Vertonen
von Martin Schneider
Erschienen in: Lektionen 8: Neue Dramatik (10/2025)
Assoziationen: Musiktheater Dramatik Dossier: Musik im Schauspiel
I.
Wer sich mit Rezensionen von Gegenwartsdramen beschäftigt, wird schnell bemerken, dass diese nicht selten auf musikalische Vergleiche zurückgreifen. Bei Felicia Zellers 2008 uraufgeführtem Drama Kaspar Häuser Meer handelt es sich laut Nachtkritik um eine „Sprechoper“1, Björn SC Deigners In Stanniolpapier aus dem Jahr 2019 wiederum ist Theater der Zeit zufolge eine „Textkomposition“2, sei es doch der „musikalische Zugang“ zum Theater, den sämtliche Dramen Deigners teilten.3 Diese Metaphorik ist nicht einfach aus der Luft gegriffen. Zahlreiche Gegenwartsdramatiker:innen verweisen mit den Titeln, Untertiteln und Schauplätzen ihrer Texte auf die Musik, sie nennen sie Coda4 und „Sinfonie“5 oder lassen sie in einer Disko6 spielen. Folgerichtig bedienen sich nicht nur Journalist:innen, sondern auch die Autor:innen selbst des musikalischen Vergleichs. „Der Text“, so Ewald Palmetshofer, „ist nur die Partitur für eine Aufführung, die das eigentliche Kunstwerk ist“7, während Thomas Köck in seiner Dankesrede zur Verleihung des Mülheimer Dramatikpreises 2019 bekannte, er sei „angehöriger eines bestimmten sounds“ und „vertreterin einer melodie“8. Dass einige der genannten Autor:innen als Musiker:innen tätig waren oder sind, verwundert deshalb nicht.
Auch wenn noch keine quantitative Untersuchung vorliegt, sind Häufigkeit und Persistenz der musikalischen Referenzen in der Gegenwartsdramatik bzw....