Marina Skalova, in Ihrem Stück „Der Sturz der Kometen und der Kosmonauten“, das jüngst am Theater POCHE/GVE in Genf uraufgeführt wurde, beschreiben Sie in starken poetischen Bildern und mit verstörender Klanglichkeit die russische Gesellschaft. Russland habe sich nach dem Zerfall der Sowjetunion in eine „Konfettitüte“ verwandelt, heißt es, später nennen Sie das Land ein „Spaghettisieb“. Zerfallsprozesse sind ein Grundmotiv in diesem Stück. Wie lässt sich diese Thematik im Theater vermitteln?
Das Theater eröffnet die Möglichkeit, in die Stimmen und Körper von Menschen einzutauchen, um ihren eigenen Widersprüchen einen Raum zu geben. Mich hat es interessiert, die inneren Konflikte zwischen zwei antagonistischen Wertesystemen, die innerhalb der Figuren von Vater und Tochter weiterleben, aufzuzeigen. Wie findet man in der liberalen Gesellschaft einen Platz, wenn man mit gänzlich anderen Werten erzogen wurde, wenn man zwischen den Konzepten von Individuum und Kollektiv, Ost und West hin- und hergerissen ist? Kann ein Körper das alles zusammenhalten? Der Begriff der Atomisierung war dabei für mich zentral. Rein wissenschaftlich betrachtet, bedeutet das, etwas Großes in seine kleinsten Bestandteile zu zerlegen. Dieses Bild kann auf die Tschernobyl-Katastrophe verweisen, auf die Zersplitterung des sowjetischen Systems, aber auch auf die Orientierungslosigkeit von Menschen, die an widersprüchlichen Zielen und Vorstellungen zerbrechen...