Als Ende 2017 bekannt wurde, das Theater Chur werde 2018 ein grosses Bertolt-Brecht-Jubiläum feiern, löste die Nachricht bei mir zweierlei aus: Kopfnicken und Kopfschütteln. Klar, zu Brecht hat die Kantonshauptstadt Graubündens ein geradezu beseeltes Verhältnis. Der Aufenthalt des deutschen Dramatikers Anfang 1948 in Chur; die Inszenierung und Uraufführung seiner eigens für hier geschriebenen «Antigone des Sophokles», noch dazu mit seiner Frau Helene Weigel in der Titelrolle; das während der Probenwochen entwickelte sogenannte Antigone-Modell – damals die vorsichtige Initialzündung für das europäische Nachkriegstheater, heute ein Meilenstein in der Theatergeschichte: so weit das Kopfnicken. Brecht und Chur - eine Amour fou. Aber ausgerechnet siebzig Jahre? Kopfschütteln also, es gibt üblichere Terminierungen.
1998 zum Beispiel, da wären fünfzig Jahre Churer «Antigone» und der hundertste Geburtstag Brechts aus Bündner Sicht glücklich zusammengetroffen. Wieso wären? Sind sie auch. Nur war das Stadttheater indisponiert. Im eigentlichen Sinne existierte es gar nicht, höchstens dem Namen nach. Denn schon 1992 war das Haus infolge eines kulturpolitischen Komplotts umgewandelt worden – von einer Spielstätte mit eigenem festen Ensemble in einen reinen Gastspielbetrieb. An ein vom Stadttheater initiiertes Fünfzig-Jahr-Jubiläum zu Ehren Brechts war damals nicht zu denken, zumal dem Haus jede Form von Eigenproduktion untersagt war. Die freie Churer Theaterszene...