Papiertheaters, vorstellt und Gespräche versammelt, die er mit Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen zum Begriff „Gesellschaftsinszenierung“ führte. Im Juli dieses Jahres erhielt das Papiertheater Nürnberg nun auch den Theaterpreis des Bundes. Grund genug für Julia Opitz, die für die genannte Publikation – erschienen in Volkmanns eigenem Verlag Erlesene Bücher – einige der Gespräche redigierte, die Idee der Gesellschaftsinszenierung vorzustellen.

von Julia Opitz

Erschienen in: double 44: Regie? – Zwischen Autor*innenschaft und Außenblick (11/2021)

Assoziationen: Bayern Puppen-, Figuren- & Objekttheater

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Waren seine zahlreichen, international erfolgreichen Inszenierungen zu Beginn vor allem vom erzählerisch-experimentellen Umgang mit dem Material Papier geprägt, wird in Johannes Volkmanns heutigen Arbeiten die Gesellschaft zum Bühnenraum, der öffentliche Dialog zum elementaren inszenatorischen Moment: „Gesellschaftsinszenierungen beziehen den direkten Austausch mit den Bürger*innen ein und können Jahre dauern. Dabei fokussieren wir auf die kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Ist-Zuständen. Das übergeordnete Prinzip dieses Inszenierens ist, dass wir mit einem künstlerischen ‚Objekt‘ beginnen, das zum Material wird und sich in einer offenen Bürger*innenbeteiligung entwickeln darf. Am Ende entsteht daraus dann eine Bühneninszenierung oder eine Ausstellung. Die Ästhetik des Prozesses legen wir also fest, alles andere entwickelt sich und wir reagieren darauf“, erklärt Volkmann.

Die Gesellschaftsinszenierungen des Papiertheaters, wie etwa „anders herum denken“ oder „Was ist maßvoll?“, rücken soziale Aspekte in den Vordergrund, befragen beeindruckend entschieden politische Begebenheiten und rufen zum globalen Umdenken auf. Manchmal geraten dabei experimentelle, künstlerische Narrative, die Volkmann weiterhin konsequent über die Konzentration auf ein konkretes Material anlegt, etwas unter Spannung und müssen sich gegenüber dem Aufforderungscharakter jener Inszenierungsform behaupten.

Volkmanns Vision für ein Theater der Zukunft allerdings bleibt vielversprechend: „Sollten wir uns nicht mehr für reale gesellschaftliche Veränderungen öffnen und unsere Dramaturgie stärker ins Stadträumliche ausrichten? Ich denke, die Gesellschaftsinszenierung hat das Format, nicht nur Einzug in Spielpläne klassischer Theaterhäuser zu erhalten, sondern auch eine eigene Sparte zu werden.“ „Dabei müsste es wirklich um eine gegenseitige kontinuierliche Durchdringung gehen“, so Friederike Engel, Leiterin der Tafelhalle Nürnberg, im Gespräch mit Volkmann. „Wenn man die Gesellschaftsinszenierung als Sparte etabliert, müsste auf lange Sicht eigentlich so etwas wie ein künstlerisches ‚Passiv-Haus‘ herauskommen – ein Kunst-Ort, in den die Energie der Gesellschaft in Form des aktiven Publikums direkt einfließt, der die und den die Gesellschaft braucht.“

Zwischen 8. Oktober bis 18. Dezember 2021 ist nun Volkmanns aktuelle Arbeit Der WELTGEReCHTSHOF DER KINDER, der aus dem internationalen Großprojekt „Konferenz der Kinder“ hervorging, vor dem Memorium Nürnberger Prozesse zu erleben. In diesem Kontext entsteht zudem eine „Säule des Friedens“, erbaut aus abgegebenen Plastikwaffen. Bis 2023 wird diese Sammlung weltweit fortgeführt, weitere Säulen des Friedens entstehen u.a. in Bukarest und Chişinău. – www.konferenz-der-kinder.de

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