Auftritt
Vorarlberger Landestheater: Identitätscollage gegen das Vergessen
„Wunsch und Widerstand“ von Thomas Arzt (UA) – Regie Stefan Otteni, Bühne und Kostüme Matthias Strahm
Assoziationen: Theaterkritiken Österreich Stefan Otteni Vorarlberger Landestheater

Rechts vorm Portal ein klimpernder Barpianist, links eine Theke mit Barkeeper und dazwischen, auf einem Stuhl an einem Kneipentisch: ein angejahrter Herr im Anzug, der vor dem Mann hinterm Tresen sein Leben ausbreitet. In schlaglichtartiger Szenenfolge läuft es noch einmal ab, eingefasst vom Theaterportal der Bühne wie eine Binnenerzählung innerhalb der Rahmenhandlung. Das ist die kompositorische Grundanlage von „Wunsch und Widerstand“, diesem als „Überlebensgeschichte“ klassifizierten Theaterstück über den in Feldkirch südlich von Bregenz geborenen Anwalt, Autor und KZ-Häftling Max Riccabona (1915-97), das das Vorarlberger Landestheater bei Thomas Arzt in Auftrag gegeben hat.
Arzt hatte bereits vor drei Jahren an selber Stelle die komplexe Biografie der ebenfalls aus der Region stammenden Expressionistin und NS-Kulturfunktionärin Stephanie Hollenstein dramatisiert und darf spätestens seit seinem formidablen Roman „Die Gegenstimme“ über Anpassung und Widerstand im Nationalsozialismus als Spezialist für die literarische Aufbereitung des entsprechenden historischen Themenkomplexes gelten.
Wer eine Art Biopic für die Bühne über Max Riccabona erwartet hat, dürfte sich allerdings enttäuscht sehen. Schon Riccabona selbst war ein äußerst unzuverlässiger Erzähler seiner eigenen Vergangenheit, der Erlebtes und Erfundenes vermischte, um dabei wahrhaftiger Empfindung nahezukommen. Sozusagen ein Pionier des autofiktionalen Erzählens, das seit einigen Jahren zuverlässig Bestseller produziert. Das Stück von Thomas Arzt nun erweist...
Erschienen am 28.2.2023