Stück
Der Text als Augenzeuge
Wojtek Klemm, Regisseur der Warschauer Uraufführung von „Tagebücher des Maidan“, im Gespräch mit Thomas Irmer
von Thomas Irmer
Erschienen in: Theater der Zeit: Je suis Charlie (02/2015)
Assoziationen: Dramatik

Wojtek Klemm, es überrascht eigentlich nicht, dass das Theater in der Ukraine die historischen Vorgänge auf und nach dem Maidan zu bearbeiten beginnt. Was sind die „Tagebücher des Maidan“ für ein Stück?
Bei dem Text „Dzienniki Majdanu“ („Tagebücher des Maidan“) haben wir es nicht mit einem normalen „Stück“ zu tun. Es handelt sich um eine Zusammenstellung von Augenzeugenberichten. Aufgenommen und gesammelt direkt vor Ort, auf der Straße. Das ist auch der allgemeine Gestus des Stoffes. Man spürt eine Hitze. Die Sammlung erfolgte in den ersten drei Monaten des Maidan. Der Stoff reicht bis zum Scharfschützenangriff. Keiner der Sprecher kann auch nur ahnen, was dann später passieren wird. Das gibt ihnen eine gewisse Kraft. Anderseits hatten wir bei den Proben oft das Gefühl, dass die Geschichte diese Figuren auf brutalste Art und Weise schon wieder überrollt hat. Neben der Hitze ist das das zweite Gefühl, welches man im Text deutlich spüren kann. Das Überrolltwerden. So als würde man im Meer von einer großen Welle getragen. Und dann geht man plötzlich unter.
Diese Zeugenaussagen wurden von verschiedenen jungen Dramaturgen und Autoren gesammelt und dann von Natalia Voroschbit zu einem Text verdichtet. Sie gibt dem Ganzen eine gewisse Dramaturgie, die den Ereignissen folgt....