Herr Klammer, als wir Sie fragten, ob Sie Zeit und Lust hätten, mit uns über die aktuelle Theaterkrise zu sprechen – über die Fälle von Rassismus, Sexismus und Machtmissbrauch, die gerade an vielen Häusern publik wurden – waren Sie erst einmal zögerlich: Nein, meinten Sie spontan, Lust hätten Sie eigentlich nicht. Warum nicht?
Mir geht es in dieser Debatte zu sehr um einzelne Personen, um Macht und Parteilichkeiten. Die Dinge, die mich am Theater interessieren – eine gemeinschaftliche Perspektive und, vor allem, Inhalte – kommen mir gerade zu wenig vor.
Was meinen Sie mit „Parteilichkeiten“?
Im Theater findet zurzeit eine Art Lagerbildung statt. Auf der einen Seite haben neue Strömungen wie #MeToo oder Black Lives Matter dazu geführt, dass endlich auch Positionen jenseits der weißen Mehrheitsgesellschaft Gehör finden: Stimmen von PoC und BIPoC, aus der schwarzen Community oder von Menschen mit Migrationshintergrund, die Teil der Gesellschaft sind und in ihr sozialisiert wurden, deren Perspektiven bis jetzt aber trotzdem kaum vorkamen. Dass sich das gerade ändert, ist mehr als überfällig! Und auf der anderen Seite gibt es diese Strukturen von meist weißen, schon etwas älteren Intendanten, die sich vielleicht in die Ecke gedrängt fühlen, weil jetzt – um es mal auf...