House of Cards – politische Serien-„Realitäten“ à la Brecht und Shakespeare?
von Silke Riemann
Erschienen in: Recherchen 114: Fiebach – Theater. Wissen. Machen. (06/2014)
Assoziationen: Dossier: Bühne & Film Dossier: USA
Als unser Professor Joachim Fiebach – meiner Erinnerung nach noch zu DDR-Zeiten – von einer USA-Reise zurückkommend nicht etwa zuerst von New Yorker Off-Theater-Aufführungen erzählte, sondern von den vielen TV-Kabelsendern und der telegenen Inszenierung von Politikern im Wahlkampf, waren einige meiner Kommilitonen verwirrt: Was habe das denn mit Theater beziehungsweise Theaterwissenschaft zu tun? In Joachim Fiebachs Beschreibung mischte sich Neugier und Faszination mit einem gewissen Befremden auf eine Weise, die mich als Haltung eines Wissenschaftlers gegenüber dem, was er beobachtet und beschreibt, sehr beeindruckt hat. Obwohl ich aus dem Brecht-Theater (BE) kam, interessierten mich schon damals die sogenannten popkulturellen Phänomene mehr als das institutionalisierte Theater. So wandte ich mich nach meiner Promotion den TV-Serien zu, zunächst zum Geldverdienen, später auch als Dozentin.
Hierzulande wurde und wird ja immer noch eine gewisse Distanz zwischen E(rnster)- und U(nterhaltungs)-Kultur gepflegt, wobei insbesondere die Vertreter der ersteren gern „Phänomene konstatieren“, die sie niemals zur Kenntnis genommen haben. Allein die Tatsache, dass ein Werk populär ist, scheint Beweis genug für seine intellektuelle und emotionale Oberflächlichkeit oder für eine absichtlich hergestellte „leichte Bekömmlichkeit“ als Anpassung an den „Massengeschmack“ – was auch immer das sein mag. So wurde auch das erzählerische Potential von TV-Serien lange Zeit unterschätzt,...