Wolfgang Utzt – In Masken geht die Zeit
von Bernd Kauffmann
Erschienen in: In Masken geht die Zeit – Das Werk des Maskenbildners Wolfgang Utzt (08/2010)
Assoziationen: Kostüm und Bühne Akteure Wolfgang Utzt
Wolfgang Utzt ist ein Meister der Maske. Er verfügt über eine Meisterschaft, die selten geworden ist an den Theatern dieses Landes. Über dreißig Jahre hat er still und ohne viel Aufhebens um sein Tun dem Deutschen Theater eine Kunst geschenkt, die alles andere ist als flüchtiges Handwerk oder eilfertig dienende Geschicklichkeit.
Durch die Zeitläufte hat der Mensch Utzt Gesichtermasken von bestürzender Eindringlichkeit geschaffen, bei deren erster Präsenz es einem den Atem verschlägt. Schminkend und maskenbildend hat er alle Figurationen des Menschlichen durchbuchstabiert. Seine Arbeiten sind allesamt und jede für sich dramatische Artikulationen der Befindlichkeit, atemberaubend beklemmende Projektionen des Innen und Außen.
Utzts Werk, das heute vom Berliner Stadtmuseum behütet wird, ist ein Steinbruch von Figurinen, Charakter- und Gesichtermasken. Sie haben oft genug dem Lärm und dem Flüstern der Akteure, ihren Gesten und Worten erst ihren unverdunkelten Sinn gegeben. Und wäre der Begriff „Maske“ nicht schon durch eines Boxers Namensgewicht und durch Carl Sternheims „Trilogie“ aus eines Spießers Traumland vernutzt und verbraucht, Wolfgang Utzt hätte es verdient, dauerhaft das Wort „Maske“ seinem Familiennamen hinzugefügt zu sehen. Denn mit ihm war stetig einer am Werke, der das Gesetz der Bühne im Blute hat.
Wolfgang Utzt hat nie geklügelt oder getüftelt. Seine Arbeiten hatten schon im ersten Zugriff Eigenleben und unbestechliche Ausdruckswahrheit, sie setzten im Chorwerk eines Stückes ihren eigenen unverzichtbaren Wert. Alle seine Arbeiten – sorgfältig gefertigt wie eine dramatische Fuge – rückten dem Schauspieler ebenso direkt auf die Haut wie sie in der logischen Sekunde seiner Berührung zurücktraten, um das dramatische Gewicht dem Spiel und Diktum des Protagonisten zu überlassen. So gesehen haben seine Masken den Lauf der Dinge nie gehemmt, sondern immer nur aufs Klügste befördert.
Als „Diener zweier Herren“ war Utzt ein stetig kreativer Wanderer zwischen Regiepult und Werkstatt. Und dass es ihm mehr als einmal gelang, den mürben Faden eines Stückes durch seine Schmink- und Maskenkunst hochzureißen, um durch sein Tun der bloßen Darstellerkraft die noch fehlende Eigenart und Wirkkraft zuzuliefern, kann nicht hoch genug bewertet und bewundert werden.
So wird es auch verständlich, dass manche mit ihm einen Szenenmagier am Werke sahen, wenn er durch sein stilles Tun einer verwaisten Regie den dramatischen Weg wies. Ohne – wie am Theater durchaus nicht unüblich – jemals von ich- und selbstbezogener Besessenheit heimgesucht worden zu sein, hat Wolfgang Utzt dem deutschen und Deutschen Theater als zuinnerst Beteiligter eine Maskenkunst geschenkt, die mehr verdient, als nur in einer Ausstellung und einem Buch gewürdigt zu werden. Und wenn schon nicht das Theater, die Menschen werden es ihm danken.