Theater der Zeit

I. Grundlagen von Ausbildung und Beruf

Das Bühnenkostüm

Aspekte seine historischen Entwicklung

von Julia Burde

Erschienen in: Lektionen 6: Kostümbild (06/2016)

Assoziationen: Kostüm und Bühne Theatergeschichte

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Établir le costume – das Kostüm im Wandel seiner Bedeutungen

Vielfältig und faszinierend sind die Möglichkeiten, wie Kostüme entstehen und wie sie ihre Wirkungen entfalten. Ob als Objekte mit ästhetischem Eigenwert oder im szenischen Kontext – entscheidend ist die Verbindung von Kostüm und Körper.

Theaterfiguren entstehen erst mit dem Bühnenauftritt, mit der szenischen Präsenz im Raum, im Licht, im Zusammenhang der Inszenierung und vor Publikum. Wird es bespielt, wandelt sich das Kostüm vom textilen Objekt zur Körperoberfläche der Figur.

Wahrnehmung und Deutung des Kostüms und seiner Wirkungen sind epochenspezifisch. Jede Epoche der Theatergeschichte nimmt das Kostüm anders wahr als die vorige. Dieser Wandel bildet den Kern der historischen Entwicklung des Kostüms und ist das Leitmotiv der Ausführungen zu seiner Geschichte in diesem Beitrag.

Diese wechselnden historischen Haltungen zeigen die Komplexität und auch die Andersartigkeit des historischen Theater- und Kostümdenkens und machen im Gegenzug die Zeitgebundenheit auch des heutigen Kostümdenkens sichtbar. Ein prägnantes Beispiel ist die Formel „établir le costume“1, die aus dem französischen Barocktheater des 17. Jahrhunderts stammt. Hier wird das Schauspielen im Kostüm als Spielen des Kostüms verstanden. Das Kostüm „etablieren“ meint das „Definieren“2, das überzeugende schauspielerische Erfassen und Entfalten einer Rolle oder Figur. Schauspieler hatten sich offenbar in ihrer Darstellung direkt auf ein vorgegebenes Kostüm zu beziehen und dessen rollentypische Vorgaben zu erfüllen. Der barocken Auffassung nach erscheint das Kostüm als Synonym des Rollencharakters gemäß den Vorgaben eines Typus wie Held, Narr oder Königinwitwe, um nur ein paar Beispiele herauszugreifen. 

Heute wird eher vermieden, dem Kostüm stereotype Gestaltungen oder Funktionen zuzuordnen. Es gilt im weitesten Sinne als Medium des Ausdrucks inszenierungsspezifischer Perspektiven auf eine Figur. Doch so fremd die mit der Formel „établir le costume“ verbundenen Vorstellungen dem modernen Verständnis von Kostüm sein mögen, die Idee der Untrennbarkeit von Kostüm und Figur bleibt eine auch heute noch gültige Essenz des Kostüms.

I. Definitionen

Gegenstand des folgenden Beitrags wird es sein, den Wandel der Bedeutungen des Kostüms näher zu erläutern. Zunächst wird die begriffliche wie inhaltliche Differenzierung von Kleidung, Mode und Kostüm entwickelt. Darauf aufbauend werden Einblicke in den historischen Wandel der Vorstellungen zur Kostümierung gegeben, deren markante Wendepunkte und Umbrüche im Verständnis von Kostüm und in der Kostümpraxis besonders herausgehoben werden.

Kostüm, Mode und Kleidung

Die Begriffe Kostüm, Mode und Kleidung sind hinsichtlich der Phänomene, die sie bezeichnen, klar voneinander unterscheidbar. Während mit Kostüm und Mode spezifische Bekleidungs-Praktiken gefasst und unterschieden werden, bezeichnet der Begriff Kleidung das textile Material selbst. Laut Duden verweist die Silbe klei direkt auf die Tuchherstellung, denn sie bezieht sich auf die Tonerde, die früher als Zusatz des Tuchwalkens verwendet wurde. Kleidung ist „das mit Klei Gewalkte“.3 Noch deutlicher wird dieser Bezug in den fast identischen englischen Bezeichnungen cloth für Stoff und clothes oder clothing für Kleidung. 

Der Begriff Mode geht zurück auf modus (Art und Weise) und bezeichnet eine temporäre Art und Weise, sich zu kleiden. Modestile zeigen sich in Gestaltung, Zusammensetzung und Trageweise der Kleidung. Durch modische Kleidung werden zeit- und kulturspezifische Normen des Geschmacks und Verhaltens auf den Körper übertragen. Mode wandelt sich ständig. Insofern wird Modekleidung von beständigeren Bekleidungsformen wie Tracht, Uniform oder Arbeitskleidung unterschieden. 

Kostüme stehen zu allen Zeiten mit Kleidung und Mode in engster Verbindung, denn sie sind Teil der Bekleidungskultur und unterliegen den ästhetischen und distinktiven Maßstäben, die die zeitgenössischen Moden vorgeben. Zudem wurden Kleidungsstücke des Alltags als Bühnenkostüme verwendet, gelangten so die Moden auf direktem Weg auf die Bühnen. Ein historisches Beispiel für diese Praxis ist eine Männerjacke aus dem Rokoko, die in der Comédie Française bis heute in Stücken des 18. Jahrhunderts eingesetzt wird. Die komplexen soziokulturellen Kontexte und Funktionen von Kleidung und Mode wirken auf Kostüme, ihre Gestaltungen, Funktionen und Bedeutungen zurück. 

„[…] und um im Vorfeld die üblichen simplifikatorischen Annahmen zurückzuweisen: nur im sekundären Sinne hat [Bekleidung] überhaupt etwas mit Schutz zu tun – weniger mit Schutz vor klimatischen Bedingungen, als vielmehr mit der Einbindung des menschlichen Körpers in Prozesse der Disziplinierung, Erziehung, Ästhetik, Kommunikation, Medialität und Verbildlichung.“4

Kleidung und Mode aller Epochen sind Medium, Ausdruck und zugleich Resultat des Gesellschaftlichen. Eine der wesentlichsten Funktionen von Bekleidung ist die soziale Kennzeichnung. Die Art und Weise, wie Kleidung über die soziale Identität ihrer Träger Auskunft gibt, wandelt sich mit den historischen Veränderungsprozessen der Kulturen und Gesellschaftsformen.

In den feudalen Ständegesellschaften sind Rangbezeichnungen und Sichtbarkeit der Standeszugehörigkeit primär, gewährleistet durch Reglements der Kleidergesetzgebungen. Im bürgerlichen 19. Jahrhundert trennt die Kleidung die Geschlechter und richtet die Statusdemonstration durch Kleidung nach dem Gendersystem aus. So kommt es zu einer Dichotomie überdekorierter Frauen- und unauffällig-schlichter Männermode. Zudem wird Kleidung – nach dem Ende der feudalen Kleidergesetze – zum Ausdrucksmittel persönlicher Gesinnung. Moderne Streetstyles und Antimoden nutzen die Möglichkeit, durch Codierung von Bedeutungen in der Kleidung komplexe Selbstaussagen zu machen. 

Diese jeweils epochenspezifischen Kleidercodes werden in Kostümen zur Kennzeichnung und Kommentierung von Figuren wirksam. Ihr spezifischer Einsatz in der Bühnenkleidung stellt zugleich eine Verbindung wie eine Differenz zwischen Kostüm, Alltagskleidung und Mode dar. So versteht der Wiener Theaterwissenschaftler Joseph Gregor (1888 – 1960) das Kostüm als „von der Mode emanzipierte“ Kleidung mit „Eigenbedeutung“. Kleidung mit „voller Eigenbedeutung“ ist nach Gregor alle kultisch-religiöse oder durch Kunst hervorgebrachte Kleidung, zu der auch das Bühnenkostüm zu zählen ist.5

„Das Kostüm […] ist die bewußt angewandte Tracht. […] Im Kostüm […] liegt ein Begriff vor, der gestattet, die Kleidung bewußt zu wählen, sich selbst also außerhalb des historischen Ablaufs zu stellen, der Kleidung aber Eigenbedeutung zu geben.“6

Kostüme haben demnach die Kraft, den Körper aus seiner sozialen, kulturellen und zeitlichen Gebundenheit zu lösen, indem sie mit der Übertragbarkeit von Kleidercodes spielen. Ein historisches Kostüm kann den Schauspieler in eine ferne Epoche versetzen, ein Ornat ihn zum König machen und ein junger Schauspieler kann sich durch Kostümierung, Maskierung und durch seine Spielweise glaubhaft in einen Greis verwandeln.7

Das Kostüm wird für einen individuellen Körper entworfen, es ist substantieller Teil einer Bühnenfigur und ist so an eine spezifische Theaterinszenierung gebunden. In dieser Hinsicht unterscheiden sich Kostüme grundlegend von Alltagskleidung oder Mode, deren Entwürfe immer einen übergeordneten Körper implizieren. 

Mit dem individuellen Körper, für den es entworfen und gefertigt wurde, verschmilzt das Kostüm szenisch zu der einen Theaterfigur, deren Hervorbringung seine wesentliche Bestimmung ist. Dennoch ist Kostüm von Mode nicht trennbar. Dies zeigt schon die bis ins 20. Jahrhundert bekannte zweifache Bedeutung des Begriffs Kostüm: Der Begriff bezeichnete Bühnenkleidung, zugleich aber auch ethnische, national- oder epochenspezifische Bekleidungsweisen. 

Nach Ingrid Loschek ist Kostüm etymologisch abgeleitet von dem lateinischen Wort „consuetudo“ für „Gewöhnung, Gewohnheit“.8 Kostüm bezeichnet also „das Übliche“ in der Kleidung. Das italienische Wort „costume“ wird im 18. Jahrhundert zu einem Synonym für die Gesamtheit des Erscheinungsbildes einer bestimmten Kultur oder ethnischen Gruppe. Kostüm bezeichnet demnach auch die Bekleidungsstile von Gesellschaften vergangener Epochen. 

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts etabliert sich der Begriff „costume de théâtre“ zuerst in Frankreich. Hintergrund ist ein damals neues Interesse an der „historischen Wahrheit“ („vérité historique“). In der gemeinsamen Bezeichnung „costume“ für Bühnenkostüm wie für Bekleidung zeigt sich die Gleichsetzung von Theaterkostümierung mit Kleidung und Mode vergangener Epochen als Effekt dieses barocken Historismus. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist der Begriff „Costüm“ auch in Deutschland verbreitet. Kostümbezeichnet seither auch jede Bekleidung und Kostümierung in einem erkennbar historischen Stil. Anfang des 20. Jahrhunderts spricht man vom Stilkostüm, wenn die Gestaltung des Bühnenkostüms gleichzeitig mehrere unterschiedliche Stilmerkmale historischer Moden vereint. 

Raum

Als textile Hülle und Raumskulptur wirkt insbesondere historische Bekleidung formend auf den Körper ein und begrenzt seine Bewegungen. Ein Reifrock erweitert den Körper in den Raum hinein, ein Korsett komprimiert ihn. In ihrem Text „Der modische Körper als Raumskulptur“ schreibt Gertrud Lehnert: „Mode […] erweitert den menschlichen Körper und gibt ihm eine fiktionale dreidimensionale Form.“9

Mit der Räumlichkeit des bekleideten Körpers korreliert seine Bewegungsweise. Wie jede Kleidung können Kostüme spezifische Bewegungsmuster erzeugen, indem sie Bewegung ermöglichen oder verhindern. Theaterspezifisch jedoch ist die konzeptionelle Verknüpfung von Kostüm und szenischem Raum, die semantische wie räumliche Dimension des Kostüms als Brücke zwischen Körper und Raum. So wandeln sich die Bedeutungskontexte des Bühnenkostüms mit den Raumkonzepten von der Arena zur Simultanbühne, von der Kulissenbühne zum modernen Tiefenraum bis hin zu virtuellen Räumen, die durch moderne Beleuchtungs- und Projektionstechnik entstehen.

„… das Kostume fordert die besondere Haltung …“10

Die Bedeutung, die die Verbindung von Kleidung, körperlichem Gestus und Verhaltensnormen in ihrer Historizität für Kostümierung und Spielweise hat, war schon den Zeitgenossen des späten 18. Jahrhunderts bewusst: Der Schauspieler und Berliner Theaterdirektor August Wilhelm Iffland (1759 – 1814) wurde in seiner Jugend von einem Tanzmeister unterrichtet. Von diesem Kenner aristokratischer Leiblichkeit lernte Iffland das Zusammenspiel von Bekleidung und Bewegung. In seinem Artikel „Ueber das Kostume“ schreibt er später: „Der deutsche Edle in der Manteltracht von 1550, mit den weiten Beinkleidern, den pauschigten Aermeln, dem hohen Federhuthe, kann nicht den Gang unserer Tage haben. Sein Gang ist alsdann der Kleidung, die Kleidung seinem Gange hinderlich.“11 Iffland weiß, dass epochenspezifische Bewegungsweisen und Verhaltensnormen in der Kleidung gespeichert sind und durch diese auf den Körper übertragen werden: „Das Kostume ist Theil des Anstands. Mehrentheils giebt der Stand es an und das Kostume fordert die besondere Haltung, welche seine Deutung oder die Zeit, wo es als geltend angenommen ward, bestimmt.“12

Masken und Maskierung

Während Schminkmasken der Anatomie des Gesichts direkt aufliegen, können gebaute Masken je nach Material eine von der Physiologie des Gesichts unabhängige Form entwickeln. Holz- oder Ledermasken sind meist starr und haben nur punktuelle Berührung mit dem Gesicht. Allenfalls mechanische Vorrichtungen ermöglichen die Beweglichkeit einzelner Segmente der Maske. Traditionell sind Masken Indikatoren der Rollenmerkmale und lassen diese zugleich zum unveränderlichen Typus erstarren. Seit der Differenzierung der Typenrepertoires im griechischen Theater können Masken jedoch gerade auf die individuellen Merkmale einer Rolle hinweisen. Masken ermöglichen augenblickliche Identitätswechsel, ein „inneres Identischwerden mit der Maske“13 widerspricht dem Prinzip der Maskierung. 

Wie Kostüme zeigen Masken den sozialen Status, das Alter und das Geschlecht der Figur. Oft zeigen Masken auch eine – wenn auch statische – psychische Verfassung der Figur. Schauspieler waren bis zum 17. Jahrhundert meist Männer. Rollengeschlecht und Geschlecht des Schauspielers stimmten demnach oft nicht überein, sodass der überzeugenden Geschlechtsbestimmung der Figur durch Masken und Kostüme große Bedeutung zukam. Zugleich zeigt dies aber auch eine Distanz zwischen Rolle und Darsteller, die für das Theaterverständnis vergangener Epochen kennzeichnend ist.

Charaktermasken der attischen Komödie. Polternder Vater. Zorniger Alter. Schmarotzer

Die Ausdrucksmöglichkeiten einer Maske hängen nicht zuletzt auch mit ihrer Bauweise zusammen. Man unterscheidet Vollmasken von Halbmasken. Der bewegliche Unterkiefer der japanischen Vollmaske, wie sie im Nô-Theater verwendet wird, fehlt bei europäischen Halbmasken meist. Ein Beispiel sind die Halbmasken der Commedia dell’Arte. Hier wird die Halbmaske erst durch Augen, Unterkiefer und Kinnpartie des Schauspielers zur spielbaren vollständigen Maske, braucht die Bewegungs- und Ausdrucksmöglichkeiten des menschlichen Unterkiefers beim Sprechvorgang.

Vollmasken gehören zu den archaischen Maskentypen, sie stehen für die Vorbestimmtheit einer Figur und definieren den Rollentypus ohne Entwicklungsmöglichkeiten.14 Die Gestaltung der antiken Vollmasken bezieht sich kaum auf die Anatomie des Schauspielers. So wird die Distanz von Schauspieler und Rolle herausgestellt, die im japanischen Nô-Theater bis heute zu beobachten ist. „[Im Nô-Theater] ist es bei den Masken nicht wichtig, daß sie wie eine Haut dem Gesicht aufliegen. Die Masken sind dort Funktionen eines übergeordneten Zwecks, deshalb gehen sie nicht auf die Anatomie der Darsteller ein und berühren ihr Gesicht nur an zwei oder drei notwendigen Kontaktstellen. […] Die antike Maske war ebenfalls nicht geschaffen, sich einem Gesicht anzupassen. Kostüm und Maske hielten sich nicht an das Maß des menschlichen Körpers.“15 Vollmasken entfalten ihre Eigenwirkung durch Loslösung vom Willen des Schauspielers. Ausgefeilte Spieltechnik und Wirkungen von Licht und Schatten auf ihren Oberflächen hauchen den Masken Leben ein. „In der Entwicklung der griechischen Maske zur römischen und zu der des Karnevals bis hin zur Maske der Commedia verändert die Maske sich ebenso, wie sich die Gedanken der Menschen veränderten, ihre Stellung zur Natur, zu den Dingen, zur Gesellschaft, zu sich selbst und zu Gott. Im Verlauf der Geschichte beginnt sich die menschliche Psyche aus einer Starrheit zu lösen und wird zum Gegenstand des allgemeinen Interesses. Die Maske ist Bildnis von Fehlern und Mängeln eines Charakters und sogar einer Epoche. Die Maske wird menschlicher, sie verläßt die kalte Umarmung der klassischen Statue, nähert sich dem Humanitätsideal […]. Die Gesellschaft stellt sich […] selbst dar.“16

II. Zur historischen Entwicklung des Kostüms

Die folgenden Einblicke in historische Episoden, Meinungen und Ideen zum Kostüm können kein vollständiges Bild der Kostümgeschichte entwerfen, vermitteln jedoch einen Eindruck, was zeitspezifisch unter Kostüm verstanden wurde und wie sich dieses Verständnis wandelte. 

Grad der Stilisierung

Joseph Gregor leitet die Gestaltung eines Kostüms von seiner „Stilisierung“, d. h. seiner stilistischen Entfernung von der Alltagskleidung seiner Zeit ab. „Wir vermögen in jedem Falle immer nur die in eine bestimmte Richtung eilende Stilisierung zu erblicken, die das betreffende Bühnenkostüm […] aus dem Zeitkostüm herausheben möchte und ihr auf diese Weise schließlich den vollendeten Sinn eines typischen Kleides, einer Einform verleiht.“17

Der Grad dieser Stilisierung ist epochenspezifisch. Die Stilisierung ist also eine Möglichkeit, die spezifischen ästhetischen Programme der Epochen voneinander zu unterscheiden und zugleich deren Entwicklungsverlauf nachzuvollziehen. Mit dieser Bestimmung ihres Stilisierungsgrades werden die folgenden Abschnitte zu den Epochen von der Antike bis zum 19. Jahrhundert jeweils eingeleitet.

Antike

Der Grad der Stilisierung des textilen Teils antiker Bühnenkostüme scheint im Vergleich mit den folgenden Epochen eher gering, stimmt hinsichtlich Farben und Gewandformen weitgehend mit der Alltagskleidung überein. Abweichungen zeigen sich vor allem im „Plastischen“18, d. h. in der Veränderung der Körperproportion durch überweite Ärmel oder übergroße Stülpmasken.

Römische Schauspieler studieren ihre Rollen

Ein Kostüm für mehrere Rollen – die Kostümierungsformel für das antike griechische Theater

Das antike griechische Theater fand unter freiem Himmel statt. Durch Vergrößerung der Köpfe und Körper der Akteure dienten Masken und Kostüme der Fernwirkung der Figuren. „Die Schauspieler der griechischen Tragödie trugen prachtvoll-farbige, oft kostbar bestickte Gewänder und Stiefel […], dazu die Maske aus hellem Holz, auch versteifter Leinwand. Diese Stülpmasken passten sich nicht dem Gesicht an, wie überhaupt die Kostümierung sich nicht an das Maß des menschlichen Körpers hielt. Die Polsterung der Gewänder, der Kopfschmuck […] betonten ihre Größe in den riesigen Freiluft-Theatern.“19

Das Spiel mit einer Stülpmaske unter freiem Himmel verlangte große Stimmkraft, „[…] so daß man dazu überging, ihr teilweise eine trichterförmige, lautsprecherartige Mundöffnung als künstliche Verstärkung der Stimme zu geben.“20 Der stimmliche Ausdruck hatte zudem die von den Masken verdeckte Mimik zu ersetzen. Das griechische Theater verfügte über ein differenziertes Spektrum von Maskentypen.21 In der Spätzeit der griechischen Tragödie im 2. Jahrhundert n. Chr. lassen sich 28 tragische Masken unterscheiden: „[…] 6 alte Männertypen, 8 junge Männertypen, 3 Sklaventypen, 11 Frauentypen. Hinzu kommen noch 44 Maskenarten der Komödie, ebenfalls unterteilt nach alten und jungen Männern und Frauen, sowie Sklaventypen.“22

„Im Jahre 534 v. Chr. gab es in Athen bereits drei Unterhaltungsformen: Die Tragödie, das satyrische Drama und die Komödie, um die sich verschiedene Maskenarten bildeten.“23 Den Tragödienaufführungen folgten meist Satyrspiele, in denen die Schauspieler ihre zuvor getragenen Kostüme beibehielten. Die textile Kostümkleidung war demnach nicht in jedem Fall rollenspezifisch. Folglich war man zur Bezeichnung des Rollentypus sowie der Rollenwechsel auf Masken und Attribute angewiesen. Dies gilt insbesondere für den Chor. Je nach Stücktypus bestand er aus mehr als zehn bis über zwanzig Sängern, die kommentierend die Handlung begleiteten, wobei sie synchron sprachen bzw. sangen und agierten wie einePerson. 

In der Spätzeit „wendet sich die Tragödie inhaltlich von der Darstellung großer Staatsereignisse immer mehr der Darstellung von Gefühlskonflikten einer Einzelperson zu, wobei der Chor mit der Zeit verschwindet.“24

Die Kostüme des antiken griechischen Theaters basierten zwar auf der Alltagskleidung, wichen in Details jedoch deutlich ab. Kostümspezifische Trageweisen – wie die Überlänge der Gewänder sowie die in der griechischen Alltagskleidung unüblichen langen Ärmel – zählten zu den wesentlichsten Unterscheidungsmerkmalen. „Der Pädagoge, der […] einen Himation25 trägt, ist an seinem Krummstab zu erkennen. […] Anders begegnet uns der Typ des Pädagogen im Theater. Hier schrieb offensichtlich die Rolle einen Chiton26 mit langen Ärmeln vor, dazu einen Mantel und Schaftstiefel. Meistens tritt er bärtig und kahlköpfig auf, wobei er immer den charakteristischen Krummstab in Händen hält.“27

Satyr mit übergroßem Bühnenphallos und Stülpmaske in kurzem Chiton

Der Chiton ist das gebräuchlichste Bühnenkostüm, in Tragödie wie Komödie lang und mit sichtbarem Gürtel getragen. Folglich fehlt der alltagsübliche – „kolphos“ genannte – Gewandbausch, welcher sich in der Regel zwischen Brustbereich und Gürtung befand und den Gürtel vollständig verdeckte. In safrangelb – „krotokos“ genannt – charakterisiert der Chiton die Frauenrollen und die Dionysos-Figuren. „Erst im 5. Jahrhundert kommt ein spezielles Bühnenkostüm für Heroen und Götter hinzu, das ‚smyrna‘ genannte Festgewand.“28

Im Satyrspiel „traten die Choreuten […] als durch Tierohren und Schwänze gekennzeichnete, pferdeähnliche Gestalten (silene) auf und trugen stülpnasige und häufig glatzköpfige Masken. Der Chorführer, der Vater der Satyrn (pappo silenos), war durch ein weiß behaartes Trikot und eine grauhaarige Maske hervorgehoben.“29 Die Kostüme der Komödien zeigten drastisch wirkende Körpermodellierungen. Ein übergroß gepolsterter Hintern und ein dicker Bauch (somation) charakterisierten die in Komödien häufigen Zecher und Trinkbrüder (komasten). Typisch für die Komödie ist der kurze Chiton der körperlich arbeitenden Unterschichten und Sklaven, denn in der Komödie war es üblich, mit einem übergroßen Bühnen-Phallos aufzutreten. Unter dem sehr kurzen Saum des Komödien-Chiton „blieb der große Bühnenphallos sichtbar.“30

Pallium und Toga im römischen Theater

Das römische Publikum erkannte die Rollen an den ihnen zugeordneten Kostümfarben: alte Männer waren weiß, junge Charaktere waren stark farbig und bunt kostümiert. Prostituierte trugen gemäß der realen Kleidergesetzgebung auch auf der Theaterbühne gelbe Kleidung, üble Charaktere wurden durch Beschädigungen an der Kleidung markiert.31

„Die Schauspieler und Declamatores aller Gattungen des römischen Theaters trugen prächtige, stilvoll-repräsentative Gewänder. Dagegen traten die in Rom spielenden Akteure des Mimus [einer aus Sizilien stammenden alten Form der Stegreifkomödie] in Alltagskleidern auf. Die komischen Figuren waren durch den centunculus gekennzeichnet, ein besonders armseliges Kleid (und nicht, wie früher angenommen wurde, ein buntfleckiges Narrenkostüm). Der besonders beliebte Clown stupidus trug einen spitzen Hut (apex, nach welchem er auch apiciousus hieß).“32

Doch nicht nur Farben oder Zustand, sondern auch die territoriale Zuordnung der Alltagskleidung wurde in römischen Theaterkostümen zur Kennzeichnung des Rollentypus eingesetzt, denn die Theaterstücke wurden nach ihren Schauplätzen in italische oder griechische Szenarien unterschieden. Figuren der „fabula palliata“ in griechischer Szenerie tragen das Pallium, den einfachen Schultermantel der Reisenden, Reiter, Soldaten oder Hirten. Die römische Toga – das aufwendig drapierte Mantelgewand der männlichen römischen Bürger – ist der verbindliche Kostümtypus der „fabula togata“, der Theaterstücke in heimischer italischer Szenerie. Die diesen Stücktypus bestimmenden Zusatzbezeichnungen – palliata von Pallium oder togata von Toga – bezieht sich auf die territoriale Codierung, welche den Kleidungsstücken im Alltagsgebrauch zugeordnet wurde. So kleidete das Pallium die ortsungebunden Umherziehenden oder Zugereisten, die Toga hingegen kennzeichnet ihren Träger als Inhaber des römischen Bürgerrechts und sesshaften Repräsentanten des römischen Territoriums und Staatswesens. Dieser territorialen Kennzeichnung kam in der römischen Kultur große Bedeutung zu, denn wo römische Bürger lebten, war der römische Staat präsent, unabhängig von der geografischen Lage. Wie die Griechen, sahen auch die Römer in der eigenen Kultur den Gipfel der Zivilisation, die es in den eroberten Gebieten zu etablieren galt. In der territorialen Bezeichnung des szenischen Personals im Kostüm spiegelte sich dieses Selbstverständnis.33

Mittelalter

Die Epoche des Mittelalters kennzeichnet eine deutliche Tendenz zur Stilisierung. Kostüme wichen nun auf den ersten Blick sichtbar von der Alltagskleidung ab. „Vom ausgehenden Mittelalter ab läuft demgegenüber das Bestreben, das Bühnenkostüm durch Form und Farbe auszuzeichnen […] durch Elemente äußerster optischer Auffälligkeit (Federn, Blätter, Helmbüsche, Ornament usw.)“.34

Fabelwesen im spätmittealterlichen Theaterspektakel: Entwurf einer Drachenfigur, Ende 15. oder Anfang 16. Jh.

Das mittelalterliche Kostüm ersetzt die Sprache

Wie die heiligen drei Könige an ihren Kronen, so waren auch alle übrigen biblischen oder allegorischen Figuren des mittelalterlichen Theaters an Kostümzeichen, Masken und rollenspezifischen Attributen erkennbar, die dem Publikum bekannt und daher für alle lesbar waren. Insofern hatte das Kostüm eine den Amtstrachten, Ornaten und der Berufskleidung vergleichbare Attribuierungs-Funktion. Die Zeichenhaftigkeit ihrer Attribute abstrahierte die Figuren selbst zum Zeichen.

Ab dem 10. Jahrhundert entwickelte sich das „Liturgische Drama“ oder „Passionsspiel“ aus der christlichen Liturgie. Die dramatische Form ermöglichte es, dem meist analphabetischen Publikum die wesentlichen Stationen des Lebens Christi zu veranschaulichen. Spielort war zunächst der Kirchenraum. Da die biblischen Handlungen in simultanen Szenen erzählt wurden, entwickelte sich eine „Badezellen-Bühne“ genannte Bühnenform mit drei durch Vorhänge separierten Bühnenräumen. Doch das mittelalterliche Theater brauchte bald mehr Raum. Insbesondere die Teufelsauftritte konnten im Freien wirkungsvoller präsentiert werden. So wurde der Marktplatz zum Spielort des Theaters.

Auch im mittelalterlichen Passionsspiel diente die Maske der Erkennbarkeit des Rollencharakters. „Hier findet die Maske […] ihren Platz ganz im Sinne christlich-dualistischer Weltanschauung als Verkörperung des Bösen. Auch bei anderen Figuren der Passionsgeschichte, die mit großem Kostümaufwand begangen wurden, kamen zwar Masken vor – Gott und Erzengel trugen goldene Masken – jedoch boten die Teufelsgestalten mit ihren tierhaften Komponenten (der Pferdefuß ist wohl eine Umformung des Satyrbocksfußes) die Chance, durch Identifikation mit ihnen Verdrängtes auszuleben.“35

Die Tiermaske repräsentiert die Unkontrollierbarkeit des dionysischen Rausches. Was in der Antike wertfrei als ein göttliches Prinzip seine Berechtigung hatte, wird im Mittelalter in der Tiermaske des Teufels stigmatisiert: „Wie die Dämonen der Volkssage erschienen sie als fellgekleidete Ungeheuer mit Hörnern, Schwänzen und Pferdehufen, und können sich, ihrer Verführer-Rolle gemäß, in allerhand weitere Gestalten, in Vornehme, Knechte, alte Frauen etc. verwandeln.“36 Die performative Präsenz des Teufels ist zugleich angstbesetzt und – wie in den heidnischen Fastnachtsbräuchen – mit zotigem Humor gepaart. „Immer waren diese Teufelsgestalten auch komisch und wurden wahrscheinlich mit der Zeit von Spezialisten, fahrenden Spaßmachern, gespielt.“37

Die Sujets der Passionsspiele entstammten dem Alten und Neuen Testament. Handlung und Figuren waren dem Publikum bekannt, Angaben zu Zeit, Ort oder Wetter zum Verständnis der heilsgeschichtlichen Handlungen nicht erforderlich. So hatten die Kostüme der biblischen Gestalten und Allegorien kaum Bezüge zum Realen, während Soldaten und Figuren aus dem Volk zeitgenössisch gekleidet waren.

„Die Kostüme […] mischen ganz unterschiedliche historische Formen und Stile und dienen ausschließlich zur Kennzeichnung der Funktion, welche die Figuren im vorgeführten heilsgeschichtlichen Ablauf innehaben. So sind die Heiligen mit Insignien der Geistlichkeit (wie Gottvater etwa mit päpstlichem Ornat oder der triumphierende Christus mit der bischöflichen Mitra), die allegorischen Gestalten, wie Kirche oder Synagoge, durch eine besondere Farbsymbolik herausgehoben. Die Übrigen sind nach zeitgenössischer Mode gekleidet und durch deren Standesmerkmale unterschieden. Pilatus erscheint als Landjunker, die Soldaten treten als Ritter auf, das Volk trägt die vorgeschriebene Berufskleidung der einzelnen Zünfte, die Juden sind in bürgerliche Gewänder gekleidet mit farbiger Markierung und spitz zulaufender Kappe.“38

16. bis 18. Jahrhundert

Seit dem Mittelalter zeigte sich die Tendenz, das Bühnenkostüm durch optische Stilisierung deutlich vom „Zeitkostüm“39 zu unterscheiden, wobei der Grad der Stilisierung zum Barock hin gesteigert wurde. Die Stilisiertheit der Kostüme in Mittelalter, Renaissance und Barock steht in einem direkten Zusammenhang mit der Entwicklung der Typuskostüme in Tragödie und Komödie. Im Typuskostüm des römischen Helden wie in den typisierten Charakteren der Commedia dell’Arte manifestierte sich die Stilisierung in einem vom Publikum wiedererkennbaren Kanon spezifischer Stilmerkmale, die untrennbar mit der Figur zum Typus verschmolzen und im Falle der Komödie zudem der grotesken, bisweilen satirisch kritischen Überzeichnung der Charaktere diente.

Szene eines aufwendig gestalteten höfischen Festes 1616: „Kopf-Ballett (Engländer, Schotte, Irländer, Franzose, alter Teutscher, Lappländer, Spanier, Polack, Mohr, Türke)“

Höfische Inszenierungen – Propagandamaschine der absolutistischen Macht

Unter dem Einfluss der italienischen Renaissance wurde der antike „Trionfo“ wiederentdeckt. Der inszenierte Einzug siegreicher Feldherren – schon in der Antike von kostümierten Gruppen, aufwendigen Schaubildern und großen Nachbildungen von Drachen begleitet – wurde nun zum Grundmotiv der absolutistischen Festkultur.40 Ballett, Gesang, Schauspiel und Musik steigerten den Glanz der höfischen Feste. Inszenierungen mit hunderten von kostümierten Akteuren und aufwendigsten Dekorationen überwältigten den Zuschauer und sollten ihn überwältigen. So wurde die Souveränität des Herrschers mit den Sinnen erfahrbar. Sein Machtanspruch erschien legitim. 

Masques – Propaganda am englischen Hof

Im 16. und 17. Jahrhundert entstand in den allegorischen Maskenspielen, den höfischen „Court Masques“, eine spezifisch englische Form der höfischen Selbstinszenierung. Die „Masques“ verbinden Dialog, Gesang und Tanz zu einer szenischen Idealisierung des Hoflebens. Mythologische Gestalten und Allegorien waren klassizistisch antikisierend kostümiert. Draperien, Wickelungen und hochsitzende Taillenlinien wichen deutlich von der zeitgenössischen elisabethanischen Mode ab. Königin Elisabeth I. (1533 – 1603) und ihre Nachfolger traten persönlich auf. Elisabeth wurde als übermenschliches Wesen mit magischen Kräften inszeniert, als Jungfrau, Feenkönigin oder Iris, Göttin des Regenbogens. Der Vogel Phoenix, die weiße Rose und das Hermelin waren dem Publikum bekannte Symbole der Stärke der Königin, ihrer Jungfräulichkeit und ihrer Treue zum englischen Volk. Sie tauchten als Motive in der Gestaltung der Kostüme, in Stoffmustern, Schmuckstücken, Kopfbedeckungen oder Masken auf. 

Nationale und religionsspezifische Typisierung – Das „Türkenkostüm“

Ein gängiger Kostümtypus war das „Türkenkostüm“. Im Nachklang der Kreuzzüge und unter dem Einfluss zeitgenössischer Begegnungen mit dem Osmanischen Reich etablierte sich im 16. und 17. Jahrhundert das „türkische“ Bühnensujet, welches auf Motive muslimisch-christlicher Konflikte zurückgreift. Der osmanische Sultanspalast ist ein beliebter Spielort der Stücke dieses Typus. „Türkische“ Kostüme mit Turbanen, Schleiern und orientalisierenden, oft gestreiften Gewändern dienten der Kennzeichnung nicht-christlicher Bühnenfiguren, während die „Christen“ an ihren römischen Kostümen als Repräsentanten westlicher Zivilisation erkennbar waren.41 Die „Türkenkostüme“ repräsentierten ein Interesse an exotischen Trachten, das mit dem Aufkommen der Trachtenbücher im 16. Jahrhundert korreliert, mit Kostümdarstellungen namhafter Künstler wie Holbein oder Dürer. Die Trachtenbücher stellten „die ersten autonomen Trachtenstudien [dar][…], das heißt, die Gewänder werden um ihrer selbst willen und nicht in funktionaler Bindung an ihren Träger präsentiert.“ Zunächst wurden Trachtendarstellungen von Hand gefertigt, ab dem Jahr 1560 auch gedruckt.42 Besonders beliebt waren Publikationen exotischer Kleidung aus aller Welt, je fremder umso interessanter. Denn erst in der Abgrenzung zur „fremden“ Kleidung traten die spezifischen Merkmale der „eigenen“ Kleidung deutlich hervor.

Beispiel für den Typus des „Türkenkostüms“ im Barocktheater

Professionalisierung des Kostümschaffens

Der große Aufwand des höfischen Theaters ergab eine Komplexität der gestalterischen und technischen Aufgaben, die nur noch Fachleute bewältigen konnten. Exemplarisch seien hier der italienische Maler, Architekt und Ausstatter Giuseppe Arcimboldo (um 1526 – 1593) und der englische Architekt Inigo Jones (1573 – 1652) sowie der Wiener Theateringenieur Lodovico Ottavio Burnacini (1636 – 1707) genannt. Arcimboldo war schon zu Lebzeiten bekannt und hochverehrt. Gian Paolo Lomazzo schreibt 1590 in Kapitel 38 der Idea del Tempio della Pittura: „[Kaiser Maximilian II.] lernte [Arcimboldo] so schätzen, daß er in allem nach seinem Urteil fragte und seinen Geschmack nach Arcimboldos Einschätzung richtete. Denn dieser Mann war wirklich einzigartig in seinen Erfindungen und vor allem in seinen Maskenzügen, so daß er bei den Hochzeitsfeierlichkeiten seiner Durchlaucht des Erzherzogs Karl, seiner Majestät Bruder, den Auftrag erhielt, sämtliche Festveranstaltungen zu gestalten und beim ersten Turnier hatte er den schönen und ungewöhnlichen Einfall, drei Könige auftreten zu lassen, die die drei Teile der Welt darstellten, Asien, Afrika und Amerika, um so die Prinzen des Hauses Österreich zu ehren. […] Von der anderen Seite ließ Arcimboldo ihnen Europa entgegenkommen, mit vier Figuren, die ihre vier wichtigsten Provinzen darstellten, nämlich Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland. Für Italien kam Erzherzog Ernst, für Spanien Erzherzog Rudolf, für Frankreich der Kavalleriemajor des Kaisers und für Deutschland der Kaiser selbst. Die Gewänder, die Insignien, Symbole und Begleiter dieser Personen zeigten und bedeuteten ihre jeweilige Provinz.“43

Figuren wie dieser „Bühnenzentaur“ zeigen die professionalisierte Ingenieurskunst des höfischen Theaters im 16. und 17. Jh.

Inigo Jones war der begabte Sohn eines Textilarbeiters. Weil er von einem Adeligen in Dienst genommen wurde, konnte er die damals bei Künstlern wie Adeligen übliche Tour durch Italien unternehmen. Seine umfassende Kenntnis des italienischen Stils brachte ihm 1604 ein Engagement am königlichen Hof Jakob I. Jones aktualisierte die Masques, indem er den Kostümtypus des römischen Helden etablierte und klassizistische Kostüme entwarf, welche die römische Stilistik mit Motiven pastoraler oder ländlicher Idylle verbanden. Um 1611 ließ Jones den Kronprinzen Henry of Wales in Oberon, The Fairy Prince als römischen Imperator auftreten und inszenierte ihn so als Hoffnung auf die glorreiche englische Zukunft, der jedoch durch den Tod des Prinzen 1612 ein jähes Ende gesetzt wurde.44

Lodovico Ottavio Burnacini war Hofkünstler am Hof Leopolds I. und hat mit den „Maschere“ eine vielbeachtete Sammlung von Kostümzeichnungen hinterlassen. Das Kompendium ist nach Rollencharakteren in einen „heroischen“ und einen „komischen“ Teil gegliedert. Arcimboldo, Inigo Jones und die „Maschere“ Burnacinis stehen am Beginn eines eigenständigen individuellen Kostümschaffens.45

Kostüme im Kerzenlicht

Das Sonnenlicht beleuchtet alles gleichermaßen hell. Doch die Inszenierungen der Feste und Opern verlangten den gezielten Einsatz von Beleuchtungseffekten. Daher fand die höfische Kultur des 16. bis 18. Jahrhunderts vor allem in Interieurs statt. Säle, Galerien und Theaterbühnen boten viele Möglichkeiten der effektvollen Inszenierung von Licht. Lüsterkristalle und Spiegel vervielfachten die Flammen hunderter Kerzen und farbiges Glas färbte das Licht.

Um die Wende zum 17. Jahrhundert wurden auch die Theaterbühnen mehrheitlich zu Innenräumen. Vorbild war das 1584 eröffnete Teatro Olimpico in Vicenza. Ausgeklügelte Beleuchtungssysteme maximierten die Lichtintensität der Kerzen und Fackeln. Dennoch konnte die Helligkeit des Tageslichts nicht erreicht werden. Die Kostüme waren weniger sichtbar und Farbwirkungen stark verändert. Blau wirke wie Schwarz, Grün wie Braun, so die Erkenntnis von Inigo Jones, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Innenraumbühne in England etablierte. Starke Farben mit wenig Wirkungsverlust im Kerzenlicht wurden zu bevorzugten Bühnenfarben, vor allem Weiß, Gelb, Scharlachrot und Orange.

Höfische Kostüme des 16. und 17. Jahrhunderts hatten dem Prunk der höfischen Kleidung zu entsprechen, wurden aus Samt, Brokat und Seide gefertigt und mit Hermelin gefüttert. Da die Kostüme von Theatertruppen jedoch meist selbst finanziert werden mussten – wie auch die Höflinge für ihre vorgeschriebene Kleidung selbst zu sorgen hatten – wurde zur Imitation des höfischen Prunks oft auf Ersatzmaterialien zurückgegriffen. So waren die römischen Muskelpanzer des 17. Jahrhunderts häufig aus Kupfer oder vergoldetem Leder, der Diamantenbesatz auf den höfischen Roben wurde für die Bühne durch Bergkristall ersetzt.

Hauptrollen waren meist Götter, Könige oder Feldherren. Dieser Analogie von dramatischem und sozialem Rang der Figuren entsprach die exakte hierarchische Kennzeichnung im Kostüm. Da das Tragen von Schleppen und Kronen ein königliches Privileg und ihr szenischer Einsatz daher heikel war, entwickelten sich andere Möglichkeiten einer solchen Kennzeichnung, so die Anzahl der Straußenfedern auf den „römischen“ Theaterhelmen: Drei Helmfedern kennzeichneten Hauptrollen, nachgeordnete Rollen hatten zwei oder eine Helmfeder. Um die Sichtbarkeit insbesondere der Hauptfiguren im Kerzenlicht zu verstärken, wurden die Kostüme mit Gold- und Silberspitze besetzt und mit Gold-, Silber- oder Kupferfäden bestickt. Spiegelnde Seide, glitzernde Diamanten oder glänzendes Metall reflektierten und verstärkten das Licht auf den Kostümen und ließen die Figuren erstrahlen wie die Sonne. In diesem Sinne beschreibt Diana de Marly das Ideal des unvermeidlichen Bühnentods des Helden als Sonnenuntergang: In glänzender goldener Rüstung mit zitternden Helmfedern und eingefallener Schleppe sank der Held langsam zu Boden.46

Barocker Bühnenheld in „römischer“ Rüstung, 17. Jh.

„The principal artistic ideal of the period was to look roman“47

Die Wiedergeburt der Antike war das Grundmotiv der Renaissancekultur und prägte auch das Theater. Um 1600 entstand die Oper als Rekonstruktion der antiken Tragödie. Antiken Säulen, Ruinen, Wandgemälden und Statuen schaute man ihr Stilprogramm ab. Die Antike wurde vor allem mit römischer Stilistik gleichgesetzt, denn das griechische Territorium mit seinen antiken Kultstätten und Artefakten war außer Reichweite, war unerreichbarer Teil des Osmanischen Reiches. Im Gegensatz zur römischen war die griechische Theaterkultur nur über Texte zugänglich.48

Der klassische römische Stil, erhaben über alle modischen Stilwechsel, wurde zum Ideal. Inbild der Unvergänglichkeit von Macht und Körper war der Bühnenheld in goldener römischer Rüstung. Dennoch mischt der Barock-Klassizismus des 17. Jahrhunderts den römischen Stil mit Elementen der eigenen Zeit. Die Kostüme waren Kompositionen aus antikisierenden Stilzitaten und zeitgenössischer Mode, deren Kombination allerdings nicht immer harmonierte. So quollen die langen Haare der barocken Frisuren unter den antiken Bühnenhelmen hervor.49 Da die antike Bekleidung als zu „nackt“ galt, wurden die römischen Kostüme durch Ärmelwesten und Beinbekleidung ergänzt und so historisch verfälscht.50

Der König als Held in römischer Rüstung

In Frankreich verband sich der römische Stil am unmittelbarsten mit den Interessen des Staates. Unter Louis XIV wurden die Künste zur Staatsangelegenheit. Staatliche Akademien für Literatur, Musik und Wissenschaften wurden gegründet, so 1648 die erste staatliche Kunstakademie, ab 1661 als „Académie Royale de Peinture et Sculpture“ bezeichnet. Noch im gleichen Jahr erfolgte die Gründung der „Académie de Danse“. Komitees aus führenden Künstlerpersönlichkeiten formulierten verbindliche Reglements zur Kunstausübung. Charles Le Brun (1619 – 1690), Direktor der Gobelin-Manufaktur sowie Rektor und Kanzler der „Académie royale de peinture et de sculpture“, der den nach Louis XIV benannten Stil wesentlich mitprägte, gab verbindliche ästhetische Leitlinien zur Gestaltung von Dekors und Kostümen vor. 

Dieser romanisierende Barock-Klassizismus beeinflusste von Versailles aus den höfischen Kostümstil in ganz Europa. Im Zentrum des absolutistischen Stilinteresses stand die Repräsentation des Herrschers. Barockklassizistische Darstellungen des Königs in römischer Rüstung zeigen ihn als Imperator in der Nachfolge der antiken römischen Kaiser. Wichtig war ein zeitlich übergeordneter Stil der Kleidung des Königs. Es schien undenkbar, den Herrscher in zeittypischer, schnell vergänglicher Mode zu malen. Schon der nächsten Generation würde die Bekleidung des Porträtierten veraltet und somit lächerlich erscheinen.51 Diese absolutistische Inszenierung setzte sich auf der Bühne fort. Im golden gerüsteten Bühnenhelden war Louis XIV in jeder Aufführung anwesend und beherrschte auch dort das Geschehen.52

Das höfische Ballett und der erste Minirock der Geschichte

Seiner Entstehung nach ist das Ballett die Höfisierung des Tanzes. Als Abfolge kontrollierter Bewegungen grenzt das Ballett an das Hofzeremoniell. Mit De Arte Saltandi et Chroeas Ducendi publizierte der italienische Tanzmeister Domenico da Piacenza um 1450 das erste Tanzreglement. Italien gilt als Ursprungsland der Choreographie, denn jede italienische Prinzessin hatte einen persönlichen Tanzmeister, der ihr bei ihrer Verheiratung an den neuen Hof zu folgen hatte. Auf diese Weise verbreitete sich die italienische Choreographie in Europa. So gilt die höfische Tanzkultur um Katharina de Medici als Beginn des französischen Hofballetts, welches der tanzende König Louis XIV zu einem Extrem der politischen Selbstinszenierung führte. Louis war die Sonne, um ihn kreisten die übrigen Tänzer als Gestirne – womit die Choreographie allerdings nicht mehr auf der Höhe der astrophysischen Erkenntnisse der Zeit war.53 Der Hofkomponist Jean-Baptiste Lully (1632 – 1687) und der Hofschauspieler Molière (1622 – 1673) verbanden Ballett und Komödie 1661 zur äußerst erfolgreichen neuen Form des „Comédie-Ballet“. 

Das höfische Ballettkostüm ging aus vom klassizistischen Heroenkostüm. Dessen separates Schoßteil – „tonnelet“ genannt – resultierte aus einer Missdeutung des antiken Originals. Man nahm fälschlicherweise an, dass der Schoß der oberschenkellangen Soldatentunika, der unter dem Brustpanzer hervorschaute, ein separater Rock gewesen sei. Aus diesem Irrtum wurde das erste Ballettröckchen als explizit männliches Kleidungsstück mit martialischer Rüstungssymbolik geboren.

Als steifer Tanzrock stand das „tonnelet“ waagerecht von der Taille ab und ermöglichte so die Sprünge und Akrobatik der Beine, welche die Ballettchoreographien der Zeit vorsahen. So entstand die bis heute charakteristische, abgesteifte Form des Ballettrocks. In der Einführung kurzer Ballettröcke lässt sich jedoch auch ein Versuch der Gewichtsreduktion vermuten, denn das Gewicht der schweren prunkvollen Stoffe und Verzierungen ihrer Kostüme konnten die Akteure oft nur mit Hilfe von Bediensteten oder Statisten tragen. Tänzer, Sänger und Schauspieler in Hauptrollen hatten Mühe, unter dem Gewicht der Kostüme nicht zusammenzubrechen.54

Camargo, die berühmte Tänzerin des Rokoko, Kupferstich nach Lancret

Frauenbeine sind tabu

Bis Ende des 17. Jahrhunderts war die Bühne eine Welt der Männer. Frauen war der Zugang verwehrt. Sie durften weder Theater spielen noch Ballett tanzen. Das Tragen eines „tonnelet“ wäre undenkbar gewesen, denn Frauenbeine durften öffentlich nicht sichtbar sein. Das Schürzen der Röcke war lediglich im Kontext von körperlicher Arbeit in den Unterschichten tolerabel. In der höfischen Kleidung des 16. Jahrhunderts verbargen die Reifröcke sogar jegliche Beinbewegung, indem sie den Rock körperfern zu einer Kuppel spannten. Allerdings gab es Ausnahmen. Das Genre des „Nymphentanzes“ gestattete es den Frauen, im Rahmen einer szenischen Aufführung am Hof zu tanzen. Allerdings galt diese Form des Tanzes als anstößig, denn die Tänzerinnen traten nur leicht bekleidet in antikisierender Kostümierung auf.55

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde der Bann aufgehoben und Frauen betraten die Bühne. Wie ihre männlichen Kollegen waren die weiblichen Balletttänzerinnen römisch kostümiert. Doch ihre knöchellangen Reifröcke verdeckten die Beine zunächst vollständig. In Costume on Stage 1600 – 1940 von Diana de Marly findet sich die Darstellung einer Tänzerin. Es ist eine Rollenzeichnung Nicolas Lancrets von 1730 mit dem Titel „Mademoiselle Camargo tanzend“. Sie zeigt die Tänzerin Camargo in einem Heroenkostüm mit kniekurzem tonnelet. Ihre Beine sind vollständig sichtbar. Was in der Mode noch immer undenkbar ist, wird auf der Bühne möglich, denn hier ist die Identität der Tänzerin fiktiv. Sie erschien als androgyne Bühnenfigur. Doch der kniekurze Rock der Camargo war noch die Ausnahme. Ballettröcke für Frauen zeigten selten mehr als den Knöchel.56

Jesuitentheater

Die Zurschaustellung des weltlichen Machtanspruchs im höfischen Theater war eine Provokation für den hohen Klerus und Motor des Jesuitentheaters, welches in den Jesuitenkollegien im Sinne der Gegenreformation zur Erziehung und Rekatholisierung des Adels aufgeführt wurde.57 Der Jesuitenorden wurde im 16. Jahrhundert für die Gegenreformation gegründet und diente der theologischen Unterweisung des Adels, welcher dann wiederum den Glauben der Unterschichten bestimmte. Der Jesuitenpater Jouvancy plädiert 1685 in seiner Schrift Ratio Discendi et Docenti für die Kombination von Ballett und Tragödie zur besseren Veranschaulichung der theologischen Botschaft der Jesuiten. Die Jesuitenkollegien organisierten Tanzunterricht und zeigten eigene Theaterproduktionen. Zwar blieb die Kirche bei ihren Vorbehalten gegen das Theater und dessen weltlicher Sinnlichkeit. Dennoch konnte das Theater zum legitimen Instrument der Kirche in ihrem Kampf gegen den weltlichen Machtanspruch werden, indem es zu einer moralischen Anstalt im Dienst des päpstlichen Machtanspruchs umgedeutet wurde.58

Soziale Trennung von Tragödie und Komödie – Komödie und Volkstheater im 16. und 17. Jahrhundert

Trotz der unüberwindlichen Schranke zwischen höfischer Tragödie und volkstümlicher Komödie taucht der Bühnen-Heros, der Stellvertreter des absolutistischen Herrschers, auch auf der Komödienbühne auf: Da schlüpft zunächst ein Lateinschüler, kostümiert als weibliche Figur im riesigen Rock, durch den Vorhang, grölend begrüßt vom angetrunkenen Publikum und verfolgt von einem Dickwanst mit roter Nase. Doch Rettung naht, der Held in goldener Rüstung erscheint, die Helmfeder zittert, er schwingt sein Schwert und ist halb seriöse Imitation, halb Karikatur seines Vorbilds, des Bühnenhelden des höfischen Theaters.

Im Vergleich mit der sprachlich komplexen und prunkvoll inszenierten höfischen Tragödie sind die materiellen Mittel der volkstümlichen Komödie sehr begrenzt. Während die Kostüme der tragischen Helden, der Prinzen, Könige und Götter den Bekleidungen wiederentdeckter römischer Statuen folgen, fehlen diese historischen Vorlagen für die volksnahen Komödiencharaktere, denn Bauern wurden in der Antike keine Statuen gewidmet. Auch aus diesen Gründen waren Komödienkostüme zeitgenössisch und lokal geprägt oder entwickelten diese Einflüsse zu Kostümtypologien weiter, wie das Beispiel der Commedia dell’Arte zeigt.

Ein Harlekin im typischen Rautenkostüm, 17. Jh.

„Typuskostüm“ oder „variables Kostüm“

„Tatsächlich wünschen die Harlekine […], daß man über sie lache, so wie sie nur in ihrem Kostüm erscheinen; seine direkte assoziative Funktion, Erinnerung an früher gehörte Scherze und an früher gesehene Masken, wird nur zu deutlich. Aber auch das indifferente bloße Schauspielerkleid […] soll sofort die direkte Assoziation heraufbeschwören: hier ist ein Schauspieler, also eine Phantasieerscheinung […].“59

Wie schon gesagt: Durch auffälligen Gebrauch von Farben, Schmuck und Accessoires werden Bühnenkostüme von Alltagskleidung abgesetzt. Das gilt in besonderem Maße für Narren- oder Karnevalskostüme. Den hohen Grad der Stilisierung der Kostüme in Mittelalter, Renaissance und Barock bringt Joseph Gregor daher in einen kausalen Zusammenhang mit der Entwicklung der Typuskostüme. Besonders überzeugend ist seine Argumentation hinsichtlich der Bezüge von Narren- und Harlekin-Kostüm: Wegen der deutlichen Stilisierung der Kostüme müsse der Narr „vor allem optisch stilisiert sein (Flecken, Streifen, mi-partis). Außerdem durch Anhänge an die Kopfbedeckung (Tierohren, Schellen, Narrenhut, allenfalls durch Maske, Rüssel usw.) […] Nach unserer Auffassung ist auch das Harlekinkostüm, als der den Narren ablösende Figur, optisch stilisiert.“60

Im Gegensatz zum „variablen Kostüm“61 steht das Typuskostüm für eine Theaterform der Figurentypen mit spezifischer Spielweise, wie sie in allen Narren und den Figuren der Commedia dell’Arte repräsentiert ist, und die dem Schauspieler artistische Beherrschung des rollentypischen Bewegungsund Ausdruckskanons und stimmliche Präsenz trotz Maske abverlangt. 

Commedia dell’Arte

Bereits im 15. Jahrhundert war mit der Commedia dell’Arte ein Volkstheater für die unteren Gesellschaftsschichten und zugleich die einflussreichste Form der Komödie entstanden, die im 16. Jahrhundert durch Wandertheater in vielen Teilen Europas bekannt wurde. Schauspieler gründeten Truppen oder schlossen sich bestehenden Ensembles an, die von Dorf zu Dorf reisten und sich „ihr Publikum suchen. Insofern steht die Commedia auch für die Professionalisierung des Schauspielens als Beruf […]: jeder hat nun seine präzise Rolle, sein Fach. Die Schauspieler binden sich nun für ein ganzes Leben an die Figur – in ihr begegnen sie dem Publikum, das sie wiedererkennen und so lieben lernen kann. [Die] mit Masken auftretenden (und ‚Masken‘ genannten) Figuren der populären Commedia dell’Arte tragen die gewohnte Tracht der Bauern, Bürger und Gelehrten, wobei deren karikaturistisch überzeichnete Standesmerkmale dazu dienen, die unveränderlichen Eigenschaften und damit die Handlungsfunktionen der einzelnen Typen signalhaft zu verdeutlichen.“62

Wer vom Schauspielerberuf leben wollte, brauchte den Publikumserfolg. Sein Typus musste wiedererkennbar und unverwechselbar sein. Bis heute ist Arlequino am Kostüm erkennbar. Das Publikum sieht seine Hundemaske und das Rautenkostüm und freut sich schon auf seine Späße. Aufgrund dieser essentiellen Funktion, den Rollentypus unverwechselbar zu kennzeichnen, wurden Masken und Typuskostüme zum unverzichtbaren Instrument der Schauspieler als Spezialisten ihrer lebenslang gespielten Figur. Die Professionalisierung erfasste auch die Maskenherstellung. Wer es sich leisten konnte, arbeitete mit handwerklich spezialisierten Maskenbauern zusammen.63

Noch heute sind die Typenkostüme der Commedia berühmt und tausendfach reproduziert bis hin zum banalen Reisesouvenir. Zugleich wurde der Typus im Kostüm mehr oder weniger offen kritisiert, so bei Pantalone, der durch seine violette enge Hose charakterisiert und zugleich karikiert wurde, denn die war – im Verständnis der Zeit – für einen Greis viel zu körperbetont.

Die Shakespeare-Ära

Die Barriere zwischen höfischer Tragödie und volksnaher Komödie wurde jedoch auch vielfach durchbrochen, so in England. Hier leitete der Sieg über die spanische Armada 1588 eine Phase nationalen Selbstbewusstseins und gesteigerten Interesses an der eigenen Geschichte ein. Historienstücke hatten großen Erfolg. So wurden in englischen „playhouses“ des 16. und frühen 17. Jahrhunderts die Königsdramen Shakespeares vor bürgerlichem Publikum aufgeführt. Richard II. trat in Secondhand-Kleidung auf,64 denn die Kostüme stammten zumeist aus abgelegter Kleidung reicher Bürgersfrauen oder aus höfischen Beständen, die im Kleiderkreisel der Wiederverwertung im Fundus des Shakespeare-Theaters landeten. Opulenz der Kostüme war wichtig. So wurde die Schaulust des Publikums befriedigt und das Fehlen wechselnder Dekorationen kompensiert, die in der speziellen Bauweise des Globe-Theatre nicht vorgesehen waren. 

Die Kostümsprache des Shakespeare-Theaters ist durch ein Extrem der Typenkostümierung bestimmt. Hintergrund ist das schon erwähnte Bühnenverbot für Frauen bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wie sollte man in der Männerwelt des Theaters erkennen, wenn eine weibliche Figur die Bühne betrat, wenn nicht durch drastische Kostümzeichen? Aus den Kindertruppen, die aus Lateinschülern und den Sängern von Kirchenchören gebildet wurden, kamen die sogenannten „boy-actors“.65 Sie spielten die weiblichen Rollen in Frauenkleidung mit übergroßen Röcken und grotesker Schminke. Die Typenkostümierung implizierte zudem die Reduktion eines Kostüms auf wenige Elemente, wie z. B. auf eine Kopfbedeckung. So konnte jeder Schauspieler mehrere Rollen eines Stückes übernehmen. Auf diese Weise ermöglichte die Typuskostümierung den Truppen der „playhouses“ ein umfangreiches Repertoire auch bei begrenzter Anzahl der Schauspieler. 

Romeo im Pilgerkostüm, Entwurfszeichnung von Inigo Jones, 17. Jh.

Die durchgehend männlichen Schauspieler markierten ihr Geschlecht durch standardisierte Gendersymbole: Männlichkeit zeigte man durch das „Codpiece“ (Schamkapsel) und das Tragen von Hosen, durch Bärtigkeit und den geübten Umgang mit Waffen, demonstriert in z. T. sehr umfangreichen Fechtszenen, die vermutlich vor allem die Funktion hatten, die Genderdifferenz szenisch zu verdeutlichen und präsent zu halten. Weiblichkeit wurde durch lange Haare, weiße Schminke und das Tragen einer Farthingale (Reifrock) ausgedrückt. Im Falle eines rollenspezifischen Crossgender wie bei „Hosenrollen“ musste einiges beachtet werden. So durfte die Viola in Twelfth Night zwar ein Schwert tragen, es aber nicht gekonnt einsetzen, denn es musste dem Publikum demonstriert werden, dass sie eine Frau ist und das Schwert nicht führen kann. Seine langen Haare musste der Viola-Darsteller unter einem Hut verstecken, sie durften nicht abgeschnitten werden, denn das würde buchstäblich die Rückkehrmöglichkeit zum weiblichen Geschlecht abschneiden. Die Genderidentität der komischen Figuren ist oft zweifelhaft oder ironisch verzerrt. Durch die Kombination von Gendersymbolik und konterkarierender Spielweise konnten zeittypische Stereotype der Gendertrennung entlarvt und kritisiert werden: „A character that appeared in all the accoutrements of masculinity, including a doublet, breeches, a beard, and carrying a sword would instill in the audience expectations of masculinity and courage. Such is the case in Twelfth Night, in which Sir Andrew Aguecheek wears the clothes that bespeak manliness. When he then falls short on all fronts, he proves an appropriate butt of comedy. The play suggests that the clothes he wears are actually a costume.“66 Die satirische Kritik an Gendernormen wird deutlich, wenn bleichwangige Versager wie Sir Aguecheek durch das Kostüm als „männlich“ attributiert werden, wenn Körperlichkeit und Verhalten den Gender-Behauptungen der Kostümierung konträr gegenüberstehen. 

Wandertruppen

Während Schauspieltruppen unter fürstlicher Protektion feste Spielstätten hatten, reisten Wandertruppen international umher. Ihr breites Repertoire umfasste neben unterschiedlichsten Varianten der Komödie auch humanistische Schuldramen. Insbesondere in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges schlossen sich die Komödianten Heerestrossen an und folgten so den Regimentern. Sie spielten in Scheunen oder auf Jahrmärkten, aber auch vor Adeligen in deren Schlössern oder in ersten Bürgertheatern, die – ähnlich heutigen Stadthallen – an Wanderbühnen vermietet wurden. Während das Hoftheater die unteren Stände ausgrenzte, war das Theater der Wanderbühnen gegen Eintritt jedermann zugänglich. 1641 errichtete Joseph Furttenbach in einem Ulmer Dominikanerkloster den „ersten bürgerlichen Theaterbau Deutschlands [, er] gehörte der Bürgerschaft der Stadt.“67 Um einen zentralen achteckigen Zuschauersaal gruppierten sich vier Bühnen, die mit Telarien – einer barocken Verwandlungstechnik sich drehender dreiseitiger Gassen-Stelen – ausgestattet waren. Wandertruppen wurden von einem Prinzipal geleitet, der auch Stücke schrieb und meist selbst die Hauptrollen spielte. Die Truppen kamen aus allen europäischen Ländern und bereisten den Kontinent kreuz und quer. Charakteristisch war die Gliederung der Bühne „durch einen Mittelvorhang […]. Er bot die Möglichkeit einer neutralen vorderen und das zusätzliche Überraschungsmoment einer mit Versatzstücken dekorierten Hinterbühne. […] Auch der Rampenvorhang, über dessen ‚wunderverhüllende‘ Funktion schon […] Furttenbach ausführlich referiert, war seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bei den Wandertruppen allgemein gebräuchlich.“68

Kostümwesen im 17. und 18. Jahrhundert

Etatverhältnisse – Kostüme sind wichtiger als die Dekorationen

Was schon vom Londoner Globe Theatre gesagt wurde, galt auch für Wanderbühnen und finanziell schlecht gestellte Theatertruppen. Vor karger Kulisse diente die Kostümierung nicht nur dem Stückverständnis, sie musste zudem die fehlende Dekoration ersetzen. So wurden Kostüme zu Schauobjekten. Das Publikum erwartete opulente Kostüme – je prächtiger, desto besser. So reiste der mobile Kostümfundus mit. „Stand die Truppe im Dienste eines freigebigen Fürsten, so frischte wohl die höfische Kleiderkammer den Kostümfundus auf. Wenn vom Originalstück vorgegebene Rollen nicht besetzt oder ausstaffiert werden konnten, formte man sie entsprechend um oder ließ sie ganz weg.“69 Literarisch ambitionierte Prinzipale hatten sehr mit den Erwartungshaltungen eines Publikums zu kämpfen, das sich schnell langweilte. Dem forcierten Unterhaltungsbedürfnis kam der Rollen- und Kostümwechsel entgegen, „allem voran der ergiebige Wechsel von Bettler- und Königsgewand. Man liebte orientalische Kostüme […], man setzte Cesar eine Lockenperücke und Arminius einen Federbusch aufs Haupt. […] ‚Nicht alles, so da gleist, als wahres Gold sich weist‘, schrieb der Augsburger Kupferstecher Martin Engelbrecht über einen üppig ausstaffierten, zepterschwingend dargestellten Wanderkomödianten.“70

Die Etatverteilung der renommierten Truppe des Friedrich Ludwig Schröder (1744 – 1816) – deutscher Schauspieler, Dramatiker und Prinzipal – spiegelt die beschriebene Priorität der Kostüme: Die „Garderobe- und Schneidereiausgaben [der Truppe Schröders] [waren] noch in der Saison 1811/12 mehr als siebenmal so groß als die Ausgaben für Dekorationen“.71

Ein Kostüminventar des 17. Jahrhunderts – Molières Kostüme

Wie zuvor schon beschrieben, gab es Grenzüberschreitungen zwischen Tragödie und Komödie. Dazu zählen auch die Kostüme der höfischen Komödien Molières in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Hier entsprachen die Kostüme zwar der zeitgenössischen Kleidung, waren jedoch aus Samt und Seide gefertigt und so dem höfischen Milieu angepasst. Der gebotene Abstand zur Tragödie blieb dennoch gewahrt, denn bei Kostümen der Hofkomödien wurde auf das Gold und die Glitzersteine der Opernkostüme verzichtet. Molière spielte Hauptrollen. Seine Kostüme kosteten zwischen 30 und 65 Livres, das machte einen spürbaren Anteil der durchschnittlichen Kostümausgaben von 400 Livres pro Aufführung aus.72Für seine Komödienrolle Monsieur Pourceaugnac trug Molière rote Damasthosen verziert mit Spitze, einen blauen Samtmantel, eine Schärpe, grüne Strümpfe, einen grauen Hut mit grüner Feder, einen Schal aus grünem Taft, ein Paar Handschuhe, eine Rockhose aus grünem Taft im zeitgenössischen Stil der Rheingrafentracht, einen schwarzen Kavaliersmantel und ein Paar Schuhe im Gesamtwert von 30 Livres. In Le Sicilien trug er Hose und Mantel aus violettem Samt mit Gold- und Silberstickerei und grünem Seidenfutter. Die Rheingrafenhose aus goldenem Moiré, Jackenärmel aus besticktem Silberstoff, eine Nachtmütze und eine Allongeperücke sowie ein Schwert erhöhten den Wert des Kostüms auf 65 Livres. Als Clitidas in Les Amants Magnifiques trug Molière kein an der zeitgenössischen Mode orientiertes Komödienkostüm, sondern ein römisches Heldenkostüm im Stil der Hofoper im Wert von 60 Livres. Dazu gehörte das tonnelet, der Schoßteil des „habit romain“. Molières tonnelet bestand aus grünem Moiré mit Dekor aus Gold- und Silberspitze, dazu trug er ein Wams aus goldgrundigem Samtbrokat und Schuhe, Strümpfe und Strumpfbänder aus Silber.73 Kostüme für Aufführungen vor dem französischen König Louis XIV wurden aus der Staatskasse gesponsert, jedoch nur zur Hälfte, wie das Beispiel des „Illustre Théâtre“ – der Truppe Molières – zeigt: Für eine ihrer beim König außerordentlich beliebten höfischen Komödien brauchte die Truppe ca. 400 Livres, erhielt von diesem jedoch durchschnittlich nur 200 Livres. Später, Ende des 18. Jahrhunderts, wurde ein neues System eingeführt, welches die Übernahme der Kosten für die Kostüme seitens der Theaterunternehmer vorsah. Dieses System setzte sich bis ins 19. Jahrhundert durch, allerdings meist nur hinsichtlich der Kostümierung männlicher Bühnenkünstler, wovon im Abschnitt zum 19. Jahrhundert noch die Rede sein wird.74

Fundus und Inhalt einer Schauspielgarderobe im 18. Jahrhundert

Die Provenienzen der barocken Kostüme sind vielfältig. Sie wurden neu angefertigt, aber auch getrödelt, geliehen, stammten aus Schenkungen an Schauspieler oder Theaterdirektoren, aus dem Privatbesitz des Schauspielers oder wurden dem Fundus entnommen. Höfische Kostüme wurden in eigenen Werkstätten oder von höfischen Lieferanten gefertigt und anschließend verkauft, wenn sie nicht mehr gebraucht wurden. Die Nähe zu den Höfen als „Zentren des Kleiderluxus und gute Bezugsquellen für Theatergarderobe“75 galt in Theaterkreisen als Standortvorteil. 

Heldenfigur mit dem „tonnelet“ genannten abgesteiften Röckchen des Barockballetts

„Während den kleinen Truppen der Fundus weniger als künstlerischer, vielmehr als pfändbarer Wert gilt, bildet sich bei den bedeutenden Gesellschaften eine Anzahl von sorgfältig gehüteten Kostümvorräten, nach Art und Größe in bezeichnenden Unterschieden.“76

Mit der Verbreitung von „stehenden Theatern“ in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in Deutschland eine Zeit der Gründung von Nationaltheatern, wird die Selbstkostümierung durch Kostümteile aus vorhandenen Fundusbeständen ergänzt und vom Theater gemäß minutiöser vertraglicher Reglements teilsubventioniert: „Mit dem eingehenden Theatraljahr 1776/7 wurde die vorhandene Theatergarderobe unter die Mitglieder der Nationalschaubühne [Wien] vertheilt, und jedem jährlich ein Selbstquantum nach drey Klassen ausgeworfen, wofür solche von nun an die deutsche Garderobe sich selbst anschaffen, und als ihr Eigenthum zu betrachten haben. Die Männer der ersten Klasse erhalten jährlich 250 Gulden, jene der zweyten 200, und jene der dritten 150.“77

Durch Selbstkostümierung entwickelten sich Standards der Schauspielergarderobe: „Nach Art ihres Repertoires und ihrer Darstellungsweise werden die Garderoben […] die Kleider einzelner dramatischer Charaktere enthalten haben: Kleider für Schäfer, Schäferinnen, Priester, Gerichtspersonen, Mantelrollen und andere (italienisch-französische) Masken. Dazu [kommen] einzelne Ausrüstungsstücke zu antiker und orientalischer Kostümierung, Panzer, Mäntel, Steifröcke für Männer und Frauen, Helme, Turbane, Schals und Schleier, Waffen.“78

Struktur einer Kostümabteilung des 18. Jahrhunderts

Je nach Größe und Struktur des Theaters oder der Truppen, die sich auch „Theatergesellschaft“ nannten, waren ein oder mehrere Garderobiers oder Garderobieren beschäftigt, dazu Schneidermeister oder Schneidergesellen als Theaterschneider. Theatermaler und Theaterschneider waren feste Mitarbeiter und reisten jeweils mit den Wanderbühnen umher. An den größeren Theatern des 18. Jahrhunderts wurden Inspektoren zur Beaufsichtigung des Ausstattungswesens eingesetzt. Neuanfertigungen wurden auch hier von eigens angestellten Schneidergesellen realisiert. Die Prinzipalin, Ehefrau des als „Prinzipal“ bezeichneten Theaterdirektors, war für die Herstellung der Kostüme und die Organisation des Kostümwesens zuständig. Die handwerkliche Tätigkeit der Prinzipalin war meist auf die Dekoration der Kostüme, auf Reparaturen und auf Mitsprache bei der Stoffauswahl beschränkt. Der Zuschnitt war in der Regel männlichen Zunftschneidern vorbehalten. Wie die Kostüme auszusehen hatten, bestimmte jedoch der Prinzipal. Die Prinzipalinnen waren kaum am Kostümentwurf beteiligt. „Wenn die Prinzipalin selbst die Kostüme schneidert, wird der ‚Entwurf‘ wohl vom Prinzipal stammen. Es ist nicht zufällig, daß wie bei Koch auch von Ackermanns79zeichnerischen Fähigkeiten berichtet wird. […] Von Schröder80 heißt es ausdrücklich: ‚es darf der Theatermaler keinen Pinselstrich und der Theaterschneider keinen Schnitt thun, ohne daß ihn nicht Schröder vorher angegeben und alles nach seiner genauen Kenntnis vom Kostüm und Üblichen vorgezeichnet hätte.‘“ 

Alltagskleidung als Bühnenkostüm: die Schauspieler Unzelmann und Wurm als „Zinngießer“

Die Wende zum Milieurealismus im späten 18. Jahrhundert

Bühnenkostüme von Antike bis Barock waren durch Ahistorizität geprägt, das heißt, ihr Stil entsprach nicht der historischen Kleidung gemäß der Epoche des Sujets, sondern den jeweils zeitgenössischen Moden, die mit klassizistischen Zitaten kombiniert sein konnten. Historisierende Kostümattribute zur Andeutung von Zeit und Ort der Handlung ergänzten die Kostümierung. So trug der Bühnenheld der Barocktragödie ein Kostüm, dessen römische Rüstung das Original nachempfand, ohne es in allen Einzelheiten exakt zu kopieren. Wesentlich war die Symbolkraft des historischen Zitats. Die milieurealistischen Kostüme des Theaters der Aufklärung brechen mit dieser historischen Praxis. Sie repräsentieren ein der typisierten Stilisierung konträres neues Bekleidungs-Paradigma. Analog den Entwicklungen der Kleidung und Mode in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts werden Standessymbolik und Attribuierung durch eine individuell steuerbare Kennzeichnung der gesellschaftlichen Zugehörigkeit und der individuellen Gesinnung verdrängt. Der Grad der Stilisierung der Milieukostüme, die letztlich bürgerlicher Straßenkleidung entsprechen, ist vergleichsweise gering.

Das 18. Jahrhundert markiert eine Wende. Das elitäre Hoftheater wurde von einer neuen bürgerlichen Theaterkultur abgelöst. Abonnements, neu geschaffene städtische Theater und Konzerthäuser ermöglichten den Theaterbesuch auch ohne adeligen Stammbaum. Das sprachzentrierte Theater der Aufklärung wollte Einsichten und Erkenntnisse vermitteln. Dramatiker wie Lessing oder Gottsched fanden ihre Sujets in zeitgenössischen sozialen Konflikten. Auch auf der Opernbühne wurden die Heroen der Opera seria nun durch realitätsnahe Bühnenfiguren wie den Kammerdiener Figaro verdrängt. Im bürgerlichen Trauerspiel oder in den Reformopern Glucks zeigten sich die Einflüsse der Aufklärung und des Sturm und Drang in der Psychologisierung der Figuren, die eine neue Spielweise und eine empathische Haltung der Zuschauer evozierte. „Sich an einem einzigen Abend satt zu weinen und zu lachen, war die Forderung des Publikums“.81

Gefordert wurde auch die Klarheit des Milieus. Julius Bernhard von Rohr verlangte bereits 1733 eine Abkehr von der bisherigen typisierenden Kostümpraxis zugunsten einer Bekleidung der Schauspieler, die sich am Stückinhalt orientierte. Diese Forderungen konnte jedoch nur ein in Stilistik und Farbgebung vereinheitlichtes, milieutreues Kostümkonzept erfüllen.82 „Man muß sich in diesem Zusammenhange auch der Tatsache erinnern, daß Gottscheds Inszenierungsreform, die allgemein milieugemäße Wahrscheinlichkeit anstrebte, gerade beim Kostüm ansetzt.“83 Entsprechend trugen die Schauspieler im Theater der Aufklärung meist Alltagskleidung oder stileinheitliche variable Kostüme, die einem spezifischen historischen Milieu verpflichtet waren.84 Das Kostüm diente nun der Glaubhaftigkeit der Figur als Abbild eines realen Menschen. 

Konflikte um die Selbstkostümierung 1777

Die Aufführung Hermannide oder die Rätsel, ein altfränkisches Märchen am Berliner Schauspielhaus von 1777 zeigt die Kostümpraxis der Zeit. Es gab nur drei Vorstellungen, die unmittelbar vor einer Hamlet-Premiere stattfanden: „Die Darstellerin der ‚Gertrude‘85, Mme Henke, war […] als ‚Amalberga, königliche Witwe von Sachsen‘ [im Kostüm der Gertrude] aufgetreten. […] Obgleich man sich […] für historische Kleidung einsetzt, […] einen gebildeten Kostümzeichner bemüht, entscheiden Stand und soziale Situation der darzustellenden Figur“ über deren Kostümierung. Beide Figuren – Gertrude wie Amalberga – haben den Rang einer Königin-Witwe, „der Abstand der Jahrhunderte, der Unterschied der Charaktere und im dramatischen Milieu, die Meinung des Malers; alles tritt dagegen zurück, beide tragen das gleiche Kleid.“86 Mme Henke scheint tatsächlich in beiden Rollen im selben Kostüm aufgetreten zu sein. Für die Vertreter des Milieurealismus wurden Alleingänge wie dieser zu einem gravierenden Problem, denn durch ihre vom Text völlig abgekoppelte Kostümierung zerstörten sich selbst kostümierende Schauspieler die ästhetische Geschlossenheit und damit die Glaubhaftigkeit des Milieus.

Comédie Française 1779: Tragödin in einer Theaterrobe, die der zeitgenössischen Mode folgt

Das realistische Milieu bot ein übergeordnetes Bezugssystem, nach dem sich die Rollenarbeit wie die Kostümierung zu richten hatten. Ein Beispiel ist das schwarze Hamlet-Kostüm. Das Schwarz als Charakterisierung eines intellektuellen, melancholischen, vom Tod faszinierten Prinzen war dem Gebildeten evident. Doch dieses bildungsbürgerliche Denken geriet in Konflikt mit dem tradierten Kostümverständnis und den Gewohnheiten der Selbstkostümierung. Die Bühnenkünstler wehrten sich heftig gegen die Fremdbestimmung ihrer Kostüme, die im Rahmen einer professionalisierten Inszenierungspraxis nun durch Regisseure bestimmt wurden. Der Systematisierung der Inszenierungsarbeit entsprach die Etablierung der Nationaltheater, fester Häuser mit Spielplänen geleitet von Direktoren, die selbst Schauspieler, Regisseure oder ambitionierte Staatsbeamte waren.

In Stücken mit zeitgenössischen Sujets konnten Schauspieler ihre private Kleidung tragen und waren so auf einfache Weise dem Milieu gemäß kostümiert. Schwieriger war es, das historische Milieu der Stücke zu bedienen, deren Sujets in zurückliegende Epochen versetzt waren. Aus den Hofkünstlern, die zugleich als Theaterarchitekten, Bildhauer sowie Porträt- und Historienmaler arbeiteten, wurden nun Experten und Berater für Stilgeschichte, deren historisch präzise Entwurfszeichnungen jedoch von den Werkstätten kaum umgesetzt werden konnten. Dazu kamen die Änderungswünsche der Schauspieler, die den historischen Stil verfälschten und weiterhin auf den Typus ihrer Figur fixiert waren. „Über den Schnitt selbst ist allerdings gar keine Diskussion. Mlle Doebbelin (Schauspielerin) weiß, wie lang und wie spitz die Corsage einer jungen Dame sein muß, wenn sich ihr eines Hamlets Gunst zuwendet, sie weiß, ein Hoffräulein geht mindestens demi paré, mit Unterkleid und geöffneter Volante. In einem ganz fremden Schnitt, in einer gänzlich ungewohnten Taille, wie der Maler sie sich vorstellt, wüßte die Schauspielerin sich nicht zu geben. Und warum sich entstellen, die schmückenden Zutaten verraten gleich bekannten Formeln dem Zuschauer die historische Absicht deutlich genug.“87 In den Überzeugungen und Gewohnheiten vieler Menschen, auch der Schauspielerinnen und Schauspieler, lebten die im Ancien Régime gültigen Dresscodes der Selbstpräsentation auch nach dessen Ende fort. 

Probenkostüme waren unbekannt – Der Regisseur zwischen Kostümabteilung und Ensemble

Der Regisseur, meist selbst Schauspieler, wurde als künstlerischer Verwalter dem Intendanten zur Seite gestellt, der oft ein fachfremder Hofbeamter war. Seine Aufgaben waren vielfältig. Sie reichten von künstlerischer Beratung bis zur Vermittlung zwischen den Kostümabteilungen und den Schauspielern. Er bestimmte vor allem die Auswahl der Kostüme für eine Inszenierung, die nicht neu angefertigt, sondern aus dem Fundus oder sonstigen Beständen und Quellen generiert werden mussten.

Im 18. Jahrhundert waren Probenkostüme noch unbekannt, was jedoch zu häufigen Konflikten führte, denn die Schauspieler erhielten ihre Kostüme oft erst kurz vor der Premiere und begannen endlose Diskussionen, wenn sie nicht zufrieden waren. „Es hatte also weder der Schauspieler die Gelegenheit, in sein Kleid zu finden, noch der Regisseur die Möglichkeit, es abzuändern. […] Die Debatten kurz vor dem Auftreten waren meist zwecklos und verdarben nur dem Schauspieler die Stimmung.“

Ifflands Reformversuche

1786 versuchte Iffland, diese Praxis durch einen Erlass abzuändern, der frühzeitige Absprachen über die Kostüme vorsah und die Verwendung privater Kostümteile nur mit vorheriger Genehmigung durch den Regisseur erlaubte.88

„Iffland, für den als Schauspieler das Kostüm eines der wichtigsten Charakterisierungsmittel ist, zielt als Regisseur auf Kontrastierung der Charaktere im Kostüm. […] Er entwickelt die Kostüme aus der Szene heraus […]. ‚Die Wahrheit der Stücke darf unter falsch verstandener Eitelkeit nicht leiden‘[…]“, so Ifflands Überzeugung.

1792 übernahm Iffland die „Kostümierungsaufsicht“ mit Garderobenverwaltung. Seine Erfahrungen veranlassten ihn zur Formulierung von Kostümvorschriften, die einer Reformierung der Kostümpraxis entsprachen. Die Rollenfächer sowie die Gesamtheit des Kostümbildes sollten sich ästhetisch an einem Realismus ausrichten, der die Lebensechtheit der Figuren ermöglichen und zugleich die privaten Schmuckbedürfnisse und Eitelkeiten der Schauspieler eliminieren sollte.89

„Doch jetzt … hat im Schauspiel die bewusst arbeitende Regie die Überlieferung abgelöst“90

Der Beginn des Milieurealismus markierte eine Wende im Berufsbild des Regisseurs, dessen Aufgabe nun „die einheitliche Durchbildung der optischen Inszene (Dekoration, Kostüm, Gruppierung, Statisterie)“ war.91 Durch den Regisseur wurde eine dramaturgische Steuerung der Kostümsprache möglich. Regisseuren und Dramaturgen standen Kostümwerke in theatereigenen wie öffentlichen Bibliotheken zur Verfügung, aus denen Vorlagen zu den Kostümentwürfen gewählt wurden. „Der ganzen Kostümauffassung der letzten Jahrzehnte [des 18. Jahrhunderts] entsprechend, für die die ethnografische und historische Fundierung von so großer Wichtigkeit ist, war die Beschaffung der Kostümvorlagen mehr Sache des literarisch und historisch gebildeten Dramaturgen oder Direktors als die des Malers.“92

In der gezielten Farbgebung der Kostüme sah man neue Möglichkeiten zur dramaturgischen Kommentierung der Figur. Farbentscheidungen konnten nun – befreit von Kleidergesetzen – nach neu entstandenen Empfindungsnormen getroffen werden: „[Im Trauerspiel Graf von Essex, aufgeführt in Mannheim 1796] befehden sich zwei Parteien. Essex, seine heimliche Gattin [Elisabeth], Rutland und sein […] Freund Southhampton bilden die eine; seine geschworenen Feinde Raleigh, Burleigh und die Nottingham stehen ihnen gegenüber. […] Nach diesen Gegensätzen scheiden sich die Kostüme. Elisabeth, Essex, Rutland, Southhampton tragen leichte Farben, die anderen Figuren gehen in Schwarz mit Rot und Blau. […] Doch jetzt, und dies ist das eigentliche Neue in der Theaterentwicklung, hat im Schauspiel die bewusst arbeitende Regie die Überlieferung abgelöst. Die alten Komödienmasken hatten ihre stereotypen Farben, und diese Farben hatten ihren bestimmten dramatischen Sinn. Jetzt aber wendet man bestimmte Kontraste in Beabsichtigung bestimmter dramatischer Wirkungen an.“93

Ein Artikel mit dem Titel „Über die Farben der Kleidung auf dem Theater“ erscheint 1803 in einem Modejournal, in dem „die Kostümregie mit der Tätigkeit des Malers verglichen“ wird: „‚Wir dürfen nicht vergessen, daß es immer ein Gemälde ist, das hervorgebracht werden soll, nur durch Mimik und Redekunst belebt. […] Wo ist wohl der Maler, welcher nicht in die Farben der Gewänder die lieblichste Harmonie herbeizuführen […] strebt? Gleiches Bedürfnis wird der […] Schauspielmeister anerkennen.‘“94

Rollenbild oder Kostümkupfer

Von handgezeichneten Kostümentwürfen sind die „Rollenbilder“95 in Form von Kupferstichen zu unterscheiden. Wie Modekupfer zeigen sie Ganzkörperdarstellungen der Figuren in ihren Kostümen. Die Stiche dienten der öffentlichen Vorschau auf bevorstehende Premieren. 

Die künstlerische Ausführung der Stiche konnte durch namhafte Künstler geschehen, wie das Beispiel der „Hamlet-Kupfer“ von Daniel Nikolaus Chodowiecki (1726 – 1801) zeigt, die 1778 in einer Berliner Theaterzeitung veröffentlicht wurden. Diese nehmen jedoch eine „Sonderstellung ein, weil sie die einzigen sind, bei denen man von einem direkten Einfluß auf Spiel und Kostümierung der Schauspieler in der dargestellten Rolle sprechen kann.“96

Rollenbilder konnten jedoch auch nach Vorzeichnungen nachgestochen sein. Sie wurden in Zeitschriften oder kostbaren Bildbänden wie der achtbändigen Ausgabe Costume des Annales des Grands Théâtres de Paris, ouvrage périodique von 1786 oder den Dramatic characters of different portraits of the english stage, London 1770, publiziert. Die Veröffentlichungen dienten der Eigenwerbung der Theater sowie der Unterweisung von Prinzipalinnen, aber vor allem der Vermittlung stilgeschichtlichen Wissens an Schauspieler zum besseren Verständnis der Rollenkontexte. Kostümkupfer waren offenbar beides, die Kupferstichversion des Entwurfs für ein Kostüm, welches noch nicht existiert, oder die Darstellung der Bühnenfigur im fertigen Kostüm. Häufig entsprachen die von Stilexperten angefertigten Kostümdarstellungen jedoch nicht der Realität, denn sie waren stiltreuer als die realen Kostüme.97 Die neue historische und ethnologische Genauigkeit in Kostüm und Spielweise war auch ein Projekt der Theaterkritik: „Die Beschaffung der Vorlagen ist Sache des gebildeten Dramaturgen. Er geht […] selbst an die Erschließung literarischer und bildlicher Quellen, die Theaterkostüme werden vermeintlich nach ‚wahren Antiken‘ gefertigt. Parallel dazu gehen die Bemühungen der Kritiker. Sie besprechen nicht nur die Mängel der Inszenierungen und machen Gegenvorschläge, sie ziehen auch kostümkundige Maler heran und unterbreiten deren Arbeiten den Direktionen als Vorbild. Damit ist der Weg zum (praktisch unerreichbaren, im Sinn von Drama und Theater unmöglichen) objektiven historischen Kostüm frei. [Von Bedeutung sind die] Serienpublikationen [von Rollenbildern], sie […] vereinheitlichen die Kostümierungsweise [durch bessere Vergleichbarkeit der Kostümentwürfe].“98

Der Kostümzeichner als Experte der Stilgeschichte

Johann Wilhelm Meil (1733 – 1805) war neben Chodowiecki einer der bekanntesten Kostümzeichner der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und der erste mit festem Engagement. Kostümzeichner waren meist Hofkünstler, Theaterarchitekten, Grafiker oder Historienmaler. Meils Karriere als Kostümzeichner markierte eine Wende: Er entwarf nachweislich die Kostüme für die Aufführung des Götz von Berlichingen 1774, die erste Inszenierung im deutschen Sprechtheater, die in historisch authentischen Kostümen zur Aufführung kam. Aus den lobenden Erwähnungen geht hervor, dass die Kostüme nicht als geniale künstlerische Schöpfungen Meils verstanden wurden. Das Lob galt ihrer historischen Authentizität. Der Kostümzeichner Meil war ein Experte für Stilgeschichte, kein Kostümbildner im modernen Sinne. Sein festes Engagement als stilgeschichtlicher Berater am Berliner Schauspielhaus markiert den Übergang vom Hofkostümier zum Kostümzeichner. Die Kenntnis historischer Bekleidungsstile bezog Meil aus der eigenen privaten Kunstsammlung, die Umsetzung seiner Kostümzeichnungen in reale Kostüme bestimmten jedoch die Schauspieler. „Bei der Selbstherrlichkeit, mit der sich der Schauspieler kostümierte, ist es wahrscheinlich, daß für ihn auch die Vorlage des Kostümzeichners unverbindlich war.“99 Die Durchsetzung des Milieurealismus im späten 18. Jahrhundert erscheint heute als konfliktgeladene Phase der Theatergeschichte, in welcher die Theaterdirektoren und ihre Regisseure gegen die Schauspieler und ihre individuellen Kostümvorstellungen ankämpften.

Historistische Genauigkeit des Schauspielkostüms: Iffland als Herzog von Sully in Heinrich IV, 1805 – 1810

Das „fremde“ Kostüm

„In den Berliner Theatergesetzen von 1802 versucht Iffland, mit Strafandrohungen den Vorschlägen Meils unbedingte Anwendung zu sichern: ‚Die verschiedenen Directionen des Königlichen National-Theaters zu Berlin haben sich stets nach allen Kräften es angelegen seyn zu lassen, in den fremden Kostümen die möglichste Wahrheit zu erreichen. Sie haben zu dem Ende die Zeichnungen eines berühmten Meisters sich zu verschaffen gesucht und darnach arbeiten lassen. Allein man hat so wenig auf diese gesehen, oder so viele eigene Zusätze hinzu gethan, daß oft aus diesen Kostümkleidern die sonderbarste Mischung von Fremdheit und Négligée unserer Zeiten entstanden ist. Die Direction ist durch den gerechten Tadel, mit dem man ihr diesen Übelstand vorgeworfen hat, oft in nicht geringe Verlegenheit gesetzt worden. […] Wenn jemand an der Zeichnung eines fremden Kostüms etwas findet, wovon er glaubt, daß es ihn besonders entstellt: So wird die Direction gern Vorstellungen annehmen, um mit der Berathung des zustehenden Richters dem Kleide Wendung zu verschaffen, welche im Kostüm bleibt …‘“100

„Fremdes“ Kostüm meint alle Kostüme, die stilistisch weit von der Alltagskleidung entfernt sind. Iffland bekam Probleme, wenn durch Kombination von stilistisch korrekten Kostümen und eigenmächtigen Kostümänderungen der Schauspieler „die sonderbarste Mischung von Fremdheit und Négligée unserer Zeiten“ entstand. Er fürchtete um Stileinheitlichkeit und die ihm so wichtige Distanzwirkung des „fremden“ Kostüms.101 Ein Mischmasch aus „fremden“ und zeitgenössischen Kleidungsstücken wurde daher in Ifflands „Kleiderordnung“ von 1802 kategorisch verboten. 

Bereits im ersten Teil dieses Textes wurde Ifflands Interesse an den Bezügen von Kleidung und Bewegung und ihren historischen Kontexten deutlich. Er hatte das szenische Potential erkannt, das speziell historische Kostüme bieten: „Iffland begreift das Kostüm als ein Dispositiv, das den Schauspieler die richtige Haltung einzunehmen zwingt.“102 „Das [historische] Kleid gibt ihm [dem Schauspieler Iffland] nicht nur die charakteristische ‚genährte und gesparte Hoftaille‘, jede Bewegung bekommt ‚Grazie und jenes unnennbare Etwas, das, ein unveräußerliches Eigenthum des ersten Standes, nie von dem anhaltend sitzenden Geschäftsmann, nie von dem Gelehrten errungen werden kann‘. Es ist die Körperspannung, die das Kleid verlangt […] die Einheit von Kostüm und Darstellung, von Kleid und Geste.“103 Diese ausgesprochen interessanten Aussagen Ifflands stehen für eine Opposition bürgerlichen Bewegungskomforts einerseits und „gespannter“ aristokratischer Körperbeherrschung andererseits. Auf Letztere bezieht Iffland die Kostüm- und Figurenarbeit. Deren Ziel sieht er in der Formung des szenischen Körpers als Amalgam von Schauspielkunst und Kostüm zu einem Körper „aristokratischer“ Gespanntheit, indem die dem Kostüm impliziten Haltungen in einem präzise geführten Bewegungs- und Sprechgestus realisiert werden. 

Historismus im Theaterkostüm wie in der Mode: Kostümentwurf für Prinzessin Eboli in Schillers Don Carlos, Berlin 1819 – 1823

Das 19. Jahrhundert

Die Bandbreite des Kostümschaffens im 19. Jahrhunderts reichte von der detaillierten Milieuschilderung des Historismus und Naturalismus bis hin zu Phantasiekostümen in Ballett, Operette und Revue mit hohem Stilisierungsgrad. „Statt ‚la nature et le vrai‘ [die Natur und das Wahre], wie zur Zeit der Aufklärung und wie noch im goetheschen Theater, heißt es jetzt ‚le milieu et la réalité‘ […] das gilt nicht nur für das zeitgenössische Sittenstück, sondern auch für das historische Schauspiel.“ Seit der Shakespeare-Renaissance im England des 18. Jahrhunderts wurden historische Stile als Elemente nationalspezifischer Identität diskutiert. Die Renaissance – in Deutschland die Luther-Zeit – wurde zum Synonym des Historischen schlechthin.104 In der Epoche des Historismus, die nach dem Wiener Kongress von 1814/15 begann, führte das gesteigerte Interesse an der detailgetreuen Rekonstruktion historischer Kleidung zu einem Boom der Kostümforschung. Den historischen Dekors wurde ebenso viel Realitätsnähe abverlangt wie den zeitgenössischen Milieus. „Aus diesem Anspruch entstanden alle die aufwendigen historisierenden Bühnenentwürfe, in denen sowohl das Schauspiel wie die Oper schwelgten.“105 Anders Ballett- und Operettenkostüme des 19. Jahrhunderts: Hier bewahrten sich die barocken Prinzipien der Ahistorizität, der Attributierung und Opulenz der Kostüme in Federschmuck und Paillettenzauber.

Nachdem das Milieukostüm des späten 18. Jahrhunderts den Grad der Stilisierung auf null gesetzt hatte, tauchte mit dem historistischen Stilkostüm ein paradigmatischer Kostümtypus auf, dessen Substanz gerade die historische Stilgeschlossenheit ist,106 eine hochgradige Stilisierung also.

Historismus und Naturalismus

Die Reform des Grafen von Brühl

Auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Kostümbilder wesentlich durch Prinzipalen, „Theatermeister und Directoren“ entschieden.107 Daher sahen sich die Theaterleiter zu entsprechenden Statements veranlasst. Auch Ifflands Nachfolger, der preußische Staatsbeamte Karl Friedrich Moritz Graf von Brühl (1772 – 1837), bewarb die Premieren seiner Theater durch die Publikation von Kostümfolgen. Von 1815 bis 1828 war Brühl Generalintendant der Königlichen Theater. Im Vorwort zu einer Publikation von Kostümdarstellungen äußerte er deutliche Kritik an der Selbstkostümierung und lehnte jeden zeitgenössischen Modeeinfluss ab: „Vor allen Dingen ist es rathsam, die Kostüme nicht durch Annäherung an die eben herrschende Mode wohlgefälliger machen zu wollen. Das Auge wird dadurch auf Vergleiche geleitet, welche immer zu Gunsten der augenblicklichen Mode ausfallen, und wenn stets nur geändert, beschnizzelt, verlängert oder verengt werden soll, so ist am Ende gar kein Grund mehr vorhanden, warum nicht überhaupt alles Kostüm wegfallen und Lear in altfranzösischer Kleidung gespielt werden könne! – Alles Halbthun ist in dieser Hinsicht nachtheiliger, als gänzliche Abweichung von der Wahrheit … Gewöhnlich protestieren die Frauen am mehresten gegen die Entfremdung und Abweichung von der bestehenden Mode, weil es ihnen oft an gehöriger Kunstkenntnis und wissenschaftlicher Bildung fehlt, woran übrigens die männlichen Bühnen-Künstler gleichfalls keinen Überfluss haben. […] Manchen Frauen beim Theater ist vorzüglich daran gelegen, einzelne schöne Theile ihres Körpers zu zeigen und sie würden daher […] lieber eine Nonne ohne Ärmel und ohne Halstuch darstellen. […] Ein Hauptfordernis […] [ist] die vollkommenste Übereinstimmung aller Kostüme in einem und demselben Stücke. Nur in einem Geiste muß es gedacht, nach einem ähnlichen Schnitte muß es ausgeführt werden. […] In diesem Punkte sündigen vorzüglich die mehrsten Bühnen; und so war es auch früher auf der Berliner Bühne, wo man in einem und demselben Stücke altdeutsche, altspanische, altenglische Kostüme, von verschiedenen Jahrhunderten zusammengestellt sah.“108

Anders als Iffland ging es Brühl, der selbst kein Schauspieler war, primär um die Stileinheitlichkeit als bildungsbürgerliches Qualitätskriterium. Deutlich ist seine Aversion gegen Mode herauszuhören. Im Verständnis der Zeit war Mode zu einer rein weiblichen Angelegenheit geworden, weswegen vor allem die weiblichen Ensemblemitglieder des stilistischen „Halbthuns“ verdächtigt wurden. Untergründig schwingen der zeittypische Nationalismus und auch eine Spur antifranzösischen Ressentiments mit. Auch daher scheint es dem preußischen Beamten von Brühl geradezu ein Greuel gewesen zu sein, „den Lear in altfranzösischer Kleidung“ zu sehen. Realistische Authentizität und Stilgenauigkeit waren jedoch teuer. Kaum ein Intendant ging so weit wie Brühl, Kostümpauschalen an die Schauspieler auszuzahlen und auf die Zweitverwendung teurer Kostüme zu verzichten.

Historismus – Die Meininger

In den 1870er Jahren wurden die historistischen Forderungen nach Stileinheitlichkeit in den legendären Inszenierungen des Meininger Theaters mit aller Konsequenz umgesetzt. „Was auf den Theatern Europas im Zeichen des Realismus und Historismus […] gewachsen war, erlebte eine letzte große Steigerung im Stil der Meininger. […] In langen Proben wurde jede Aufführung bis ins kleinste Detail ausgefeilt, wurden Solisten- und Massenszenen ineinandergefügt. Präzis und ‚echt‘ wie die Darstellung mussten Dekorationen und Kostüme sein.“ Das Meininger Hoftheater wurde von Herzog Georg II. persönlich geleitet. Er entwarf die Kostüme und die Bühne selbst, „bestimmte Farbe, Schnitt und Stoffart der Gewänder. Schwere Tuche, kostbare Samte, reine Seide, gutes Pelzwerk statt des gebräuchlichen Kaninchens, […] keine ‚Theaterstoffe von Katz aus Krefeld‘, wie es bei Max Grube109 heißt, sondern eigens angefertigte Textilien aus Lyon und Genua.“110 Die historistische Herrschaft der Details, für die das Meininger Theater stand, wurde jedoch auch kritisch beurteilt. Man sah darin die Verweigerung einer Stellungnahme zum Stück. 

Stereotype historistischer Kostümierung – ein erstaunlicher Fund in der bibliophilen Sammlung der Theaterkunst GmbH

In der Präsenzbibliothek der Theaterkunst GmbH Berlin111 findet sich eine Reihe mit dem Titel „Peter A. Becker‘s TheaterFigurinenMappe.“112 Man staunt nicht schlecht. Die „Mappe“ liefert Kostümvorlagen für die großen Repertoire-Stücke in Schauspiel und Oper von Shakespeare über Wagner bis ins frühe 20. Jahrhundert. Die Bildtafeln mit Figurinen von Peter A. Becker präsentieren immer gleich mehrere Solo-Figuren und Figurengruppen des betreffenden Stückes. Sie werden ergänzt durch Begleittexte von Gustav Eberhardt. 

Anhand historischer Hinweise in Regieanweisungen und Stücktexten bestimmten die Autoren der „Mappe“, in welcher Epoche die Handlung der Stücke spielt. Ziel dieser Bemühung ist es, die „in Frage kommende Tracht“ zu ermitteln, so auch im Text Gustav Eberhardts zu „Hamlet Prinz von Dänemark“: Aufgrund im Stück gefundener Hinweise könne die Shakespeare-Zeit in Frage kommen: Dazu zählt Eberhardt die Erwähnung der Gründung der Wittenberger Universität im Jahr 1502 sowie ein Regelwerk von 1552, das Polonius seinem Sohn Laertes übergibt. „Aber die Entstehung der Hamletsage gehört einer viel früheren Zeit an, da von einem eigentlichen Gewand nicht gesprochen werden kann. Schließlich deutet der Auftritt der Normannen (V. Akt, letzter Auftritt.) auf das 12. Jahrhundert hin. So ließen wir all diese Erwägungen beiseite und verlegten die Handlung in das erste Drittel des XIII. Jahrhunderts. Die in Frage kommende Tracht ist in der Mappe ‚Tannhäuser‘ beschrieben. Es wurde aber hier der nordische Charakter bezüglich Kleidung und Ausrüstung berücksichtigt.“113

Hamlet-Figurinen von Peter A. Becker. Von links nach rechts: der König, die Königin, Hamlet, Ophelia, Laertes, Polonius

Das Für und Wider der Stilentscheidungen Beckers und Eberhardts zeigt die Prioritäten des Historismus. Offenbar ging es ihnen gar nicht in erster Linie um historische Genauigkeit, sondern um die Behauptung einer fiktiven historischen Identität der Stücke, selbst wenn sich, wie hier, die Stilentscheidung in den Widersprüchen historischer Informationen im Stücktext verhedderte. So kann man die Figurinen Beckers als historistische Stil-Erfindungen begreifen. Damit diese sorgsam gebauten Figuren stilistisch unbeschadet den Weg auf die Bühne finden, werden Beschreibungen zu Zusammensetzung und Materialien der Kostüme mitgeliefert, die auch die Kostümwechsel berücksichtigen: „Hamlet. 1. Akt, Tafel 1. Penséefarbige114 Tunik mit schwarz, schwarze Kappe, schwarzer Mantel, schwarzes Trikot, schwarze Schuhe und Wadenriemen. Gurt, Schwert, Tasche. In dieser Art dürfte das Gewand die ‚nächt‘ge Farbe‘ hinreichend zeigen; wen es jedoch nicht düster genug dünkt, mag nur schwarze Stoffe dazu verwenden.“115 Die Passage lässt ahnen, dass die Farbgebung der Kostüme über das Stilgebot hinausgehende Möglichkeiten zur Kommentierung der Figur bot. 

Démodé

Auch im Historismus spielte der Zeitgeschmack eine Rolle. Spielt das Stück in einer gerade vergangenen Stilepoche, ist eine Modestilistik zeitlich nicht weit genug entfernt, werden die Kostüme von den Zuschauern meist nicht als historisch, sondern lediglich als unvorteilhaft und veraltet wahrgenommen. Dann werden Bühnenkleidung, vor allem aber Schminke und Frisuren, dem aktuellen Modegeschmack angeglichen.

Ein Drama mit dem Titel Ours spielt im Krimkrieg der 1850er Jahre. Seine Aufführung fand sechzehn Jahre später in London statt. Die Damenmode der 1850er Jahre wäre dem Publikum altmodisch, die Schauspielerinnen schlecht gekleidet erschienen. Man entschied sich also für den aktuellen Modestil von 1866. Da das männliche Ensemble durchweg Uniformen trug, deren Stiltransformationen weniger offensichtlich waren, musste hier lediglich auf die Aktualität von Frisur und Bart geachtet werden. Schauspieler mit veralteten Haarschnitten und Bartformen hätten altväterlich und grotesk gewirkt.116

Bis in die Moderne ist die Aktualisierung insbesondere von Schminkmaske und Frisur ein häufiges Mittel, affektive Barrieren zwischen Zuschauer und Figur abzubauen und Identifikation zu ermöglichen. Allerdings können solche Eingriffe leicht mit der ästhetischen und stilistischen Gesamtkonzeption des Kostümbilds in Konflikt geraten.

Naturalismus

Als zwei seiner Bilder von der Jury der Weltausstellung 1855 abgewiesen wurden, errichtete der Maler Gustave Courbet (1819 – 1877) einen eigenen Pavillon, über dessen Eingang „Le Réalisme“ zu lesen war.117 Realismus und Naturalismus in Literatur und Kunst entstanden als Reaktion auf die sozialen Konflikte der Industrialisierung. Protagonisten der naturalistischen Stücke waren die im Elend lebenden ländlichen wie urbanen Unterschichten. 

Die Elektrifizierung am Ende des 19. Jahrhunderts brachte Innovationen in der Theatertechnik. Elektrisches Bühnenlicht oder Drehscheibe perfektionierten die naturalistische Bühnenillusion und das Instrumentarium der Regie. Durch Beschleunigung der Bühnenverwandlungen wurden diese zum Gestaltungsmittel. Zugleich dynamisierte die Drehscheibe das Timing der Inszenierung. Elektrisches Licht konnte nun eingefärbt werden. Zudem ermöglichten die Lichtkegel der Apparate die räumliche Begrenzung des Lichts. Die Addition von Licht schuf Abstufungen der Lichtintensität. Einzelne Figuren und spezifische Inszenierungsmomente konnten hervorgehoben und die Blicke der Zuschauer durch Licht gesteuert werden. Das Kostüm musste nicht mehr glitzern und glänzen, um die Präsenz einer Bühnenfigur zu steigern. Auch schlicht gekleidete Schauspieler bekamen im Scheinwerferkegel die nötige Aufmerksamkeit.

Naturalistische Kostüme kamen als täuschend echte Kopien realer Kleidung daher. Sie imitierten Trageweisen und Gebrauchsspuren und erzeugten so die perfekte Illusion von Alltagsmilieu auf der Bühne.118

Reformen und Modernisierungen der Mode, das Aufkommen der Sportkleidung und schließlich der Wegfall des Korsetts in der Frauenkleidung spiegelten die geänderten Verhältnisse in Kultur und Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts wider. Der Wandel der Körper- und Genderbilder führte bei Autoren wie George Bernard Shaw auch zur Invention moderner Bühnencharaktere, wie das folgende Zitat aus dem 2. Akt von The Philanderer von 1893 zeigt, in welchem Shaw eine sportlich gekleidete, durchtrainierte junge Frau beschreibt: „She is a pretty girl of eighteen, small and trim, wearing a mountaineering suit of Norfolk jacket and breeches with neat town stockings and shoes. A detachable cloth-skirt lies ready to her hand.“119

Tüll und Pailletten – Ballett, Operette und Revue als phantasievolle Gegenwelt

Die Charaktere des Unterhaltungstheaters im 19. Jahrhundert waren weit weniger psychologisch als die des Sprechtheaters. Ihre hochgradig stilisierte Kostümierung war meilenweit von jedem Milieurealismus entfernt. Der Glamour der phantasievollen bis karikierenden Operetten- und Revuekostüme und ihre exotischen oder allegorischen Attribute erscheinen als parodistische Reminiszenz an das höfische Theater.

Jupiter im Bienenkostüm

Die Beggar‘s Opera von 1728 gilt als die erste abendfüllende Oper, in welcher Vertreter unterster Bevölkerungsschichten als Protagonisten auftreten. Sie gab den Anstoß zur Auffächerung der Gattungen des Musiktheaters. „Die [in der Beggar‘s Opera entwickelte] Alternation von Lied und Dialog erhielt ihre Parallele im Singspiel. Es entwickelte sich im deutschsprachigen Bereich mit fließenden Grenzen zur Operette. Auf dem Pariser Théâtre de la Foire wurde es zum kabarettistisch gefärbten Vaudeville.“ Daneben verselbstständigten sich die Buffo-Arien der Opera seria zur neuen Gattung der Komischen Oper und später zur Operette.120 Die phantastischen bis satirischen Sujets der Vaudevilles und Operetten von Jacques Offenbach121 zeigten eine Gegenwelt zu Realismus und Historismus in Oper und Sprechtheater. Schon die schiere Platznot auf der kleinen Bühne in den „Bouffes Parisiens“ erforderte die Beschränkung. Es entstand eine Kammerform der Operette als satirische Opposition zur Opulenz der historistischen Ausstattungsoper.122 Die Kostüme überzeichneten die Rollencharaktere mit übergroßen Kostümzeichen und drastischer, karikierender Attributierung. In Orpheus in der Unterwelt123 steckt Jacques Offenbach seinen Jupiter gar in ein Bienenkostüm als freche und phantasievolle Trivialisierung der Macht.

Figuren in allegorisierender bis karierender Phantasiekostümierung: Ballett-Figurinen zu der 1836 geschriebenen Oper Die Ballnacht

Das weiße Tutu – Entstehung eines Stereotyps

Der Neoklassizismus der ersten Dekade des 19. Jahrhunderts brachte mit den Hemdkleidern der „mode à la grècque“ auch leichtere Ballettkostüme. Doch noch immer waren die Röcke der Ballerinen zumeist knöchellang.

Die Ballettkultur der Romantik präferierte Geistersujets. So entstand die Figur der immateriell-schwerelosen, weißgekleideten Ballerina. Weiß stand nun für die morbide Faszination von Unschuld und Todesahnung. Mit der Einführung des Spitzentanzes auf eckig abgeflachten Schuhspitzen durch die Ballerina Marie Taglioni in La Sylphide – uraufgeführt in Paris 1832 – erschien erstmals das Tutu aus weißem Tüll. Es wurde von Eugène Lami124 entworfen, der mit dem weißen Tüll bewusst die Immaterialität der Erscheinung der auf ihren Fußspitzen scheinbar durch die Luft fliegenden Taglioni unterstreichen wollte. Das von Lami entworfene knielange Tutu war nur wenig länger als das bereits erwähnte tonnelet der Tänzerin Camargo hundert Jahre zuvor. 

Die Primaballerina Marie Taglioni als Sylphide im ersten weißen Tutu, 1832

Das „klassische“ Tutu als Kostüm-Stereotyp des romantischen Balletts ermöglicht dem Entwurf nur die Variantenbildung. „Soll die Figur darüber hinaus charakterisiert werden, so erhält sie jene magischen Attribute, die uns aus dem vorangegangenen Jahrhundert wohlbekannt sind.“ Der Federschmuck des sterbenden Schwans ist so ein „magisches“ Attribut. In ihm überlebt das Kostümattribut des Barock.125

Serialität des Kostüms – Tanzreihen und Opernchor

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam mit der Chorus-Line ein neues Element auf die Bühne. Der choreographischen Serialität dieser Reihen scheinbar völlig gleicher Körper entspricht die vielfache Wiederholung des gleichen Kostüms. Es entsteht der neue und verblüffende Eindruck eines vertikalen Schlangenkörpers, dessen Wellenbewegungen die Wahrnehmung von Bewegungsabfolgen im Film zu antizipieren scheinen. Dem entspricht das serielle Chorkostüm der Oper als die Körper zu einem Ganzen verbindende Uniformität des Erscheinungsbildes.126

Halbmondförmige Augenbrauen – die Vorläufer Chaplins

Mit der Ausweitung des Theaterpublikums auf die Unterschichten in Vorstädten und Armenvierteln etablierten sich immer mehr Tourneetheater. Unermüdlich zirkulierten die Komiker und Performer der One-Man-Shows zwischen den Theatern. Um sich dem Publikum einzuprägen, profilierten sich die professionellen Comedians als unverwechselbare Bühnenerscheinungen mit individuellen Besonderheiten der Maskierung und Kostümierung. Im Travestiekostüm, im karikierenden Schottenkilt oder in ostentativ zu enger Kleidung fiel man dem Publikum auf. Auch die Schminke überzeichnete mit weißem Teint und halbmondförmigen Augenbrauen. So lebten die Traditonen der Typuskostümierung der alten Commedia wieder auf. Oft wurden die strengen Reglements der bürgerlichen Herrenkleidung demonstrativ attackiert, indem Kniebundhosen oder weiße Hosen zum Frack getragen wurden.127 Damit wurden zugleich die dezenten Details der Rangmarkierung in der bürgerlichen Kleidung zu Attributen, d. h. zu symbolischen Kennzeichen mit hohem Stilisierungsgrad und Wiedererkennungseffekt umgeformt. Zu Beginn des 20. Jahrhundert verschmolz Charlie Chaplin, der Meister der unverwechselbaren Selbstkostümierung, mit seiner Tramp-Figur zum Mythos. 

„Toilettenkünstlerinnen“

Bis zum ersten „Normalvertrag Solo“ 1923 war die Kostümierungspraxis nie übergreifend geregelt, organisierten und finanzierten die Schauspieler ihre Bühnenkostüme ganz oder teilweise selbst. Die Wahl ihrer Kostümierung war durch den Rollentypus vorgegeben. Doch wie bereits deutlich wurde, waren Typuskostüme im Milieurealismus seit dem späten 18. Jahrhundert in Oper und Sprechtheater meist nicht mehr gefragt.

Im 19. Jahrhundert zeigte sich das bürgerliche Gendersystem nicht nur in der Mode, sondern auch in der Kostümpraxis am Theater, namentlich in der vertraglichen und finanziellen Benachteiligung der Schauspielerinnen. In seinem Artikel „Toilettenkünstlerinnen“ schildert Knut Lennartz die diskriminierende Behandlung von Schauspielerinnen seitens der Theaterdirektoren. Diese verlangten nun ausschließlich von weiblichen Ensemblemitgliedern, was den männlichen Kollegen inzwischen weitgehend erspart blieb: die Selbstkostümierung auf eigene Kosten. Gefiel das Erscheinungsbild einer Schauspielerin nicht, war das ein Kündigungsgrund. „Da hatte Josef Jarno als Direktor des Josefstädtischen Theaters eine Schauspielerin mit 60 Gulden entlassen, weil sie in einem Salonstück in einer zu wenig eleganten Toilette erschienen war.“128 Männer hingegen waren von der Selbstkostümierung weitgehend befreit. Die Zusammensetzung ihrer Garderobe war vertraglich geregelt. Im Gegensatz zu den Kolleginnen beschränkte sich ihre Verpflichtung zur Selbstkostümierung auf die zeitgenössischen Standards der Straßen- und Abendkleidung. 

Schauspielerin im schlichten, antikisierenden Gewand, das sie versucht, mit einer Kette etwas aufzuwerten, um 1910

Man berief sich auf das angeblich größere modische Geschick der Frauen. Sogar historische Kostüme nähten die Schauspielerinnen meist selbst. Dabei hatten sie sich dem Stil der betreffenden Inszenierung anzupassen. Männerkostüme entstanden völlig anders: Schneidermeister und Rüstmeister feilten an der Rekonstruktion historischer Vorlagen, ausgewählt von Experten. Die Kosten übernahm das Theater. Auf der Bühne fielen die Unterschiede schnell auf: Neben exakt kostümierten Kollegen stand das weibliche Ensemble in vagen Eigenkreationen. Im Hinblick auf die Engagements jedoch war die Qualität der Selbstkostümierung praktisch gleichbedeutend mit den schauspielerischen Qualitäten, ein weiterer gefährlicher Nachteil für die Frauen.

Schöne Männer im Frack

Bezeichnenderweise wiederholte sich dieses Prinzip der vertraglich erzwungenen Selbstkostümierung im Film. Diesmal waren jedoch auch die männlichen Kino-Stars betroffen, deren Schönheit die Frauen in Kriegszeiten in die Kinos locken sollte. Die gepflegte Erscheinung und ein perfekt sitzender Frack waren das Kapital des Schauspielers. Der Frack war das wichtigste Kleidungsstück in seiner Garderobe. Ohne Frack kein Engagement. Das Wort „Frack“ wurde zeitweise zum Synonym für Filmschauspieler.

Macbeth um 1910 in aufwendiger Bühnenrüstung

Paragraph 9 des ersten Normalvertrags Solo von 1923

Auch im frühen 20. Jahrhundert dominierten historistische oder zeitgenössische Milieukostüme, die vor allem von den Bühnenkünstlerinnen im festen Engagement selbst beschafft werden mussten.

„Erst 1923 konnten sich der Bühnenverein und die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger auf einen Vertrag einigen, der im Prinzip als Normalvertrag Solo bis heute Gültigkeit hat. Hier ist die Kostümfrage in §9 geregelt – seit 1923 nur unwesentlich verändert. Danach hat der Unternehmer ‚die dem Mitglied zur Aufführung eines Bühnenwerkes erforderlichen Kleidungs-, Ausrüstungs- und Schmuckstücke […] zur Verfügung zu stellen‘. Ausgenommen sind Leibwäsche und ‚solche Kleidungsstücke, die das Mitglied zu seinem persönlichen Gebrauch besitzen muss.‘“129

Nun war die Selbstkostümierung vertraglich geregelt, was wie zuvor vertraglich festgelegte Vorgaben zur Bühnengarderobe einschloss, die jeder Schauspieler, Sänger oder Tänzer mitzubringen hatte. „Bei den Herren war das in der letzten, bis heute geltenden Fassung ein Straßenanzug, ein dunkler Abendanzug, ein Sommer- und ein Wintermantel, bei den Damen ein Straßenkleid, ein Abendkleid, ein Sommer- und ein Wintermantel. Dazu passend entsprechendes Schuhwerk und Kopf- und Handbekleidungen. 1923 war diese Liste noch wesentlich umfangreicher: sie reichte bei Herren vom Frack und Smoking bis zum Cutaway, und den Damen wurde auch ein Gesellschaftskleid, ein Ballkleid und ein Négligé abverlangt.“130

Das zwanzigste Jahrhundert

Das Kostümverständnis des 20. Jahrhundert ist von dem Paradigmenwechsel des Kostümentwurfs zum künstlerischen Metier geprägt, für das man – nach Léon Bakst – geboren sein muss. Der Grad der Stilisierung ergab sich nun als Resultat des Entwurfsprozesses.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Bühnenillusionismus des naturalistischen Guckkastentheaters in Frage gestellt. Reformbewegungen in der Kunst, die Entdeckung der Abstraktion und der Beginn des Kinos führten zu neuen Theaterkonzeptionen. Die Bühnenbildner Adolphe Appia und Edward Gordon Craig forderten eine Abkehr vom Naturalismus. Brecht, Piscator131 und Meyerhold132 entwickelten neue Theaterformen ausgehend vom Masken- oder Puppentheater. Der Jugendstil brachte das moderne Stilkostüm133 hervor und markierte den Übergang vom detailversessenen Historienkostüm zum künstlerischen Kostümentwurf. Doch es gab auch Fortführungen des Milieurealismus. Die Arbeiten von Regisseuren wie Stanislawski134 oder Max Reinhardt (1873 – 1943), ab 1905 Direktor des Deutschen Theaters, zeugen von dessen Weiterentwicklung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts.135

Prinzipieller Zweifel an der Sprache

Für die Moderne des frühen 20. Jahrhunderts konstatiert der Dramaturg Peter Simhandl136 einen „prinzipiellen Zweifel an der Sprache“, der sich in der Abkehr vom „klassischen Handlungsdrama“ und dem „Bedeutungsverlust des Dialogs“ äußerte. Neue dramatische Formen entstanden, so „das ‚Legendenspiel‘ (William Butler Yeats), das ‚drame statique‘ (Maurice Maeterlinck) und das ‚Lyrische Drama‘ (Hugo von Hofmannsthal).“ In der Theaterpraxis zeigte sich eine Wiederbelebung oder Neuinterpretation nonverbaler Ausdrucksformen wie Tanz, Pantomime oder Maskentheater: „[…] bei Arthur Schnitzler die Pantomime (Der Schleier der Pierette), bei Oscar Wilde der Tanz (Salome), bei Alexander Blok das gestische Spiel der Commedia dell’Arte (Die Schaubude).“ Das Bühnengeschehen war nicht mehr „realistisches Abbild der Welt, sondern fiktiv-utopisches Gegenbild.“ In der Lösung von der „Vorherrschaft des Dramas“ sieht Simhandl den entscheidenden Schritt zur „Verwirklichung des theatralen Gesamtkunstwerks im Sinne des gleichberechtigten Zusammenwirkens aller Komponenten.“137

Szenenentwurf zu Hamlet von Edward Gordon Craig, 1912

„Die gegen Historismus und Naturalismus gerichtete Theaterreform nahm ihren Ausgang im Werk von Adolphe Appia“138

Der Bühnen- und Kostümbildner Adolphe Appia (1862 – 1928) stellte den Illusionismus der historistischen und naturalistischen Bühne in Frage. Seine Überlegungen waren am Musikdrama ausgerichtet. Nach dem Besuch einer historistisch inszenierten Wagner-Oper stellte Appia das illusionistische Raumkonzept in Frage: Die Behauptung eines zweidimensionalen Kulissenbildes könne angesichts des Schauspielers nicht aufrechterhalten werden, denn durch die Dreidimensionalität seines Körpers verwandele der Schauspieler die Bühne in einen Tiefenraum, so Appias Argumentation. Die Kulissen seien dann nicht mehr Illusionen, sondern flache, im Raum verteilte Sperrholzflächen und können so den Anspruch des Milieurealismus nicht einlösen. „Im Theaterbau der Zukunft soll nach Appias Auffassung nichts außer dem Zuschauerraum ständig vorhanden sein. Vor demselben wird sich ein leerer, weiter Raum ausdehnen. Darin setzt der Darsteller mit seinen Haltungen und Bewegungen die ersten visuellen Akzente. Dazu kommen dreidimensionale Grundelemente wie Kuben und Schrägen, Treppen und Podeste […]. [Das ‚Bühnenterrain‘] bestimmt sich aus den rhythmischen Bewegungen des Darstellers, so wie sich diese durch den Rhythmus der Musik bestimmen. […] Durch die Fixierung des Rhythmus erhält der Schöpfer des Wort-Ton-Dramas die ihm von den Theatermachern [des Historismus] vorenthaltene Verfügungsgewalt über die Inszenierung seines Werkes.“139 Was bedeutet das für die Kostüme? Die Rhythmus-Zentrierung des Theaterkonzepts von Appia verlangt die Sichtbarkeit der Körperkonturen der Darsteller in der Bewegung. Das ungefärbte Trikot kommt diesem Ideal am nächsten. 

Arbeitstrikots in schwarz und grau

Im folgenden Zitat von Peter Simhandl zeigt sich eindrücklich Appias Kampf um einen „ästhetischen Rigorismus“ der Kostüme, die er auf Trikots reduziert sehen wollte: „In dem für seine Zeit […] hypermodernen Theater [im Festspielhaus Dresden Hellerau] fanden 1912 und 1913 jene legendären ‚Schulfeste‘ statt, die den Höhepunkt der antinaturalistischen Theaterreform vor dem ersten Weltkrieg darstellen. Im ersten Jahr brachte man die von [dem Komponisten und Tanzpädagogen Émile Jaques-Dalcroze (1865 – 1950)] komponierte Pantomime Echo und Narziß sowie den 2. Akt von Glucks Orpheus und Euridyke, im nächsten Jahr dann die ganze Oper und Paul Claudels religiöses Schauspiel Die Verkündigungzur Aufführung. Während Dalcroze die Vorschläge von Appia zur Gestaltung des Bühnenraums kritiklos übernahm, widersetzte er sich dem ästhetischen Rigorismus in Bezug auf die Kostüme. Neben dem schwarzen Arbeitstrikot und dessen Variation in grau wollte der Künstler nur einen schlichten weißen Umhang auf der Spielfläche sehen, ‚dessen Faltenwurf wie ein räumliches (sichtbares) Echo dem Rhythmus der Bewegung antwortet, indem es ihn in weicheren Bewegungen wiederholt‘.“140

Übermarionette

Die Schriften von Edward Gordon Craig (1872 – 1966) „setzten sich mit dem Gesamtkomplex Theater auseinander. Illusion, Naturalismus oder Stilisierung der Szene wurden ebenso zur Diskussion gestellt wie das alte Problem der Schauspielkunst: Identifikation oder Distanz. Craig entwickelte seine Theorie der Übermarionette, des Maskenspiels, das allein jeglichen ‚Egotismus‘ ausklammern könne und […] frei und unbeeinträchtigt sei ‚vom Rauch und Dunst der Sterblichkeit‘. Er stellte Überlegungen an, die bei Meyerhold, O‘Neill und Brecht wiederkehren.“141 Die Idee der Übermarionette erinnert an Kleists Marionettentheater, in welchem ein Ideal der absichtslosen Bewegung im Fremdbewegtwerden vorausgedacht wurde. „Vom Schauspieler verlangt Craig die absolute Unterordnung unter den Willen des Regisseurs. In der Utopie will er ihn durch die ‚Übermarionette‘ ersetzen, [weil] der lebendige Darsteller den Zufälligkeiten seines Organismus ausgeliefert ist, ein Kunstwerk aber nur aus Materialien geschaffen werden kann, die absolut planbar und verfügbar sind“.142

„Bassanio“, Figurenentwurf von Edward Gordon Craig zu Der Kaufmann von Venedig, 1909

Jugendstil – die Reduktion des Raumes auf die Fläche

Peter Simhandl beschreibt den Jugendstil als „Opposition gegen den Materialismus und Positivismus im Geistesleben und gegen den Historismus und Naturalismus […]. Vor allem ihre deutsche Erscheinungsform, der nach einer Münchener Zeitschrift benannte ‚Jugend‘-Stil, nahm Einfluß auch auf das Theater. […] Gegen den eklektizistischen Stil-Pluralismus der Gründerzeit setzten die künstlerischen Wegbereiter des neuen Jahrhunderts ein einheitliches Stilwollen, das die Gesamtheit der Künste, aber auch das Alltagsleben prägend durchdringen sollte.“143 Der Jugendstil steht für die „Reduktion des Raumes auf die Fläche. Die seit der Renaissance in Malerei und Bühnenkunst herrschende Perspektiv-Darstellung wird obsolet; der Eindruck der Ferne ist unwichtig. Dem Betrachter wird kein bestimmter Standpunkt außerhalb des Kunstwerks zugewiesen. Er steht nicht mehr einer mit Hilfe der Perspektive illusionistisch nachgeahmten räumlichen Realität gegenüber, sondern tritt ein in die Welt der zweidimensionalen stilisierten Vision des Künstlers.“144

Maler als Kostümbildner: Pablo Picasso, Kostümentwurf zu Parade von Erik Satie und Jean Cocteau, 1917

Die antinaturalistischen Bewegungen im Theater zu Beginn des 20. Jahrhunderts blieben auch in der Folgezeit mit der Kunst verbunden, denn die Abkehr von der detailgetreuen Nachbildung historischer oder zeitgenössischer Milieus erforderte neue visuelle Konzepte. Symbolismus, Futurismus, Expressionismus und Surrealismus wurden nun zu Epochenbezeichnungen der Theatergeschichte. Maler wie Picasso oder Malewitsch wurden Bühnenund Kostümbildner und transferierten ihre Bildsprachen von der zweidimensionalen Malerei in die Dreidimensionalität der Theaterbühne.

Modegrafik als Kunstwerk: Illustration des Modells „De la Fumée“ der Couturière Madeleine Vionnet in der Gazette du Bon Ton, 1922

Edward Burne-Jones

Das Kostümschaffen des Präraffaeliten Sir Edward Burne-Jones (1833 – 1898) markiert den Übergang von historistischer Detailversessenheit zum Stilinteresse in Art Nouveau und Jugendstil. 1894 entwarf der Maler die Kostüme für eine Bühnenversion der Artus-Legende, dem bevorzugten Sujet des Jugendstils. Burne-Jones interpretierte die historischen Formen, ohne sie in jedem Fall detailgetreu zu rekonstruieren. Während Burne-Jones die Ritter in historistische mittelalterliche Rüstungen steckte, entwarf er für die Frauen Stilkostüme, mittelalterlich anmutende Schleppenkleider im Stil der Art Nouveau, ohne jedoch die realen Körperproportionen der Schauspielerinnen zu beachten.145 In dieser scheinbaren Ignoranz zeigt sich die Subjektivität der künstlerischen Haltung von Burne-Jones. Dem entspricht ein neues Prinzip des Stilkostüms, welches durch einen begrenzten, aber gezielten Einsatz des Stilzitats gekennzeichnet ist. 

Stilkleid, Stilkostüm und stilisierte Modegrafik

Das Stilkostüm entspricht dem Stilkleid in der Mode. Ingrid Loschek sieht im modernen Stilkleid der 1920er ein „Gesellschafts- oder Abendkleid mit weitem, krinolinenartig ausgestelltem Rock, […] der tief auf den Hüften angesetzt war.“146 Auch im Stilkostüm wurden historische Stilmerkmale isoliert und in den Formenkanon zeitgenössischer Modestile eingebettet. 

Bakst und Erté, Poiret und Chanel

Bakst und Erté – Kostümbild als Berufung

Leon Bakst (1866 – 1924), Kostümbildner der Ballets Russes, schreibt über sich selbst: „Das Kind, das gern Brotkrümel und später Lehm geknetet hat, ist häufig ausersehen, ein wunderbarer Bildhauer zu werden, ein anderes Kind, das in seine Schulhefte und auf Mauern kritzelt, kann ein großer Zeichner oder Maler werden. Aber der Knirps, der Bonbonschachteln zerschneidet und kleine Theater daraus baut, der Puppen, die er selbst hergestellt hat, ankleidet und anmalt und der mit Servietten und den indischen Taschentüchern seines Großvaters den Hut seiner Schwester lustig verziert – in dem schlummert der zukünftige Bühnen- und Kostümbildner.“147

Bakst betrachtete sich selbstbewusst als Berufenen. Kostümbildner sein war nun Bestimmung, nicht Nebengeschäft eines Architekten oder Malers. In der Mode zeigte sich diese Emanzipation schon früher: Seit dem Beginn der Haute Couture in den 1860er Jahren verstanden sich die Couturiers als Künstler, die ihre Modelle wie Kunstwerke sichtbar signierten.

Wie Bakst war auch Erté (1892 – 1925) – eigentlich Romain de Tirtoff – hauptberuflich Kostümbildner, begann aber als Modegrafiker. Er war Mitarbeiter von Paul Poiret und durch diesen geprägt. Sein Werk steht wie das Poirets für die Verbindung von Haute Couture und Kostümbild. Figurinen von Bakst und Erté zeigen die unverwechselbare Handschrift ihrer Schöpfer und gelten bis heute als Kunstwerke.

Die Figurine

Stil ist das Schlüsselwort. Modezeichnungen wurden von Grafikern im Jugendstil, im Stil der Art Nouveau oder Art Déco ausgeführt. Die fotorealistischen Modekupfer des 19. Jahrhunderts mit ihren plastischen Schattenwirkungen waren passé. Sie wurden ersetzt durch eine mehr künstlerische Ausführung der Modegrafiken und Figurinen. Die Entwürfe zeigen den typischen Stilmix der Zeit und die Faszination der Abstrahierung und Stilisierung der Körper zum Ornament. Diese Arbeit am Darstellungsstil weist über die grafische Aufwertung hinaus auf eine neue Bedeutung der Entwurfszeichnung. Sie ist nun Ausdruck der künstlerischen Intention des Kostümbildners. Das Zeichnen ist zum substantiellen Teil des Entwurfsvorgangs weiterentwickelt worden.148 Seither ist die Entwurfszeichnung zugleich Information für Regie und Werkstätten wie auch Dokument des künstlerischen Prozesses, der erst das Kostüm hervorbringt. 

Poiret und Chanel

Im Schaffen Paul Poirets (1879 – 1944) nähern sich Mode- und Kostümentwurf. Die Kostüme der Ballets Russes beeindruckten Poiret nachhaltig. Ab 1910 stand sein Schaffen unter dem Einfluss des Orientalismus, den er in der Formensprache und kräftigen Farbgebung von Léon Bakst bewunderte.

Poiret stellte seine orientalisierenden Kollektionen auf großen Kostümbällen vor. Künstler wie Raoul Dufy oder Erté ließ Poiret die Stoffe entwerfen und Modezeichnungen für seine Kollektionen anfertigen. In den kräftigen und kontrastierenden Farben seiner Kreationen zeigt sich der Einfluss der Ballets Russes, aber auch die Sensibilität Poirets für Zeitströmungen in der Malerei des Fauvismus oder Expressionismus. Poiret war der führende Couturier der 1910er Jahre, sein Werk prägte die stilistische Entwicklung der Mode zwischen 1910 und dem Ende des Ersten Weltkriegs.

Auch Coco Chanel (1883 – 1971) arbeitete als Kostümbildnerin. 1922 entwarf sie für Antigone149 Kostüme aus schwerer grober Wolle mit archaisch wirkender Musterung, deren Stilistik zwischen Antike und dem Stil ihrer Jersey-Ensembles angesiedelt war. 1924 entwarf Chanel die Kostüme für das Ballett Le Train Bleu (Musik Darius Milhaud, Leitung Serge Diaghilew, Impresario der Ballets Russes). Die Aufführung war Teil des Rahmenprogramms der Olympischen Spiele 1925. Daher wurde das Stück in die Welt des Sports verlegt. Chanel kreierte Tenniskleidung und Badeanzüge aus Wollstrick, deren zweiteilige Form bald auch an den Stränden getragen wurde. Diese prosaisch anmutende Nähe zur Sportkleidung zeigt Chanels ästhetische Opposition zu Poiret, dessen Kreationen sie als überladene Verkleidungen kritisierte. 

Zweidimensionalität und Maschinencharakter: Figurine von Michail Larionow

Maschinen-Kostüme

Die russische Revolution von 1917 brachte neue Formen des Agitationstheaters für die Massen. Futurismus und Konstruktivismus erklärten die industrielle Mechanisierung zum Kunstprinzip der Zukunft. Konstruktivistische Bühnenbilder bestanden aus meist monochromen Flächen, die in Bewegung gesetzt wurden, dem entsprachen ebenfalls aus Flächen zusammengesetzte Kostüme.

Ein der pyschologisch naturalistischen Figurencharakterisierung konträres Prinzip war die an vorbürgerliche Epochen erinnernde zeichenhafte, sich ins Absurde steigernde Attributierung der Theaterfiguren, die die Künstler auch an sich selbst praktizierten. So pflegte Majakowski im Laufschritt mit einem bodenlangen Mantel und einem Kochlöffel am Revers die St. Petersburger Boulevards entlangzuhasten.

Der Dramaturg und Professor für Theaterwissenschaft Peter Simhandl weist in seiner Studie „Bildertheater“ von 1993 auf die Ambivalenz der Maschinenkostüme hin. Einerseits ging es Künstlern wie Kasimir Malewitsch um eine „Beschwörung der reinen Abstraktion“ anstelle des „gegenständlichen Gerümpels“.150 Andererseits zeigten die Konstruktivisten die Bedrohungen der Technisierung: „In dem dramatischen Poem Majakowski tritt der Autor selbst auf, umgeben von Kunstfiguren wie einem tausendjährigen Greis mit schwarzen Katzen als Symbolen der Elektrizität, einer sechs Meter großen Freundin und Männern, denen ein Ohr, ein Auge oder ein Bein fehlen. Majakowski […] hat sich gegen den „Aufstand der Dinge“ zu wehren und gegen den „Moloch Stadt“.151

Die Premiere der futuristischen Oper Sieg über die Sonne von Michail Matjuschin im Dezember 1913 war „geprägt durch die flächigen Pappendeckel-Kostüme von Kasimir Malewitsch, die ihren Trägern nur Bewegungen parallel oder im rechten Winkel zur Rampe erlaubten. In seinen Entwürfen für die Hintergrundprospekte stellte sich Malewitsch die Aufgabe, die geforderte Räumlichkeit zweidimensional auszudrücken.“152

Die Zweidimensionalität der Kostüme impliziert einen spezifischen Bewegungskanon der Figur, die nur in der Front- und Profilansicht gedacht ist, nicht aber im räumlichen Dreiviertelprofil.

Oskar Schlemmer und die Bauhausbühne – Kostüme als Raumplastik

„Die menschliche Gestalt wird durch die Kombination stereometrischer Raumkörper, Kugeln oder Kuben zur Kunstfigur, die elementare Gegebenheiten – wie Farbe, Form, Körper und Raum – in ihren Wechselwirkungen sichtbar werden lassen soll.“153

Die Kostüme Oskar Schlemmers (1888 – 1943) am Bauhaus sind Raumplastiken. Zur ihrer Realisierung wurden Baumaterialien wie Kunststoffe und Bleche verwendet. Schon die Materialwahl zeigt die Erweiterung des Kostüms über die textile Umhüllung des Schauspielerkörpers hinaus. Die Figuren werden durch die skulpturalen Kostüme selbst hervorgebracht, indem sie mit dem Tänzerkörper verschmelzen und von diesem bewegt werden. So sind Kostüme nicht Diener, sondern Schöpfer von Figuren. Schlemmer wählte das Ballett als nonverbale, bewegungszentrierte Theaterform zum Ausgangspunkt seiner Figurenerfindungen, die in ihrem räumlich architektonischen Interesse an der Auflösung der Grenze von Bühne und Kostüm arbeitete. Der Raum ist kein von den Figuren separierter Bühnenhintergrund, er beginnt an der Körperoberfläche.154

„Im Buch Oskar Schlemmer und die abstrakte Bühne (S. 19) liest man: ‚Meinen theoretischen Spekulationen voraus ging eine praktische Arbeit: die Kostüme und Masken zu dem Triadischen Ballett. Es war die erste konsequente Demonstration des raumplastischen Kostüms. Raumplastisch, weil es sozusagen farbige und metallische Plastiken sind, die sich, von Tänzern getragen, im Raum bewegen, wobei das Körpergefühl entscheidend beeinflusst und verändert wird, derart, dass der scheinbar vergewaltigte Körper, je mehr er mit dem Kostüm verwächst, zu neuen tänzerischen Ausdrucksformen gelangt. Die Kupferkugel zum Beispiel, die die Arme zu kreuzen zwingt und sie ihres Charakters als Balancierstangen beraubt, verlegt die Bewegungsfunktion in die Beine, die das gesamte Oben ab Hüfte als massiven, glänzenden Ballon durch den Raum tragen. Oder: das überbetonte rechte weiße Kolossal-Bein als alleiniges Schwungbein […] dieses wesentlich asymmetrische Kostüm […] stellt besonders hohe Anforderungen an seinen Träger, lohnt ihn aber […] mit neuen starken Impulsen zum Tanz‘.“155

Glotzt nicht so romantisch …

„[…] so sollte ein Spruch lauten, den [Brecht anlässlich der Uraufführung der Trommeln in der Nacht, 1922] im Zuschauerraum aufhängen lassen wollte.“156 Er steht für die Abstraktionstendenz des politisch ausgerichteten Theaters, welches jegliche „romantische“ Gefühlsduselei und Identifikationssehnsucht im Zuschauerraum bekämpfte. In Berlin war Erwin Piscator mit seinem „Proletarischen Theater“ ein bedeutender Vertreter des politischen Theaters. Im Anschluss an Piscator entwickelte Bertolt Brecht (1898 – 1956) sein „Episches Theater“. Das Regieteam Caspar Neher und Bertolt Brecht verhinderte mittels Verfremdungseffekt alle illusionistischen Effekte und griff archaische Theatermittel wie den von Hand betätigten Spielvorhang oder das Maskenspiel sowie Ausdrucksformen des chinesischen Theaters auf. Zur Entwicklung des Epischen Theaters trug der Bühnen- und Kostümbildner Caspar Neher (1897 – 1962) entscheidend bei. Seine Bild- und Formensprache deutete Elemente des Jahrmarkts, des Barocktheaters wie des Expressionismus zu Elementen seines eigenen ästhetischen Systems der Illusionsunterbrechung um. Das Prinzip der Zweiteilung, nämlich in einen Schauplatz im Vordergrund (Zimmer), der den Durchblick auf einen Hintergrund (Landschaft) ermöglicht, basiert zugleich auf der Stileinheitlichkeit des jeweiligen Schauplatzes wie auf der Unterbrechung der szenischen Illusion durch die Simultaneität der Schauplätze. Zeichen dieses Bruchs ist vor allem der als „Brecht-Gardine“ bekannt gewordene Vorhang, den Neher den Schaubuden der Jahrmärkte absah. Der „kleine Neher-Vorhang“ wird zum Signum des Epischen Theaters und seines Verfremdungsprinzips. 

„Das Kostüm ist seit jeher einer der wichtigsten Faktoren des Bühnenbildes, da es den Darsteller charakterisiert und so dem Bühnenbild selbst den eigentlichen Akzent gibt.“ Diese Äußerung Nehers im Rahmen eines Hörfunkinterviews von 1947 zeigt die enge Verflechtung von Bühnen- und Kostümbild in seiner Theaterkonzeption.157 Der Stileinheitlichkeit von Bühne und Kostümen schrieb Caspar Neher große Bedeutung zu. Als Kenner der Modegeschichte entwarf er für Shakespeare-Inszenierungen weiterhin historistische Kostüme aus Samt, Brokat, Seide und Pelz. Doch die Stileinheitlichkeit bei Neher sollte ja gerade die historistische Bühnenillusion überwinden: „Bei der Wahl des Materials (des Stoffes) stellt Caspar Neher stets die dramaturgischen Forderungen des Stückes, der Inszenierung in den Vordergrund. So lässt er in seiner Szenierung von Leben Eduards des Zweiten von England(19.3.1924, München, Kammerspiele, Regie: Bertolt Brecht) nicht die auf dem Theater üblichen prachtvollen Gewänder und glänzenden Rüstungen fertigen, sondern Kostüme aus rohem Rupfen mit einfachen Kettenhemden und Blechbeschlägen, um auch an der Kleidung der Figuren das rauhe, primitive, bäuerische Mittelalter kenntlich zu machen.“ Mit dieser atmosphärischen korreliert auch die stilistische Funktion des Rupfens: Kostüme und Bühnenbild, dessen Oberflächen ebenfalls mit rohem Rupfen bespannt sind, verschmelzen zur angestrebten „totalen Einheit der Gestaltung“.158

Nehers Kostüme, seine Verwendung von Perücken und Masken, sollten den „Grundgestus der Figur“ betonen und „den Darsteller in seiner Intensität unterstützen.“ Das Wechselspiel, das Halbmasken durch „starren Ausdruck der oberen und beweglichen Ausdruck der unteren Gesichtshälfte“ erzeugen, nutzte Neher – und nach ihm auch Giorgio Strehler im Piccolo Teatro in Mailand – zur Intensivierung des Ausdrucks der Figuren.159

Wiederbelebung der Stegreifkomödie als traditionell volksnaher Theaterform im Piccolo Teatro

Im Rückgriff auf die italienische Tradition Commedia dell’Arte und im Anschluss an Brecht widmete sich Giorgio Strehler (1921 – 1997) mit dem Ensemble des Piccolo Teatro in Mailand der Maskenkunst und Spielakrobatik des Typustheaters: „Nach dem Ende des Faschismus in Italien kam es im Zuge der Neubesinnung auf die Ziele des Theaters zu einer Wiederbelebung der Stegreifkomödie im bewussten Rückgriff auf alte Traditionen und Typen der Commedia dell’Arte. […] Die Herstellung der Masken ist dem Namen Sartori verbunden […]. Bei der Verwendung der Masken im Rahmen dieser Arbeit ging es schwerpunktmäßig um eine Erneuerung theatralischer Ausdruckskraft durch expressive Gestik. So fungiert die Maske u. a. als Übungsinstrument für die Schauspieler, die unter Verzicht auf das Mienenspiel allein durch Gestik die Maske verlebendigen müssen.“160

Von den 1950er Jahren bis zur Gegenwart

Ein Kennzeichen des Kostüms der Gegenwart ist dessen Ahistorizität, seine Emanzipierung von der ursprünglich im Stück vorgegebenen Zeit oder Epoche. Diese Ahistorizität „gehorcht nun freilich ausgesprochen dramaturgischen Überlegungen und dient dazu, die Handlungs- und Entstehungszeit eines Stückes in einen je bestimmten Bezug zu setzen: Sei es, dass eine vollständige Aktualisierung durch zeitgenössische Mode erzielt wird (‚Hamlet im Frack‘) oder ein Stück durch strenge Historisierung von der Gegenwart weggerückt wird. Sei es, dass durch Stilisierung die Zeitlosigkeit und damit die gültige Gleichniskraft des Vorgeführten ganz beansprucht wird oder daß die Durchdringung verschiedener Zeitebenen auch in der Kostümgestaltung für die Modellhaftigkeit und damit für eine über die Zeiten hinweg mögliche Übertragbarkeit einer Handlung oder gewisser ihrer Aspekte sorgen soll.“161 Insofern wird der Grad der Stilisierung für jede Inszenierung von den Kostümbildnern als Teil der gemeinsamen künstlerischen, dramaturgischen und konzeptionellen Arbeit aller an der Inszenierung beteiligten Künstler entschieden.

Die Vielfalt der Arbeitsweisen

Kostümbildnerinnen und Kostümbildner wurden im 20. Jahrhundert mehr und mehr als Künstlerpersönlichkeiten sichtbar, die – oft in Verbindung mit lebenslangen Arbeitspartnern in der Regie – eigene Sichtweisen der Theaterarbeit und persönlich prägnante „Handschriften“ in ihren Kostümbildern entwickelten.

So zeigt das Kostümschaffen bis in die Gegenwart eine Vielfalt der Einzelleistungen, die hier keinesfalls angemessen gewürdigt werden kann.

Die Beispiele im Folgenden können lediglich einige sporadische Einblicke in die Kostümarbeit geben. An dieser Stelle sei auf die Gespräche und Beiträge in diesem Band verwiesen, in denen bedeutende Kostümbildnerinnen und Kostümbildner über ihre Arbeit und ihre Sicht auf den Beruf berichten.

Die Vielfalt der Arbeitsweisen zeigte sich seit den 1950er Jahren auch in der Entwicklung neuer Ensembleformen und Arbeitsweisen sowie der Etablierung neuer Spielstätten außerhalb der Theaterbauten mit Bühnenräumen ohne Portalrahmen.

Der bürgerliche Theaterbetrieb mit seinen Hierarchien und arbeits teiligen Strukturen wurde in Frage gestellt. Seit der Gründung des Living Theatre 1947 in New York bildete sich eine Szene freier Gruppen mit kollektiven Arbeitsformen. Auch in Theatern wie der Berliner Schaubühne wurden Mitbestimmungsmodelle erprobt. Inszenierungen bekamen Projektcharakter und fanden an den unterschiedlichsten Orten wie beispielsweise in ehemaligen Fabrikhallen statt. Diese räumliche wie dramaturgische Öffnung des Bühnenraumes zum Tiefenraum, die um 1900 mit dem „Bühnenterrain“ Appias ihren Anfang nahm und in den 1960er Jahren bis in die Gegenwart fortgeschrieben wurde, hatte tiefgreifende Folgen für das Kostümbild. Kostüme waren nicht länger an die Zweidimensionalität illusionistischer Bühnenhintergründe gebunden. Vorgaben des Typus oder eines historistischen Stilschemas entfielen. Insofern konnten Kostüme nun in ihren räumlichen, ästhetischen und dramaturgischen Funktionsweisen neu bestimmt werden.

Stilkostüme I

Auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzt sich die Arbeit am Stilkostüm fort, so beispielsweise in den Kostümen von Jürgen Rose für Ballettinszenierungen des Choreographen John Cranko (1927 – 1973). Bedeutend waren u. a. die Kostüme für Romeo und Julia von 1962. Bis in die Gegenwart spielen Stilzitate in Kostümbildern eine wichtige Rolle und werden auf unterschiedlichste Weise eingesetzt. 

Auch wenn es in diesem Text um Bühnenkostüme geht – beim Thema Stilkostüm nach 1945 denkt man unwillkürlich an die spitzbusigen Historien-Kostüme in Filmen der 1950er und -60er Jahre. Heute wirken sie meist befremdlich. Korseletts oder spitze 1950er-Jahre-BHs verformten die Silhouetten mittelalterlicher Stilroben, die von hochkarätigen Filmdesignern für die Filmdiven entworfen und deren Style angeglichen wurden. Doch ab den 1970er Jahren wurden die Kostüme im Film wie auf der Bühne historisch präziser und wandelten sich zu detailgenauen Nachbildungen ihrer historischen Vorbilder. Ein bemerkenswert frühes Beispiel sind die Kostüme für Il Gattopardo von Piero Tosi (Regie Luchino Visconti 1963). Die Kostüme zeigen eine hohe Präzision der historischen Schnittführung, der Trageweise und des Details. Um 1975 scheint sich im Kino wie im Theater – bekanntes Beispiel sind die Kostüme von Moidele Bickel an der Berliner Schaubühne – ein neuer Kostümstil etabliert zu haben, dessen ästhetisches Programm durch die Präzision des historischen Details geprägt ist, ohne jedoch eine museale Imitation historischer Kleidung im Kostüm zu realisieren. Der Grad der Stilisierung entsteht hier durch eine konzeptionelle wie ästhetische Reinterpretation der historischen Vorbilder. 

Stilkostüme II – Hakama und Halskrausen – Elemente ethnischer und ritueller Kleidung im Stilkostüm

Die Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und Konzeptionen führte zur Auseinandersetzung mit indischen, japanischen oder afrikanischen Theatertraditionen, die auch die Kostümbilder prägte. Ein Beispiel ist Peter Brooks Fassung des indischen Epos Mahabharata von 1985. Chloé Obolensky schuf ein Kostümbild, das realer ritueller Kleidung gleichkommt. 

Das Théâtre du Soleil arbeitet bis heute mit indischen, kambodschanischen und japanischen Theaterformen, die Ariane Mnouchkine, Gründerin und Leiterin der Gruppe, auf ihren Asienreisen erforscht hat. Im Antiken-Zyklus Les Atrides (1990 – 1993) verbanden sich Elemente indischer Tanzkostüme mit griechischer Kleidung der archaischen Zeit. Zuvor war der Shakespeare-Zyklus von 1981/82 aus dem Studium des japanischen Nô und Kabuki und des indischen Kathakali entstanden. Die Kostüme für den Shakespeare-Zyklus und viele weitere Inszenierungen des Théâtre du Soleil schuf Jean-Claude Barriera. Die Bühne entsprach der Kabuki-Bühne mit Stegen für die Auftritte: „Mit Richard II beginnt der Shakespeare-Zyklus […]. Schon der wuchtige erste Auftritt, wenn unter dumpfen Trommel-Rhythmen der königliche Hof, angeführt von Richard, auf dem langen Seitensteg als wallende Woge rauschender Seide auf die Bühne einprescht […] zeugt von […] Nô und Kabuki. Die Kostüme der Adeligen in schwarzgoldenen knöchellangen Kimonogewändern, vage inspiriert von Nô und Kabuki, sind mit einer hellen elisabethanischen Halskrause kombiniert. Die Schauspieler tragen weiße Schminkmasken, nur die ‚Alten‘ tragen eine Holzmaske balinesischer Art mit einem roten Stirnband und zusätzlich roter Schärpe. Die Farbe Rot zeigt in der weißen Schminkmaske des Kabuki den Mut an.“162

In La Nuit des Rois (Was ihr wollt), dem 2. Teil des Zyklus, sieht man Georges Bigot als Orsino „in weißer Schminkmaske mit einem großen Seidenturban und dünnen Röhrenhosen in Beige-Gold-Tönen, dieser indische Maharadscha, liebestrunken, melancholisch und narzisstisch zugleich […]. Bei den Kostümen dominieren Pastellfarben für die Protagonisten, der Narr und Maria sind bunt gekleidet; die vier Männer im Hause Olivias, ihr Onkel Sir Toby Belch, sein Freund Sir Andrew Aguecheek, Fabien und ihr Haushofmeister Malvolio treten in schwarz-[beige]-gold auf, Malvolio mit elisabethanischer Halskrause.[…] Die vier Protagonisten aus ‚adeligem Hause‘ Orsino, Olivia, Viola und Sébastien“ kennzeichnen ihre Renaissance-Wämser mit geschlitzten Ärmeln, die sie zu indischen Hosen tragen. 

In Henry IV werden „die Spielformen der Samurai in den schwarz-rotgold-farbenen Kostümen, wie auch die der Bouffonnerie in Pastelltönen aus den beiden vorausgehenden Inszenierungen aufgenommen, fortgeführt und weiterentwickelt. […]. Im fünften und letzten Akt bestimmt der offene Krieg das Geschehen […]. Der Putz der Krieger, die Schönheit ihrer Kostüme, wird kontrastiert von ihrer Angst vor dem Krieg. […] Die einst mächtigen Adeligen werden durch die Hatz des Todes zu bluttriefenden Opfern; das Blut läuft ihnen in Form roter Wollfäden aus den Mündern, die dann zitternd vor ihren Gesichtern hängen. Die Dominanz des Visuellen der Grausamkeit gegenüber einer etwaigen psychologischen Differenziertheit bringt die grotesken und absurden Züge der Shakespearschen Chronik verstärkt zur Geltung. Entlehnt ist diese Bildlichkeit dem Kabuki, das das Bild des ‚Sich am Blut der Feinde berauschen‘ kennt.“163

Gleichberechtigung des Visuellen

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts arbeiten Kostümbildner, Bühnenbildner und Regisseur in der Regel als Regieteam zusammen. Am konsequentesten wird die Idee einer Gleichberechtigung von Regie, Bühne und Kostümen im Bildertheater umgesetzt. Hier werde den „visuellen Komponenten […] zumindest eine absolute Gleichberechtigung […]“164eingeräumt, so Peter Simhandl. Die neuere Entwicklung des Bildertheaters wurde vor allem durch Achim Freyer und Robert Wilson geprägt und zu jeweils eigenen Theater- und Kostümkonzeptionen weiterentwickelt.165

In Achim Freyers Figuren, beispielsweise für seine Inszenierung von Händels Messias (Deutsche Oper, Berlin 1985), amalgamierten Kostüme und Maske untrennbar mit den Körpern der Schauspieler zu Figuren und diese wieder mit dem Gesamtbild der Bühne, die sich im Portalausschnitt als zweidimensional gedachte Fläche zum Bild verdichtete. Diese Ausrichtung an der Bühne als Bild-Fläche impliziert die Idee der Stileinheitlichkeit aller Elemente, nicht im Sinne einer ästhetischen Gleichförmigkeit, sondern einer Unausweichlichkeit der Stilbildung in der Summierung aller Elemente. Die konzeptionelle Analogie dieser stilistischen Gesamtheit ist die künstlerische Gleichrangigkeit aller Elemente und die Untrennbarkeit von Regie, Schauspiel und Bild. 

„Schwebezustand zwischen Zeichen- und Objekthaftigkeit“

In ihren Ausführungen zu Einar Schleefs166 Kostümschaffen beschreibt Miriam Dreysse ein Paradigma des Kostümbilds: den symbolischen Einsatz von Farben, Formen und Kleidungsstücken. Dreysse analysiert die paradigmatische Bedeutung der Kostümbilder Einar Schleefs eindrucksvoll, indem sie zeigt, wie sich Schleefs Kostüme in ihrer Objekthaftigkeit zu ästhetischen Ereignissen verselbstständigen können, deren symbolische Reichweite über das Szenische hinausweist. 

„Die Kostüme Schleefs haben immer einen zeichenhaften Bezug zum Dargestellten, werden aber zugleich in ihrer Objekthaftigkeit ausgestellt. Dies geschieht durch abstrahierende Formgebung, ihre chorische Vervielfältigung, durch expressionistische Übersteigerung (z. B. die fünfzig Meter lange Schleppe des Kaisers oder überdimensional große, goldene Hüte der Hofdamen in Götz oder zwanzig Zentimeter hohe Plateauschuhe in Salome) oder durch die Hörbarmachung ihrer Stofflichkeit, wenn beispielsweise ein Tüllschleier minutenlang geräuschvoll über den Boden schleift. Bestimmte Kostüme kommen immer wieder vor, so der Kittel, der in fast allen Inszenierungen […] vom Frauenchor getragen wird. Er verweist auf die gesellschaftliche Rolle der Frau, indem er an Putz- und Hausfrauenkittel, aber auch an die Trümmerfrauen der 1940er Jahre und an uniformierende Fabrikarbeiterkleidung erinnert. […] Die Kostüme Schleefs befinden sich so immer in einem Schwebezustand zwischen Zeichen- und Objekthaftigkeit.“167

Analyse der Epochen

Weihnachten 1976 in einer Halle des Ufa-Geländes in Berlin-Haselhorst: Mit Shakespeare‘s Memory168 werden die Ergebnisse einer intensiven Recherche des Schaubühnen-Kollektivs zum Elisabethanischen Zeitalter vorgestellt. Die legendären Kostüme schuf Moidele Bickel, eine der bedeutendsten Kostümbildnerinnen des 20. Jahrhunderts. 

Mit Shakespeare‘s Memory zeigte die Schaubühne ihre spezifische Arbeitsweise: Der Text des Dramas wird nicht den Regieideen angepasst, sondern gründlich studiert und sein historischer Kontext erforscht. Diese Erkundungen waren ursprünglich zur Vorbereitung einer geplanten Shakespeare-Inszenierung begonnen worden – die mit Wie es Euch gefällt ein Jahr später folgte. Diese intensiven vorbereitenden Recherchen weiteten sich aber zu einem eigenständigen Theaterereignis aus. Auf Simultanbühnen wurden Weltbilder erklärt, Seiltanz, Jonglage und Akrobatik zeigten das Können der elisabethanischen Schauspieler. Die Virgin Queen Elisabeth I. thronte einer Gotteserscheinung gleich in der berühmten weißen Staatsrobe hoch über den Köpfen des Publikums auf einem prachtvollen Wagen, der durch das Meer der Zuschauer seine Bahn zog. Nach Auskunft von Hans Thiemann, der damals die Requisiten und historischen Objekte skulptural umsetzte, war das erklärte Ziel die präzise Rekonstruktion der historischen Geistes-, Körper- und Objektwelt in allen Bereichen der Arbeit. So wirkten auch die Kostüme von Moidele Bickel wie Originale. Ihre handwerkliche Perfektion war ein Beitrag zur Rollenarbeit des Schauspielers und ging bis hin zu bewusst eingesetzten Materialoberflächen in der Innenverarbeitung der Kostüme, die dem Schauspieler ein körperliches Einfühlen in die Figur erleichtern sollten.

Der nackte Körper – acht Stunden Strapaze und tropfender Honig

Fotos der Aufführung zeigen es: Die Schauspieler sind mit Honig verschmiert und kaum bekleidet, tragen dunkle Umhänge oder Felle, die sich beim näheren Hinsehen als Damen-Pelzjäckchen oder als Fuchsstola entpuppen: Kostüme – wie die der Kostümbildnerin Susanne Raschig für die Schaubühnen-Inszenierung der Bakchen169 1974 – lösen sich durch bewusste Stilbrüche und ausgestellte Improvisation aus jeglichem Stilzusammenhang. 

Die Aufführungsfotos der Bakchen zeigen eine Szenerie von Naturhaftigkeit und Archaik, ein Motiv verschiedener Kunst- und Theaterkonzeptionen seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Hellmuth Karasek urteilte damals im Spiegel, mit den zwei lebenden weißen Pferden auf der Bühne der Bakchen werde ein Natursymbol eingesetzt, welches Joseph Beuys zuvor auf der documenta 1969 eingeführt hatte. Das von Karasek beschriebene Motiv des Archaischen findet sich in der im Kostümbild angelegten Nacktheit der Schauspieler wieder. Die nackten Körper in der Kunst der 1960er und 1970er Jahre dienten der Provokation, waren oft erschreckend hässlich, schwitzend und verschmiert. Die inszenierte Nacktheit rebelliert gegen die bürgerlich-christliche Tradition und deren Distanzierung vom nackten Körper.170

Heute provozieren nackte Körper nicht mehr. In den Inszenierungen der Gegenwart wird Nacktheit auf verschiedenste Weise eingesetzt. Der nackte Körper wirkt authentisch. Er evoziert ein Bild der „Geworfenheit, Vergänglichkeit und Verletzlichkeit“, so Henrike Thomsen.171 „Als ambivalente Chiffre für Wahrheit/Natürlichkeit auf der einen und Maske/Verstellung auf der anderen Seite, wurde bisher gern der Körper von Frauen zitiert. […] Es ist erstaunlich, wie der Körper durch triviales Ausstellen aber verstummt. Dies zeigte sich in jüngerer Zeit durch die Ankunft einer neuen Theaterfigur, dem Stricherjungen oder Techno-Boy in der britisch beeinflussten jungen Dramatik und Regie. Von ihren glänzenden, knapp sitzenden Höschen bis hin zu dem aufreizenden, wellenförmigen Tanz-Stil hat sich für diese Spezies ein einheitliches Darstellungsformat durchgesetzt. Es besteht aus nichts als Posen […]. Die Gestalt des Darstellers wird […] eine bewegliche Projektionsfläche des Jugendkults, selbst aber unsichtbar unter dem überbeleuchteten Bild.“172

„Kostüme zwischen Verschwinden, Verfremdung und Entfremdung …“173

„Die Unübersichtlichkeit des Mülls ist ein Indiz für einen Reichtum der Formen, der jede Kontrolle übersteigt.“ (Boris Groys)

1989 fällt die Mauer. Die ehemalige DDR überschwemmt eine von globalisiertem Massenkonsum geprägte westliche Alltagskultur, deren triviale Ästhetik in Kostüm- und Bühnenbildern immer häufiger zitiert wird.

Rüdiger Schaper schreibt 2002 zu Triumph der Liebe174, einer Schaubühnen-Inszenierung aus dem Jahr 1985: „Es wurde ein Triumph der Kultiviertheit […]. Ein Schmuckstück von erlesener, beinahe erstickender Eleganz. Doch der Narzissmus der Figuren war gnadenlos, das Sterben in Schönheit und Selbstverliebtheit ein geradezu musikalischer Akt: Weit, unendlich weit ist der Weg zum harten Sozialrealismus, zur Wohnküchen-Trash-Romantik […] von heute.“175

2002 plädierte Thomas Ostermeier für einen neuen Realismus: „Das politische Theater der 68er-Generation ist tot. Das Theater der wohltemperierten, kulinarischen Klassikeraktualisierung für gebildete Gourmets, die sich auch an den schärfsten, exotischsten Appetithäppchen nicht mehr verschlucken, diese liberalen aufgeschlossenen Bildungsbürger der letzten Generation werden leise mit diesem Theater aussterben. Die nächste Generation hat sich, wenn sie nicht mit Mutti und Vati ins Theater geht, längst ins Kino abgemeldet. […] Die Haltung des Realismus versucht die Welt auszudrücken, wie sie ist, nicht wie sie aussieht. Sie versucht Wirklichkeiten zu begreifen und sie zu refigurieren […]. Diese Haltung will im Wiedererkennbaren das Befremden auslösen.“176

Die Kostüme dieser „Trash-Romantik“ ähneln oder entsprechen meist der Alltagsbekleidung, sind alltäglich banal und „second hand“. Reale Kleidung, bei Humana gefunden, wird bewusst aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gelöst und im Kostümbild stilistisch gesampelt. Ähnlich der Grunge-Mode werden Gebrauchsspuren oder modisch veraltete Stilistik der Humana-Kostüme zum künstlerischen Statement. „Kostüm. Nicht Figurinen. Kostüm so wenig wie möglich und so viel wie nötig. Nacktes nicht als Naturgewalt und nicht ‚zum Erregen‘, sondern mehr die heruntergelassenen Hosen, die ehrliche Haut, die man herzeigen muß […]. Meist greift Bert Neumann177 ungern zu Katalogen, kaum zur Schneiderei. Gefundenes ist besser; im Fundus, im Altkleiderhandel ‚Humana‘, durchaus auch im ‚Müll‘, möglichst in den eigenen Erlebnissen.“178

Das Prinzip der Wiederverwertung, aber auch der handwerklich oft anspruchsvollen Nachbildung getragener Alltagskleidung ermöglicht die Zuspitzung alltäglicher Erscheinungsbilder wie in Anna Viebrocks Kostümen für Murx den Europäer! 1993 an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.179 Überbreite Hüften, krumme Rücken oder Bauchfalten werden kunstvoll hergestellt und akzentuiert durch den ebenso präzise gearbeiteten „schlechten“ Sitz der Kleidung. 

„Der gerade [2003] ausgehandelte Normalvertrag Bühne dünnt (in Paragraph 25) auch das Regelwerk zur Kleiderordnung weiter aus. Jetzt sind nur noch ein Straßenkleid bzw. ein Straßenanzug und das zugehörige Schuhwerk und die Kopfbedeckung vorgeschrieben, also nicht mehr die Abendgarderobe, und auch die Mäntel sind gestrichen. […] Von der Alltagskleidung, die Frauen und Männer heute üblicherweise tragen, Jeans und T-Shirt zum Beispiel, ist übrigens nirgendwo die Rede.“180 Im Gewirr der Looks und Styles gegenwärtiger Massenmode von Casual bis Sportswear verblassen die klassischen Standards der bürgerlichen Kleidung. Ein Anzug auf der Bühne hat fast schon Symbolcharakter, wirkt kaum noch als triviales Alltagszitat. 

„Kostüme zwischen Verschwinden, Verfremdung und Entfremdung“ lautet der Titelzusatz des Textes „Stumme Diener“ von Johanna Dombois aus dem Jahr 2003. In der Verwendung von Massenkleidung in Kostümbildern sieht sie eine folgenreiche Invention. Das triviale „Konfektionskostüm“ (Dombois) dient einerseits der Vermeidung auffälliger Stilisierung. Andererseits wird der Kostümkauf bei H&M – der ja die Neuanfertigung unnötig macht – zur Legitimation für empfindliche Kürzungen der finanziellen und personellen Mittel in den Kostümabteilungen. Zudem forciert der Verzicht auf Neuanfertigungen langfristig den Verfall von Kostümwissen.

Doch auch weiterhin entstehen Kostüme, die nicht der Alltagskleidung entstammen. Dombois sieht 2003 bereits eine Tendenz zu einem „neuen Anti-Illusionismus“, durch grafische Effekte und Abstraktion, durch Formenspiele, Beschriftung oder Projizieren der Kostüme.181 Exemplarisch seien hier die Kostüme von Andrea Schmidt-Futterer für Turandot(2015)182 genannt, die zeigen, dass Kostüme – weit von Alltagskleidung entfernt – skulptural komplexe Kunstwerke sein können. Ob Alltagskleid oder kunstvolle Skulptur – die Unterschiede der Herangehensweisen an das Kostümbild sind groß. Das zeigt auch das Schaffen der Kostümbildnerinnen und Kostümbildner, die im vorliegenden Band zu Wort kommen. 

Berufsbilder

Bereits in der Renaissance treten Spezialisten auf den Plan. Sie werden gebraucht, um die anspruchsvollen Interieurs und Kostüme höfischer Theater- und Festkultur zu entwerfen und zu realisieren. Arcimboldo oder Inigo Jones sind Hofkünstler, Zeitgenossen verehren sie als Genies, dennoch bleiben ihre Werke in den vom Hof vorgegebenen Grenzen. Meil und Chodowiecki repräsentieren den Kostümzeichner, der sowohl Entwurfszeichnungen, als auch Rollenbilder anfertigt. Seine Expertise wird gehört und hoch geschätzt, in der Realisierung der Kostüme aber zerredet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich schließlich ein Verständnis von Kostümbild als Profession berufener Kostümbildnerinnen und Kostümbildner.

Wie unterschiedlich die Sichtweisen des Berufs auch sein mögen: Entwurf und Realisation eines Kostümbilds erfordern spezifische künstlerische, konzeptionelle, handwerkliche und organisatorische Kompetenzen. Diese werden auf unterschiedlichste Weise in der Praxis wie im Studium erworben. Seit den 1960er Jahren sind Kostüm- und Bühnenbild als akademisch anerkannte Studiengänge an Kunsthochschulen und Kunstakademien vertreten, werden die künstlerischen, handwerklichen und theoretischen Aspekte des Entwurfs und der Realisierung eines Bühnen- oder Kostümbilds in akademischen Studienordnungen immer wieder neu formuliert, denn die Kunst des Kostümbilds wandelt sich ständig.

Eins aber bleibt konstant: Die Marginalisierung des Kostüms seitens der Theaterkritik und der Theaterwissenschaft. Ganze Jahrbücher von Theaterzeitschriften kommen ohne die Erwähnung auch nur des Wortes „Kostüm“ aus und sind doch auf fast jeder Seite mit Hochglanzfotos von Kostümen bebildert. Warum? Das bleibt wohl weiterhin ein Geheimnis …

Julia Burde, Kostüm- und Bühnenbildnerin, ist Dozentin für Geschichte und Theorie der Kleidung und Mode an der Universität der Künste Berlin, der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und am Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam. Sie promoviert derzeit zur Männermode und „Männlichkeit“ in der Kleidung des 19. Jahrhunderts.

 

1 Fauque 2011, S. 18

2 Ebd.: „établir le costume signifiait bien davantage définir le rôle et cerner le personnage que choisir un costume de scène“.

3 Duden, Das Herkunftswörterbuch, Dudenverlag 2001

4 Mentges 2010, S. 18

5 Gregor 1925, S. 16

6 Ebd., S. 14

7 Gregor 1925, S. 15 – 17

8 Loschek 1994, S. 319

9 Lehnert 2001, S. 532

10 Klara 1931, S. 187

11 Gerlach 2009, S. 9

12 Ebd.

13 Ebeling 1987, S. 98 – 99

14 Ebd., S. 100 – 101

15 Marcia 1982, S. 12 – 13

16 Ebd.

17 Gregor 1925, S. 134

18 Ebd., S. 133: „Es dürfte unwidersprochen bleiben, […] wenn dem antiken Bühnenkostüm plastische Hauptwerte zugelegt werden. Vom ausgehenden Mittelalter ab läuft demgegenüber das Bestreben, das Bühnenkostüm durch Form und Farbe auszuzeichnen“.

19 Ebeling 1987, S. 99f.

20 Ebd., S. 100

21 Ebd., S. 96

22 Ebd., S. 102f.

23 Ebd., S. 96

24 Ebd., S. 102f.

25 Der Himation war der Mantel der männlichen Stadtbürger und bestand aus einem etwa vier oder fünf Meter langen rechteckigen Wollstoff, der um den Körper drapiert wurde.

26 Mit Chiton wird ein Grundtypus des antiken Hemdgewandes bezeichnet.

27 Pekridou-Gorecki 1989, S. 130f.

28 Sucher 1996, S. 242f.

29 Ebd.

30 Ebd.

31 Marly 1982, S. 10

32 Sucher 1996, S. 243

33 Ebd., S. 162, 243

34 Gregor 1925, S. 133

35 Ebeling 1987, S. 115

36 Sucher 1996, S. 243 – 244

37 Ebeling 1987, S. 115

38 Sucher 1996, S. 243 – 244

39 Mit „Zeitkostüm“ bezeichnet Joseph Gregor die zeitgenössische Kleidung einer Epoche.

40 Ebeling 1987, S. 115

41 Marly 1982, S. 11–12

42 Mayerhofer-Llanes 2006, S. 17 ff.

43 Beyer 1983, S. 10 – 11

44 Sucher 1996, S. 112

45 Gregor 1925, S. 80 – 81

46 Marly 1982, S. 23

47 Ebd., S. 10

48 Ebd.

49 Ebd., S. 14 – 15

50 Ebd., S. 14

51 Ebd., S. 17–19

52 Ebd., S. 10

53 Ebd., S. 13

54 Ebd., S. 10, 23

55 Ebd., S. 83 – 95

56 Ebd.

57 Ebd., S. 12

58 Ebd., S. 12 – 13

59 Gregor 1925, S. 20

60 Ebd., S. 133 – 134

61 Vgl. Ebd.

62 Sucher 1996, S. 244

63 Marcia 1982, S. 29

64 Marly 1982, S. 11

65 Elisabethanisches Theater

66 Lublin 2011, S. 31

67 Berthold 1968, S. 305, 347 [vgl. S. 305]

68 Ebd.

69 Ebd.

70 Ebd.

71 Klara 1931, S. 2 – 3

72 Marly 1982, S. 27 – 28

73 Ebd.

74 Ebd., S. 26 – 27

75 Klara 1931, S. 22

76 Ebd., S. 5

77 Ebd., S. 16

78 Ebd., S. 15

79 Konrad Ernst Ackermann (1712 – 1771) war Schauspieler und gründete 1751 eine eigene Truppe.

80 Friedrich Ludwig Schröder (1744 – 1816), Schauspieler und Dramatiker, war der Sohn der Charlotte Schröder (1714 – 1792), die in zweiter Ehe mit Ackermann verheiratet war und gemeinsam mit ihrem Sohn die Leitung der Truppe Ackermanns nach dessen Tod übernahm.

81 Berthold 1968, S. 355 – 356

82 Gerlach 2009, S. 12

83 Klara 1931, S. 2

84 Gregor 1925, S. 20

85 Gertrud ist die Mutter Hamlets.

86 Klara 1931, S. 46

87 Ebd.

88 Ebd., S. 64

89 Ebd., S. 65

90 Ebd., S. 70 – 71

91 Ebd., S. 58

92 Ebd., S. 23 – 25

93 Ebd., S. 70 – 71

94 Ebd., S. 73 – 74

95 Ebd., S. 28 – 35

96 Ebd.

97 Ebd.

98 Ebd., S. 36

99 Ebd., S. 41 – 42

100 Ebd.

101 Gerlach 2009, S. 21 – 22

102 Ebd., S. 19

103 Klara 1931, S. 188 – 191

104 Berthold 1968, S. 356 – 358

105 Ebd., S. 406 – 407

106 Gregor 1925, S. 133: „Das XVIII. Jahrhundert übernimmt dieses stilisierte Bühnenkleid, und fängt zuerst an, ernstlich historisch daran zu arbeiten. Wiewohl einzelne hervorragende Schauspieler des ausgehenden XVIII. Jahrhunderts […] lebhaft nach psychologischer Erscheinung des Kostüms ringen […] kann noch in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts ein Stilkleid, durch Vermischung allerlei geschichtlicher Details, zustande kommen.“

107 Klara 1931, S. 35

108 Berckenhagen, Wagner 1978, S. 149 – 150

109 Max Grube (1854 – 1934) war Autor, Schauspieler und Theaterleiter. 1926 publizierte er die „Geschichte der Meininger“.

110 Berthold 1968, S. 412

111 An dieser Stelle sei Frau Susanne Franke, Geschäftsführerin der Theaterkunst GmbH (Eisenzahnstr. 43 – 44 in 10709 Berlin) und ihren Mitarbeitern ganz herzlich für die freundliche Unterstützung bei der Nutzung der hauseigenen bibliophilen Sammlung und der Suche nach Quellenmaterial für diesen Artikel gedankt!

112 Becker 1918

113 Ebd.

114 Pensée ist abgeleitet vom französischen für Sinn oder Gedanken. Zugleich wird mit pensée das Stiefmütterchen – ein Symbol vergeblicher Liebe – und dessen dunkellila Farbe bezeichnet.

115 Becker 1918

116 Marly 1982, S. 120

117 Berthold 1968, S. 405

118 Ebd., S. 414 – 415

119 Marly 1982, S. 125

120 Berthold 1968, S. 353 – 354

121 Jacques Offenbach (1819 – 1880) gilt als Begründer des Genres der Operette.

122 Ebd., S. 407

123 Die Operette von Jacques Offenbach hatte am 21. Oktober 1858 im Théâtre des Bouffes-Parisiens Premiere.

124 Eugène Lami (1800 – 1890) war ein französischer Genremaler, Lithograph und Innenarchitekt. Er entwarf die Kostüme für die Uraufführung von La Sylphide 1832 und schuf mit dem wadenlangen romantischen „Tutu“ eine bis heute gültige Form des Ballettkostüms. Dennoch bleibt Lami meist unerwähnt.

125 Gregor 1925, S. 119

126 Marly1982, S. 118

127 Ebd., S. 118 – 119

128 Lennartz, S. 41

129 Ebd., S. 42

130 Ebd.

131 Der deutsche Regisseur und Intendant Erwin Friedrich Max Piscator (1893 – 1966) gilt als bedeutender Vertreter der Weimarer Avantgarde. In seinen Inszenierungen verwendete Piscator modernste Projektions- und Theatertechnik.

132 Der Regisseur Wsewolod Emiljewitsch Meyerhold (1874 – 1940) entwickelte eine antirealistische, symbolistische Theaterkonzeption. 1938 wurde Meyerhold wegen antisowjetischer Propaganda verhaftet und 1940 hingerichtet.

133 Stilkostüm bezeichnet einen Kostümtypus, der Stilzitate unterschiedlicher Epochen mischt. Mehr dazu findet sich in den Abschnitten Edward Burne-Jones und Stilkostüm in diesem Text.

134 Konstantin Sergejewitsch Stanislawski (1836 – 1938), russischer Schauspieler, Regisseur und Theaterreformer, steht für die Abkehr vom traditionellen Rollenfach und die individuelle Rollenarbeit.

135 Berthold 1968, S. 432 ff.

136 Peter Simhandl (1939 – 2007) war Theater- und Fernsehdramaturg. Von 1970 – 2000 war er Professor für Dramaturgie an der HdK Berlin und unterrichtete Dramenanalyse im Studiengang Bühnenkostüm (Leitung Prof. Martin Rupprecht).

137 Simhandl 1993, S. 10

138 Ebd., S. 14

139 Ebd.

140 Ebd., S. 16

141 Berthold 1968, S. 439

142 Simhandl 1993, S. 27

143 Ebd., S. 30

144 Ebd.

145 Marly 1982, S. 110

146 Loschek 1994, S. 425

147 Berckenhagen, Wagner 1978, S. 174 [zitiert aus: Rischbieter, Henning / Storch, Wolfgang (Hrsg.): Bühne und Bildende Kunst im 20. Jahrhundert, Velber bei Hannover 1968, S.45]

148 Ebd., S. 181

149 Antigone, 1922, Kostüme Coco Chanel, Regie Jean Cocteau, Bühne Pablo Picasso, Musik Artur Honegger

150 Simhandl 1993, S. 56

151 Simhandl 1993, S. 56

152 Simhandl 1993, S. 55-56

153 Ebeling 1987, S. 123

154 Ebd.

155 Berckenhagen, Wagner 1978, S. 189

156 Ebd., S. 185 [zitiert aus: Franz Hadamowsky, Caspar Nehers szenisches Werk, Wien 1972, S. 13]

157 Tretow 2003, S. 157

158 Ebd., S. 158

159 Tretow 2003, S. 157

160 Ebeling 1987, S. 124

161 Sucher 1996, S. 244 – 245

162 Seym 1992, S. 194

163 Ebd., S. 201 – 217

164 Hilpert 2012.

165 Tretow 2003, S. 117

166 Einar Wilhelm Heinrich Schleef (1944 – 2001) war Kostüm- und Bühnenbildner, Regisseur, Schauspieler und Schriftsteller.

167 Dreysse, S. 148

168 Shakespeare‘s Memory, Schaubühne Berlin 1968, Kostüme Moidele Bickel, Bühne Karl-Ernst Herrmann, Regie Peter Stein

169 Bakchen, Schaubühne Berlin 1974, Regie Klaus Michael Grüber, Bühne Eduardo Arroyo und Gilles Aillaud

170 Rudofsky 1972, S. 151 ff.

171 Thomsen 2003, S. 38

172 Ebd.

173 Dombois, 2003

174 Pierre Carlet des Marivaux schrieb Triumph der Liebe um 1736. 1985 inszenierte Luc Bondy das Stück an der Schaubühne Berlin, Kostüme Moidele Bickel, Bühne Karl-Ernst Herrmann.

175 Schaper 2002, S. 116

176 Ostermeier 2002, S. 8f.

177 Bert Neumann (1960 – 2015) war Bühnen- und Kostümbildner, seit 1992 an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.

178 Bethke, S. 41

179 Kostüme und Bühne Anna Viebrock, Regie Christoph Marthaler

180 Lennartz, 2003, S. 42

181 Dombois 2003, S. 31

182 Turandot, Mailänder Scala 2015, Regie Nikolaus Lehnhoff, Bühnenbild Raimund Bauer. Giacomo Puccinis (1858 – 1924) letzte Oper Turandot wurde 1926 uraufgeführt.

 

Literaturverzeichnis

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Berthold, Margot: Weltgeschichte des Theaters, 1 Band, Stuttgart 1968

Bethke, Ricarda: Nur kein Gesamtkunstwerk. Der Bühnen- und Kostümgestalter Bert Neumann, in: Hans-Dieter Schütt und Kirsten Hehmeyer (Hg.): Castorfs Volksbühne, Berlin 1999, S. 40 – 42

Beyer, Andreas (Hg.): Arcimboldo Figurinen. Kostüme und Entwürfe für höfische Feste, Frankfurt am Main 1983

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Ebeling, Ingelore: Masken und Maskierung. Kult, Kunst und Kosmetik. Von den Naturvölkern bis zur Gegenwart, Köln 1984

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Ostermeier, Thomas: Das Theater im Zeitalter seiner Beschleunigung, in: Harald Müller und Jürgen Schitthelm (Hg.): 40 Jahre Schaubühne Berlin. 1962 – 2002, Berlin 2002, S. 6 – 13

Pekridou-Gorecki, Anastasia: Mode im antiken Griechenland, München 1989

Rudofsky, Bernard: The unfashionable human body, 1. Band, London 1972

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Quellenangaben

Sämtliche Abbildungen sind den Beständen der PRÄSENZBIBLIOTHEK THEATERKUNST entnommen.

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S. 112: „Schauspieler seine Rolle vor Masken studierend. Marmorrelief im Lateran in Rom“, in: Schreiber: Hellenistische Reliefbilder, Leipzig 1894, in: Max von Boehn, a.a.O.

S. 113: „Satyr mit Phallos und Stülpmaske in kurzem Chiton“, in: Fritz Weege: Der Tanz in der Antike, Max Niemeyer Verlag, Halle (Saale) 1926, S. 120, Abb. 169

S. 116: „Niccolo Caparra: Drache. Handzeichnung in den Uffizien in Florenz“, in: Max von Boehn, a.a.O., S. 85

S. 118: „Kopf-Ballett (Engländer, Schotte, Irländer, Franzose, alter Teutscher, Lappländer, Spanier, Polack, Mohr, Türke usw.), aufgeführt bei der Taufe des Sohnes von Herzog Johann Friedrich von Württemberg, Stuttgart 1616, Kupferstich von Merian nach Esaia von Hülsen“, in: Max von Boehn, a.a.O., S. 313

S. 120: „Mustapha II. Türckischer Kaiser“, in: Joseph Gregor: Das Bühnenkostüm in historischer, ästhetischer und psychologischer Analyse, Amalthea Verlag Zürich, Leipzig, Wien, Anhang Abb. 56

S. 121: „Francesco di Georgio. Gestell eines Bühnenzentauren, Handzeichnung der Sammlung Fairfar Murray in London“, in: Max von Boehn, a.a.O., S. 312

S. 123: „Incas, Ballettfigurine, Stich von J.B. Martin“, in: Joseph Gregor, a.a.O., Abb. 110

S. 126:„Die Tänzerin Camargo (Ausschnitt). Kupferstich von Cars nach Lancret“, in: Max von Boehn, a.a.O., S. 312

S. 128: „Francesco Bigottini Romano, Holzschnitt, XVII. Jahrhundert“, in: Joseph Gregor, a.a.O., Abb. 49

S. 130: „Romeo als Pilger, Entwurf von Inigo Jones“, in: Max von Boehn, a.a.O., S. 221

S. 135: „Fr. Ponte: Kostümfigurine Aquarell“, in: Joseph Gregor, a.a.O., Abb. 101

S. 136: „Unzelmann als Zinngießer, Wurm als Lehrjunge (Die Zinngießer)“, in: Joseph Gregor, a.a.O., Abb. 138

S. 139: „Kostüm der Athalie in der Tragödie von Racine. Comédie Française in Paris. 1779 | Aus der Galerie des Modes“, in: Max von Boehn, a.a.O., S. 361

S. 144: „Iffland als Herzog von Sully in Heinrich der IV. Farbenlithographie “, in: Joseph Gregor, a.a.O., Abb. 138

S. 146: „Prinzessin Eboli in Schillers Don Carlos. Aus Neue Kostüme auf den Kgl. Theatern in Berlin unter der Generalintendantur Graf Brühl. Berlin 1819 – 1823, Kupferstich von Jügel nach Stürmer“, in: Max von Boehn, a.a.O., S. 421

S. 149: Figurinen zu Hamlet, Entwürfe und Zeichnungen von Peter A. Becker. Von links nach rechts: „der König, die Königin, Hamlet, Ophelia, Laertes, Polonius“, in: Peter A. Becker‘s TheaterFigurinenMappe, 1. Jg. Bd. II, Berlin 1918, Selbstverlag

S. 153: „Die Ballnacht, Ballettfigurine, Aquarell, Archiv der Staatsoper“ (gemeint ist vermutlich die Staatsoper in Wien), in: Joseph Gregor, a.a.O., Abb. 201

S. 154: „Marie Taglioni als Sylphide. Farbenlithographie“, in: Joseph Gregor, a.a.O., Abb. 197

S. 156: aus: DAS THEATER, Illustrierte Halbmonatszeitschrift für internationale Bühnenkunst, Jg. 1, Heft 22, 1910, Berlin

S. 157: „Alex Otto, Hamburg, als Macbeth“, in: DAS THEATER, a.a.O., S. 504

S. 159: „Gordon Craig, Szenenentwurf“, in: Oskar Fischel: Das moderne Bühnenbild, Verlag Ernst Wasmuth, Berlin 1923, S. 42

S. 161: „E. Gordon Craig: Bassanio (1909). Holzschnitt“, in: Joseph Gregor, a.a.O., Abb. 256

S. 162 Picasso: Chinois, Figurine, in: Joseph Gregor, a.a.O., Anhang

S. 163: „De la Fumée, Robe de Madeleine Vionnet“, in:Gazette Du Bon Ton, 1922 Nr. 2 Tafel 13

S. 166 „M. Larionow: Figurine, Farbzeichnung“, in: Joseph Gregor, a.a.O., Abb. 259

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