Theater der Zeit

Gespräch

Eine andere Art Familie

Stefanie Oberhoff im Gespräch mit Katja Spiess über 20 Jahre Zusammenarbeit mit dem kongolesischen Espace Masolo

Das „Centre des Ressources de Solidarité Artistique et Artisanale“, kurz „Espace Masolo“, wurde 2003 in Kinshasa von drei kongolesischen Künstler*innen gegründet: der Schauspielerin Malvine Velo, dem Erzähler Hubert Mahela und dem Puppenspieler Lambert Mousseka. Das Zentrum betreut ehemalige Straßenkinder und junge Menschen, die als „Hexenkinder“ von ihren Familien verstoßen wurden. Es macht Unterrichtsangebote und gibt Starthilfen für ein selbständiges Leben. Dazu dienen – neben Schulfächern wie Schreiben, Lesen, Rechnen und Französisch – vielfältige künstlerische Aktivitäten, u. a. Puppen-, Masken- und Instrumentenbau, Theater und Musik. Die Stuttgarter Bühnenbildnerin und Figurenspielerin Stefanie Oberhoff reiste 2004 zum ersten Mal nach Kinshasa und berichtete in der ersten Ausgabe des double über ihre Erfahrungen. Aus dieser Begegnung ergab sich eine nunmehr 20-jährige künstlerische Partnerschaft mit viel beachteten internationalen Koproduktionen sowie ein regelmäßiger Austausch mit einer Gruppe junger Musiker*innen aus Wuppertal. 2008 gründeten Künstler*innen aus Stuttgart und Wuppertal den Verein Freundeskreis Espace Masolo e. V., um das Zentrum finanziell zu unterstützen. Im Gespräch mit Katja Spiess gibt Stefanie Oberhoff einen Einblick in die Entwicklungen der letzten 20 Jahre und die Arbeit des Espace Masolo heute.

von Katja Spiess und Stefanie Oberhoff

Erschienen in: double 50: Same, same but different – Reenactment im Figurentheater (11/2024)

Assoziationen: Puppen-, Figuren- & Objekttheater Afrika

Rencontre des Superheroines Kinsuka
Rencontre des Superheroines KinsukaFoto: Espace Masolo

Katja Spiess: Vor 20 Jahren warst du auf Einladung der deutschen Botschaft Kinshasa das erste Mal in der demokratischen Republik Kongo und hast seither mit deinem Label Gütesiegel Kultur* – heute Agentur Punch – viele Kooperationsprojekte mit Künstler*innen des Espace Masolo entwickelt. Wie würdest du diesen Ort heute beschreiben?

Stefanie Oberhoff: Das erste Wort, das mir einfällt, ist: Familie. Als Familie für Menschen, die keine Familie haben, ist der Espace Masolo unglaublich stabil. Es ist toll, wie die Menschen, die dort arbeiten und dort ausgebildet wurden, zusammenhalten. Selbst Ehemalige, die sich entfernt haben, können immer wieder andocken.

Schlicht ein ganz großes Wunder

Und dann gibt es etwas, das ich schlicht als ganz großes Wunder bezeichnen würde: nämlich dass das Espace Masolo heute organisatorisch zu 90 % in der Hand von ehemaligen Schüler*innen liegt. Ein Kulturzentrum, das von ehemaligen Straßenkindern geleitet wird – wenn das keine Erfolgsgeschichte ist.

Zu der Erfolgsgeschichte gehört auch, dass es mit Hilfe des Freundeskreises Espace Masolo gelungen ist, ein neues Grundstück zu erwerben und einen Neubau zu errichten. Dieser Bau, der von Ehemaligen, die heute als Maurer und Schlosser arbeiten, eigenhändig aufgebaut wurde, ist im Besitz des kongolesischen Trägervereins, so dass man gegen Grundstücks-...

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