Essay
Schimmern, schwingende Form
von João da Silva
Erschienen in: And here we meet: Choreography at the edge of time – Alexandra Waierstall (06/2025)
Als ich 2010 über Open Form Composition geschrieben habe,1 schlug ich diese als Mittel vor, um eine Form von Tanz zu ermöglichen, die von improvisatorischer und kompositioneller Natur zugleich ist. In meiner Erfahrung von Tanz, in dessen Gestaltung und Betrachtung, hatte ich nie das Gefühl, dass sich Tanzformen in gedankliche Entweder-Oder-Konstrukte zwängen lassen. Sie sind per se Sowohl-als-auch – wobei das, was auf die Konjunktion ‚auch‘ folgen kann, unerschöpflich ist, was bedeutet, dass die vermeintliche strukturelle Geschlossenheit von Tanzformen temporär ist, abhängig von unzähligen verwobenen Faktoren. Ich möchte hier die These aufstellen, dass das vielschichtige Gesamtwerk von Alexandra Waierstall von der gleichen Beschaffenheit ist wie das geschriebene Wort, wenn es auf die Leser:innen trifft.
Während der schriftliche Text durchaus ein Gefühl von räumlicher Ordnung vermitteln kann, von Rhythmus oder semantischer Tendenz in und zwischen den Worten, zwischen den Worten und einem selbst, findet man irgendwo in der Mitte ein endloses Potenzial, das nur der/die Leser:in vollends ausschöpfen kann. Solche Begegnungen zwischen Text und Leser:in erzeugt Gedanken, Gefühle, Bilder, Empfindungen, die manchmal in die eine Richtung, manchmal in eine andere gehen, sich aber stets einer hermeneutischen Festlegung entziehen. Diese Weigerung, sich mit einer Form in ein bekanntes Muster zu fügen,...