Michael Lurse: Was geschah am 23. März 2020?
Anurupa Roy: Ich glaube es war ein Montag. Voran ging am Sonntag ein vollständiger Lockdown. Niemand verließ sein Haus, kein öffentlicher Verkehr fuhr, und dann kam plötzlich die Ankündigung, dass es einen permanenten Lockdown geben würde. Er sollte mindestens zwei Monate dauern. Man gab den Menschen vier Stunden Zeit, um sich vorzubereiten. In indischen Großstädten gibt es sehr viele Arbeitskräfte, die nicht ständig in der Stadt leben. Sie kommen aus den umliegenden oder aus entfernteren Dörfern und arbeiten als Tagelöhner. Als Fahrer, als Bauarbeiter, sie reinigen die Stadt und die Häuser der Menschen, sie stellen den gesamten Dienstleistungssektor, der wirklich groß ist. Plötzlich wurde klar, dass es sich dabei um einige Millionen Menschen handelte und durch den plötzlichen Lockdown gerieten sie in Panik. Sehr viele von ihnen wurden arbeitslos und von ihren Vermietern vertrieben. Sie hatten nicht genug Geld, um weiter in den Städten zu leben. Also packten sie Kinder, Tiere und alles, was sie besaßen, und machten sich zu Fuß auf den Weg. Es gab keine Züge, keine Busse, keine Taxis, keine Autos. Keiner von uns wusste davon, bis wir uns aus unseren Häusern wagten. Ich musste Lebensmittel besorgen, aber ich...